"In Döbeln mehr Drogenfahrten"

Region Döbeln. Menschen, die sich berauscht hinters Steuer setzen, wissen, dass sie falsch handeln. Trotzdem machen es nicht wenige, wie Jana Ulbricht, Sprecherin der Polizeidirektion Chemnitz, sagt.
Frau Ulbricht, täuscht der Eindruck oder vergeht kein Tag, an dem Sie im Direktionsbereich keinen alkoholisierten Fahrer feststellen?
Jana Ulbricht: Der Eindruck täuscht nicht. Bis Ende August dieses Jahres wurden 898 Verkehrsteilnehmer festgestellt, die unter Alkoholeinfluss standen. Dies sind im Durchschnitt knapp 3,7 pro Tag. Für das vergangene Jahr lag der Tagesdurchschnitt bei rund 3,4 Feststellungen. Insgesamt wurden im vorigen Jahr 1.255 alkoholisierte Fahrzeugführer festgestellt.
Wie viele Alkoholfahrten wurden bisher 2020 im Bereich Döbeln registriert?
Bis Ende August wurden durch die Beamten des Polizeireviers Döbeln 40 Fahrzeugführer bei einer folgenlosen Trunkenheitsfahrt festgestellt. Im gesamten Jahr 2019 waren 71 alkoholisierte Fahrer/innen festgestellt worden. Deutlich höher als im Vorjahr ist die Zahl der festgestellten Fahrzeugführer unter Einfluss von berauschenden Mitteln. Hier liegt die Zahl der Feststellungen bis Ende August 2020 bei 56, im gesamten Jahr 2019 waren es 38.
Wie lässt sich diese Zahl einschätzen?
Vorab sei hier noch einmal bemerkt, dass es sich um ein Kontrolldelikt handelt. Besondere Auffälligkeiten gibt es für den Bereich Döbeln nicht. Die Feststellung von Alkoholverstößen durch Beamte des Polizeireviers Döbeln liegt im Durchschnitt der vergleichbaren Reviere in der Polizeidirektion Chemnitz. Die Feststellung von Fahrzeugführern unter Einfluss von Betäubungsmitteln liegt über dem Durchschnitt.
Sieben oder fünf Fahrten unter Alkohol pro Tag in Chemnitz, in Mittelsachsen und im Erzgebirgskreis. Sind das normale Tage?
Die täglich festgestellten Delikte schwanken. Ein Großteil beruht auf den Verkehrskontrollen der Polizeistreifen im Direktionsbereich. Es gibt aber auch regelmäßig Hinweise aus der Bevölkerung bezüglich eines auffälligen Verhaltens im Straßenverkehr, denen wir dann nachgehen.
Welche langfristige Entwicklung stellen Sie beim Delikt Fahren unter Alkoholeinfluss fest?
In den Jahren 2015 bis 2018 wurden im Bereich der Polizeidirektion Chemnitz immer 1000 bis 1100 folgenlose Trunkenheitsfahrten, also ohne dass es zu einem Verkehrsunfall kam, festgestellt. Im vergangenen Jahr stieg die Zahl auf 1255. In diesem Jahr ist eine leicht steigende Tendenz zu verzeichnen. Demgegenüber stehen aber auch Verkehrsunfälle unter Alkoholeinfluss. Deren Anzahl ist in den vergangenen fünf Jahren rückläufig und lag 2019 bei 348. Der Höchstwert hier war mit 416 Unfällen unter Alkoholeinfluss im Jahr 2016.
Von welcher Grauzone gehen Sie aus, also wie hoch ist der Anteil derjenigen, die tatsächlich unter Alkoholeinfluss fahren?
Es gibt, wie bei allen anderen Delikten auch, eine Dunkelziffer. Hier stellen wir als Polizei aber keine Spekulationen bezüglich der Anzahl an. Unsere Feststellungen zeigen jedoch, dass es keine Einzelfälle sind.
Sind die gültigen Vorschriften angemessen, oder plädieren Sie für die Null-Promille-Grenze?
Der Gesetzgeber hat abgestufte Vorschriften erlassen. So begehen Kraftfahrzeugführer mit einem Promillewert von 0,5 bis 1,09 eine Ordnungswidrigkeit. Ab 1,1 Promille sowie bei Werten im Ordnungswidrigkeitsbereich und alkoholbedingten Ausfallerscheinungen liegt eine Straftat der Trunkenheit im Verkehr vor. Zudem gibt es Sonderregelungen. Für Fahranfänger bis zur Vollendung des 21. Lebensjahres sowie in der Probezeit gilt die 0,0-Promille-Regel. Radfahrer machen sich ab 1,6 Promille ebenfalls einer Trunkenheit im Verkehr strafbar. Verursacht ein alkoholisierter Fahrer einen Verkehrsunfall, kommt es bereits ab einem Promillewert von 0,3 zu strafrechtlichen Konsequenzen. Für die Fahrzeugführer selbst wäre eine 0,0-Promille-Regelung sicher einfacher zu handhaben. 0,0 heißt 0,0 Promille ohne Ausnahme. Realistisch einschätzen, welchen Promillewert ein Glas Bier oder Wein ergeben, können sicherlich die wenigsten. Zumal hier auch die persönliche körperliche Verfassung eine Rolle spielt. Auch wenn der Gesetzgeber einen Spielraum ermöglicht, ist unsere Empfehlung ganz klar: „Don’t drink and drive“!
Warum ist Fahren unter Alkoholeinfluss so gefährlich?
Alkohol, aber auch andere Substanzen wie Betäubungsmittel oder Medikamente, beeinträchtigen die Fahrtüchtigkeit. Reaktionszeiten verlangsamen sich, die Wahrnehmung ist teils erheblich eingeschränkt. Hier gibt es vielleicht auch ein gewisses Maß an Selbstüberschätzung der eigenen Fähigkeiten und was die Substanzen tatsächlich bewirken. Hinzu kommt eine Enthemmung alkoholisierter Personen.
Neben Alkohol als staatlich zugelassene Volksdroge gibt es ja auch verbotene Betäubungsmittel. Spielen diese im Straßenverkehr eine Rolle?
Leider immer mehr. Gerade im Bereich der Fahrten unter Drogeneinfluss sind die Feststellungen in diesem Jahr enorm angestiegen. Mit bislang 627 festgestellten Fahrzeugführern unter Einfluss von Betäubungsmitteln ist der Jahreswert des Vorjahres (558) in diesem Jahr bereits im August deutlich übertroffen. In diesem Bereich werden wir unsere Aufmerksamkeit und Kontrollen weiterer forcieren. Besonders zu bedenken ist, dass der Abbau beispielsweise der psychoaktiven Substanz THC im Körper deutlich langsamer erfolgt als bei Alkohol. Die berauschende Wirkung hält länger an, die Dauer der Beeinträchtigung ist noch weniger kalkulierbar.
Wird im ländlichen Raum mit seiner schlechteren öffentlichen Verkehrsinfrastruktur mehr oder weniger alkoholisiert gefahren als in der Stadt, wo Bus und Bahn gut ausgebaut sind?
Was Menschen dazu bewegt, alkoholisiert zu fahren, wissen wir meist nicht. Wir stellen alkoholisierte oder unter Einfluss berauschender Mittel stehende Verkehrsteilnehmer sowohl in den Städten als auch in ländlichen Bereichen fest.
Der Mopedführerschein und die ersten Erfahrungen mit Alkohol fallen bei Jugendlichen zeitlich oft zusammen. Was raten Sie Eltern bei diesem Konflikt?
Gerade für junge Fahrer und in der Probezeit gilt die 0,0-Promille-Regel. Also entweder Moped fahren oder etwas trinken. Jugendliche sollten sich auch nicht von Freunden zu unbedachten Handlungen verleiten lassen. Wer mit Alkohol am Steuer erwischt wird, der ist den Führerschein erst mal los. Diese gerade erst erlangte Mobilität will sicher niemand gleich wieder aufgeben.
Angetrunken und betäubt
- 2019 wurden im Direktionsbereich Chemnitz 1255 alkoholisierte Fahrzeugführer festgestellt. Bis Ende August dieses Jahres waren es 898.
- Angestiegen ist auch die Anzahl der festgestellten Fahrten unter Drogeneinfluss. Bis August waren es in diesem Jahr 627, im gesamten vorigen Jahr dagegen nur 558. (FP/dahl)
Das Gespräch führten Ingolf Rosendahl (FP) und Maria Fricke.
Mehr lokale Nachrichten aus Döbeln und Mittelsachsen lesen Sie hier.