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Ein Arbeitsplatz in 60 Meter Höhe

In der Region werden mehrere Strommasten neu errichtet. Dazu braucht es sechs Kräne und schwindelfreie Männer.

Von Frank Korn & Jörg Richter
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Auch dieser Hochspannungsmast an der B169 am Abzweig nach Mockritz ist neu errichtet worden.
Auch dieser Hochspannungsmast an der B169 am Abzweig nach Mockritz ist neu errichtet worden. © Dietmar Thomas

Region Döbeln. Große Stahlplatten liegen auf dem Feld unweit der Bundesstraße 169 rund um einen Stahlmast. Sie haben den Kränen einen festen Grund gegeben, mit denen der alte Mast abgebaut und der neue aufgestellt worden ist.

Zwischen Streumen und Eula sind in den vergangenen Wochen 17 Strommasten ausgetauscht worden. Zudem wurden über 100 Strommasten mit zusätzlichen Stahlprofilen verstärkt. Acht Wochen waren die 380.000-Volt-Leitungen dafür außer Betrieb, sind aber jetzt wieder am Netz. Der Strom ist in dieser Zeit über das weit verzweigte 50-Hertz-Netz umgeleitet worden.

Die Stahlplatten auf dem Feld werden nun zurückgebaut. Doch bis dahin haben sich an der Baustelle beeindruckende Szenen abgespielt.

Auf der rund 3.000 Quadratmeter großen Stahlfläche angekommen, fällt ein größeres Bauteil des Gittermasten auf, das hier liegt. Ein paar Bauarbeiter hängen es an die Seile eines Kranes. Langsam erhebt es sich und schwebt hinauf in etwa 60 Meter Höhe, wo die Monteure schon auf das vorletzte Teil des Masten warten.

17 Masten neu errichtet

Eine kleine Drohne schwirrt dort oben umher und macht Fotos. Die Kamera sieht in die lächelnden Gesichter der Männer, die völlig entspannt die weite Aussicht ins Land genießen. Unten steht Obermonteur Marco Pfeil und blickt ebenfalls ganz entspannt. „Das Wetter spielt mit“, sagt er. Der Himmel hängt zwar voller Wolken, aber es regnet nicht. Die Luft ist leicht schwül, doch nicht zu sehr. „Das ist optimal“, sagt der 50-Jährige. „Hitze mit über 30 Grad Celsius will auch keiner haben.“

Für den späten Nachmittag ist heftiger Niederschlag vorhergesagt. Doch bis dahin ist es noch eine Weile. Die Mastenbauer liegen sehr gut in der Zeit. Am Vortag hatten sie den alten Masten abgebaut. Vier Kräne, zwei vor und zwei hinterm Masten, haben die Stromleitungen – die Fachleute nennen sie Leiterseile – zur Seite genommen und halten sie seitdem fest. Auch die ganze Nacht über.

Jetzt, am zweiten Tag, wird seit dem Morgen der neue Masten aufgebaut. Er ist stabiler und kann größeren Krafteinwirkungen standhalten. Er gehört zu den 17 Masten, die der Übertragungsnetzbetreiber 50 Hertz auf der Strecke zwischen dem Umspannwerk Streumen und Eula, im Süden von Leipzig, neu errichten lässt.

Viele Monteure sind Quereinsteiger

„Die Männer da oben sind ein eingespieltes Team“, sagt Johannes Herbrich. Er ist der Teilprojektleiter von 50 Hertz für den Bereich Sachsen. Die Stimmung sei gut in der Truppe. Das braucht es auch, denn jeder muss sich auf den anderen verlassen können. Den Elektroingenieur beeindruckt der enorme Zusammenhalt unter ihnen. An ihrem Baucontainer wehen sogar Flaggen, die sie als eine Kolonne der Firma Eqos Energie ausweisen.

Zehn Monteure gehören zu der Truppe um Marco Pfeil. „Das sind alles Quereinsteiger, vom Bäcker bis zum Kfz-Schlosser“, verrät er lächelnd. Auch ein Brummi-Fahrer und ein ehemaliger Marinesoldat seien darunter. Die beiden Neuen in seinem Team waren bis vor Kurzem noch Bühnenbauer. Weil es aber wegen Corona keine Konzerte und Vorstellungen mehr gab, mussten sie sich einen Job suchen und sind jetzt Freileitungsmonteure.

Eine wichtige Qualifikation, die sie dazu brauchen, ist schwindelfrei zu sein. Ein Betriebsarzt muss ihnen attestieren, dass sie höhentauglich sind. Natürlich gehören auch handwerkliches Geschick und Teamfähigkeit dazu. „Ganz ohne Ausbildung kommt man nicht aus der Backstube dort hinauf“, ergänzt Herbrich.

Höhenrettungstraining ist Pflicht

Der 30-Jährige, der häufig zwischen seinem Büro in Chemnitz-Röhrsdorf und den Baustellen pendelt, ist auch schon mal auf so einen Masten geklettert. Dafür hat er ein Höhenrettungstraining absolviert. „Die ersten Male habe ich mich krampfhaft festgehalten“, erzählt er.

Alle, die dort hochsteigen wollen, müssen dieses Training nachweisen, um im Ernstfall auch mal einem Kollegen in Not helfen zu können. „Die Unfallquote auf unseren Baustellen ist aber extrem gering“, sagt 50Hertz-Pressesprecher Volker Gustedt. Marco Pfeil kann das nur bestätigen. „Ich kenne keine andere Baustelle, wo es höhere Sicherheitsstandards wie bei Freileitungen gibt.“

Auf dem Ärmel seiner Jacke ist eine Strichliste gedruckt. Sie zeigt an, wie viele Masten er und seine Kolonne auf ihrer „German Tour“ seit 2016 neu errichtet haben. Im vergangenen Jahr waren es 33. Die Zahl für 2021 fehlt noch. Denn Pfeil und seine Kolonne sind ja noch nicht fertig. Auf der Strecke in den Leipziger Süden kommen noch einige Masten, die ausgetauscht werden müssen.

Unternehmen reagiert auf Klimaveränderung

Die vorbereitenden Maßnahmen, wie Abstimmungen mit Eigentümern und Bewirtschaftern der Flächen, begannen bereits im Januar. Mitte März begannen die ersten Tiefbauarbeiten an den Strommasten, die ausgetauscht werden sollen. Gruben wurden ausgehoben und 1,20 Meter starke Fundamentplatten auf einer Fläche von 15 mal 15 Metern betoniert. Für jeden Masten gibt es einen eigenen Plan für die Bewehrungsstähle im Fundament. Das macht die Arbeit nicht leichter. „Der Mast hier ist einer der beiden größten auf dieser Strecke“, sagt Teilprojektleiter Herbrich. „Der andere steht in Streumen.“

Er betont, dass er nicht nur großen Respekt vor den Freileitungsmonteuren hat, sondern auch vor den Kranfahrern. Denn ohne ihr Fingerspitzengefühl würden die Männer da oben die einzelnen Mastteile nie so millimetergenau zusammenschrauben können.

Insgesamt lässt 50Hertz seit 2013 in ganz Ostdeutschland 2.400 Masten verstärken und 425 Masten ersetzen. Damit reagiert das Unternehmen auf die Klimaveränderung und die damit zunehmenden Wetterphänomene. Im Jahr 2017 war auch die Leitung Preilack-Streumen von Sturmschäden betroffen, und zwar bei Schadewitz (Landkreis Elbe-Elster). Dort hatte es drei Masten geknickt, acht weitere waren teils schwer beschädigt worden. Bis 2023/24 soll das Mastverstärkungsprogramm, das mehrere Hundert Millionen Euro kostet, abgeschlossen sein.

Die Karte zeigt den Verlauf der Stromtrasse.
Die Karte zeigt den Verlauf der Stromtrasse. © SZ Grafik