Von Dagmar Doms-Berger
Große Augen, lange Beine, imponierendes Gehabe – Lui und Sit können Besucher beindrucken. Sie sind die beiden stolzen Zuchthähne auf der Straußenfarm von Familie Reißig in Pappendorf in der Gemeinde Striegistal. Insgesamt leben 65 Tiere auf dieser Straußenfarm auf halber Strecker zwischen Dresden und Chemnitz.
Über zwei historische Brücken führt die schmale Mühlstraße zielgenau auf den Striegistaler Straußenhof. Die Anreise ist mit dem Auto möglich, aber zu Fuß durch das Große Striegistal ist sie ein Vergnügen. Die Ankunft bleibt nicht unentdeckt und wird von den neugierigen Tieren genau registriert.
Fast 70 km/h schnell
Sympathie des Betrachters ist ihnen gewiss. Aber auch Respekt. Die größten Vögel der Welt werden bis zu 2,70 Meter groß und über 100 Kilogramm schwer, können enorm gut sehen (drei Kilometer weit) und sind in ihrer Schnelligkeit mit 70 Kilometern pro Stunde im Sprint für einen Zweibeiner nicht zu überbieten.
Vor 18 Jahren zog das erste Zuchttier bei Familie Reißig auf dem Bauernhof ein. Die Kühe der früheren LPG wurden nach der Wende abgeschafft, die Ställe standen leer. „Wir suchten nach einer zusätzlichen Einnahmequelle“, erinnert sich Vater Wolfgang Reißig. Der 65-Jährige betreibt gemeinsam mit Sohn Marcus (32) den Straußenhof als GbR. Eine Erkundungstour auf einem Straußenhof an der Ostsee brachte die Erkenntnis: Das könnte bei uns auch funktionieren. Im Juni 2003 wurden die ersten Küken gekauft.
Das Straußenfleisch ist wegen seiner Eigenschaften ein Renner: es hat wenig Fett und ist cholesterinarm. „Steaks gehen immer“, sagt Heidi Reißig. In manchen Straußen-Würsten wird statt Schweinefleisch Öl zugegeben. Das schätzen viele Kunden. Alle fünf Wochen wird in einer externen Fleischerei geschlachtet. Bei über 100 Kilogramm Lebendgewicht eines Tieres bleibt aber nur rund ein Drittel an Straußenfleisch übrig.
Der Rest sind Knochen, Haut, Innereien und Steine. Da der Strauß keine Zähne hat, frisst er kleine Steinchen. Diese sorgen dafür, dass mit Hilfe des Muskelmagens die Nahrung zerkleinert wird. Mehr als ein Kilo Steine kann der Vogel mit sich herumschleppen. „Gefüttert werden die Tiere ohne Zusatz von Antibiotika, leistungsfördernden oder Eiweißkomponenten tierischer Herkunft“, sagt Heidi Reißig.
Lieber nicht im feinen Zwirn
Im hofeigenen Laden zeigt sich die ganze Vielfalt an Straußenprodukten. Straußenei-Nudeln, Staubwedel aus Straußenfedern mit hoher antistatischer Wirkung, Straußenölseife für sensible Haut, Handtaschen und Brillenetuis aus Straußenleder – gefertigt von Partner-Manufakturen. Straußeneier sind nach wie vor als Deko beliebt, als Lampe oder Pyramide im Straußenei.
Bei Führungen über den Hof lässt sich viel Wissen rund um die Tiere und Produkte sammeln. Dafür sollte man nicht unbedingt im besten Ausgeh-Zwirn erscheinen. Strauße picken gern mal durch den Draht. Aber bitte achtgeben: Strauße sind keine Kuscheltiere, aber sehr interessiert, besonders an allem, was glänzt und glitzert. Bei einem Spaziergang über die Farm wird man auch Kühe, Schafe, Hühner, Schweine, Katzen und selbst Schwalben entdecken.
Nicht selten schauen Wanderer auf dem Straußenhof vorbei. „Wir profitieren sehr von den ausgebauten Wanderstrecken des Striegistales“, sagt Heidi Reißig. Auch Camper aus Freiberg und Dresden entspannten hier schon für ein Wochenende von der Hektik der Städte. Seit 2014 ist der Straußenhof beim Landvergnügen-Stellplatzführer gelistet, der seinen Mitgliedern beim Kauf eines Kataloges gleich eine Jahresvignette mitgibt. In diesem Jahr haben sich besonders viele angemeldet.
Zum gesellschaftlichen Leben auf dem Straußenhof gehört der Knaupelabend, der dreimal im Jahr veranstaltet wird. „Dann gibt es Straußenhälse zum Abknabbern“, sagt Heidi Reißig. Ein Straußenhals wiegt um die eineinhalb Kilogramm, das Fleisch ist sehr mager und zart.
Am vierten Advent wird alljährlich zum Weihnachtsmarkt eingeladen. In diesem Jahr ist es der 19. Dezember. Mit dabei sind auch andere Anbieter von Manufakturen, die das ein oder andere feine Weihnachtsgeschenk bereithalten.
Alles hausgemacht
Alle bisher erschienenen Teile der Serie "So schmeckt Sachsen" finden Sie hier