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Direktor der Staatskapelle verlässt Dresden

Mit Jan Nast übernimmt einer der erfolgreichsten sächsischen Musikmanager die Wiener Symphoniker. Der Abschied aus Dresden fällt ihm nicht leicht.

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Jan Nast tritt im Oktober sein neues Amt als Intendant der Wiener Symphoniker an.
Jan Nast tritt im Oktober sein neues Amt als Intendant der Wiener Symphoniker an. © Sebastian Kahnert/dpa

Dresden. Manchmal bekommen auch Menschen einen Riesen- Beifall, die kaum im Rampenlicht stehen. Jan Nast, langjähriger Orchesterdirektor der Sächsischen Staatskapelle Dresden, ist so ein Fall. Als er vor ein paar Wochen seinen Musikern den Abschied aus Dresden ankündigte und Beweggründe nannte, bedankten sie sich auf ihre Weise - mit langem Applaus. Nicht anders reagierte das Publikum in der Semperoper, als Nast am vergangenen Dienstag vom Orchester verabschiedet wurde. Ein Bravo-Ruf hallte durch den Saal, als der 54- Jährige nach einem Konzert die Bühne betrat und viel Beifall bekam.

Nast stammt aus Ostberlin und studierte dort Musik. Nachher spielte er als Hornist in Orchestern. Nach einem Kulturmanagement-Studium und einem Engagement in Freiburg kam er 1997 zur Dresdner Staatskapelle unter ihrem damaligen Chef Giuseppe Sinopoli. Nast erlebte in Dresden vier Chefdirigenten und fünf Intendanten. "Es war immer eine Zeit der Umbrüche, der Neuorientierung", blickt er zurück.

Sinopoli, der 2003 Dresdner Generalmusikdirektor werden sollte, habe große Visionen entwickelt, sein früher Tod 2001 alle Pläne zunichte gemacht. Der Italiener habe die Semperoper zum Digitalen Opernhaus machen wollen - genau wie es später die Berliner Philharmoniker für sich umsetzten. "Die Semperoper sollte mit fest installierten Kameras versehen und mit ihren Aufführungen weltweit vermarktet werden."

Sechs Jahre ohne Chef

Doch auch Sinopolis Nachfolger erwies sich für die Staatskapelle als Segen: der Niederländer Bernhard Haitink. "Er hatte aber von Anfang an klargestellt, dass er sich wegen seines Alters nur als Mann des Überganges sah", erinnert sich Nast. Später sei aus einer Wahl mit vier Kandidaten der Italiener Fabio Luisi als Sieger hervorgegangen. Er verließ nach gut zweieinhalb zwei Jahren das Orchester und wurde ab der Saison 2012/2013 von Christian Thielemann ersetzt.

Insgesamt sechs Jahre spielte die Staatskapelle ohne Chef - und machte das Beste daraus. Nast hat nach Ansicht vieler einen entscheidenden Anteil daran. "Ich hatte immer das Ziel, parallel zu den großen und etablierten Dirigenten dem Nachwuchs eine Chance zu geben", sagt er. "Wir haben sehr früh Leute zur Staatskapelle geholt, die heute berühmt sind und als Chefdirigenten große Orchester leiten. Das war ein Steckenpferd von mir." Die Namen sprechen für sich: Gustavo Dudamel, Daniel Harding, Robin Ticciati, Lionel Bringuier oder Yannick Nézet-Séguin.

Auch in der cheflosen Zeit wurde die Marke Staatskapelle Dresden gestärkt. Sie ist nicht nur mit dem Gründungsjahr 1548 verbunden, sondern auch mit großen Kapellmeistern wie Heinrich Schütz, Carl Maria von Weber und Richard Wagner. Hinzu kommen all die berühmten Komponisten, die ihre Werke mit der "Wunderharfe" - eine Bezeichnung Wagners für die "Kapelle" - uraufführen ließen. Richard Strauss brachte hier neun seiner 15 Opern heraus. Als "Strauss"-Orchester ist die Staatskapelle bis heute in Musikzentren der Welt gefragt.

"Diese Tradition haben wir gepflegt und überall mit in die Welt genommen. Mit vergleichsweise geringen Marketingmitteln ist es uns gelungen, dass wir heute mit den Berliner und Wiener Philharmonikern oft in einem Atemzug genannt werden", betont Nast. Er hinterlässt das Orchester in einem guten Zustand. "Ich glaube, ich kann von mir sagen, dass ich mich sehr für das Wohl und Wehe des Orchesters engagiert habe. Deshalb fällt der Abschied schwer."

Ein unermüdlicher Streiter für die Staatskapelle

Das geht wohl nicht nur Nast so. In auffallend deutlicher Sprache zeigten sich die Musiker vom Abgang ihres Direktors betroffen. "Mit Bestürzung" habe man von der Entscheidung erfahren, kommentierte der Orchestervorstand den Wechsel. Nast habe "unermüdlich für das Orchester gedacht, gehandelt und sich stets für die Werte und Ideale der Staatskapelle eingesetzt", hieß es. "Mit großem Ideenreichtum und oft unter Hintanstellung persönlicher Belange hat er das Orchester in Dresden und international weiterentwickelt."

"Jan Nast war ein unermüdlicher Streiter für die Staatskapelle. Sein Weggang ist ein großer Verlust für das Orchester", sagt Sachsens Kunstministerin Eva-Maria Stange (SPD). Sie bezeichnet Nast nicht nur als hervorragenden Musiker, sondern auch als wahren Teamplayer, dem der Kollektivgedanke über alles ging: "Er sah die Staatskapelle als "sein" Orchester und sorgte für Kontinuität und Bewahrung der hohen musikalischen Qualität sowie für das hohe internationale Ansehen."

Nast blickt nach vorn: "Wien ist eine wunderbare Stadt, die Wiener Symphoniker sind ein wunderbares Orchester mit sehr viel Potenzial. Dieses Potenzial auszuschöpfen und weiterzuentwickeln, darauf freue ich mich sehr", sagt der künftige Intendant und gibt zugleich ein Bekenntnis ab: Orchester dürften nicht nur für eine Oberschicht da sein. "Ein Orchester muss heute in der Mitte der Gesellschaft stehen." In Dresden hat er die Musiker bei "Ohne Frack on Tour" auch in Kneipen spielen lassen. Davon gibt es in Wien eine reiche Auswahl. (dpa)