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Rammstein provoziert mit neuem Video

Der Trailer zu ihrem neuen Musikvideo hatte für Kritik gesorgt. Derweil kündigt die Band ihr neues Album an. Den ganzen Clip gibt's hier.

Von Maximilian Helm
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Rammstein Sänger Till Lindemann
Rammstein Sänger Till Lindemann © imago

Eine Band als römische Legionäre, als Mafiabosse, als KZ-Häftlinge, als Mönche verkleidet: Das neue Video zur Single "Deutschland" von Rammstein ist düster, aufwendig und außerordentlich ästhetisch. Sänger Till Lindemann besingt und bebrüllt das ambivalente Verhältnis der Deutschen zu ihrem Land von Kaiser bis Führer, zwischen Schuldkult und Patriotismus. "Deine Liebe ist Fluch und Segen, meine Liebe kann ich dir nicht geben“, heißt es. Die Musik ist stampfend und schwer, die Gitarren werden nur von den Rammstein-typischen Keyboardriffs durchbrochen. Der Clip ist insgesamt etwas mehr als neun Minuten lang - halb Kurzfilm, halb Musikvideo.

Produziert wurde das Video von Eric „Specter“ Remberg . Remberg hatte 2001 das Berliner Hip-Hop Label „Aggro Berlin“ gegründet, das Künstler wie Sido und Bushido bekannt machte. Heute ist Remberg Fotograf und Filmemacher, zuletzt für den Rapper Marteria – und nun für Rammstein.

Die Band war zuvor heftig kritisiert worden. Am Dienstag hatte sie einen 36-sekündigen Teaser zum Musikvideo veröffentlicht. Darin sind vier Band-Mitglieder zu sehen, deren Kleidung an KZ-Gefangene erinnert. Sie stehen dabei am Galgen. Auf dem Revers des Gitarristen Paul Landers ist ein gelber Stern zu sehen, ähnlich dem, den Juden unter dem NS-Regime tragen mussten. 

Am Ende des  Videos, das Rammstein auch auf ihrer Webseite veröffentlichte, ist das Wort "Deutschland" in frakturähnlicher Schrift zu sehen, in römischen Zahlen steht darunter das Datum 28.3.2019. Damit verraten sie den Titel und das Veröffentlichungsdatum der ersten Single. 

Das Vinyl-Cover der Single zeigt eine dunkelhäutige Frau in goldener Rüstung.
Das Vinyl-Cover der Single zeigt eine dunkelhäutige Frau in goldener Rüstung. © Rammstein

Der Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, Josef Schuster, erklärte, es gebe zahlreiche Künstler, die sich in ihren Kunstwerken auf eine würdevolle Art mit der Schoa auseinandersetzen. "Wer den Holocaust jedoch zu Marketingzwecken missbraucht, handelt verwerflich und unmoralisch", erklärte Schuster. Sollte Rammstein mit dem neuen Musikvideo aus dem Holocaust Profit schlagen wollen, wäre das geschmacklos und würde die Millionen von Menschen verhöhnen, die während der Schoa unsäglich gelitten haben und auf grausamste Weise ermordet wurden.

Der Antisemitismusbeauftragte der Bundesregierung, Felix Klein, erklärte, prinzipiell sei gegen eine künstlerische Auseinandersetzung mit dem Holocaust nichts einzuwenden. "Wenn aber das Video nur zur Provokation und Verkaufsförderung erstellt wurde, um zu skandalisieren und Aufmerksamkeit zu erzeugen, dann wird damit eine rote Linie überschritten." Das wäre eine geschmacklose Ausnutzung der Kunstfreiheit. Man müsse abwarten, was die Band in ihrem neuen Album aufgenommen hat. "Sollten es Lieder gegen den Judenhass sein, wäre ich positiv überrascht", sagte Klein. 

Der Direktor der Stiftung Bayerische Gedenkstätten, Karl Freller (CSU), lud die Band in die KZ-Gedenkstätte Dachau ein. Ein abschließendes Urteil wollte Freller am Donnerstag zwar noch nicht fällen, weil noch unklar sei, welchen Hintergrund das Video habe. Eindeutig sei aber: "Das Leid und die Unmenschlichkeit des Holocaust verbieten sich für Werbezwecke oder Effekthascherei zur Bekanntmachung von Produkten ganz gleich welcher Art - in diesem Fall wohl ein neues Musikalbum." 

Die Band bleibt ein schwer erklärbares Phänomen. Das Sextett, das mit seinen harten Gitarrenriffs und gewaltsam-lyrischen Texten eher eine Nischenerscheinung sein müsste, ist populär wie nie. Eine große Stadiontournee im Sommer war nach Sekunden ausverkauft und im Ausland sind die Berliner der deutsche Exportschlager schlechthin. Das Konzert in Moskau wurde bereits Mitte März in das Luschniki-Stadion hochverlegt. Das größte Fußballstadion der Metropole verfügt über 80.000 Sitzplätze. 

Und das, obwohl ihre letzte Single „Mein Land“ inzwischen acht Jahre alt ist. In der Zwischenzeit veröffentlichten einzelne Bandmitglieder Solo-Alben. Zuletzt hatte Sänger Till Lindemann durch seinen gemeinsamen Song „Mathematik“ mit dem Frankfurter Rapper Haftbefehl für Kontroversen gesorgt. Sowohl Rammstein- als auch Hip-Hop-Fans kritisierten das Lied für seine musikalische Qualität, Verteidiger sahen eine bewusste Provokation. Ein Mittel der ersten Stunde für Rammstein, um Aufmerksamkeit zu erzeugen.

Auf ihrer Website hat die Band außerdem den Releasetermin ihres neuen Albums bekannt gegeben. Die noch titellose Platte soll am 17. Mai erscheinen. Auch die Tracklist wurde bereits in Teilen veröffentlicht, "Deutschland" ist der erste von insgesamt elf Songs. Auf ihrer seit Monaten ausverkauften Stadiontour im Sommer wird Rammstein am 12. und 13. Juni im Dresdner Rudolf-Harbig-Stadion spielen. (mit dpa)