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Döbeln: Rückwärts gegen den Tanklaster

36 Jahre nach der Fahrschule setzt sich Redakteur Jens Hoyer hinters Lenkrad eines Lkw. Der fährt nur virtuell. Zum Glück für die anderen.

Von Jens Hoyer
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Fahrlehrer Steffen Janasek hilft DA-Redakteur Jens Hoyer beim Einparken mit dem Lkw zwischen einem Bus und einen Tanklaster. Beim ersten Versuch hatte letzterer eine Beule bekommen.
Fahrlehrer Steffen Janasek hilft DA-Redakteur Jens Hoyer beim Einparken mit dem Lkw zwischen einem Bus und einen Tanklaster. Beim ersten Versuch hatte letzterer eine Beule bekommen. © Dietmar Thomas

Döbeln. Wenn ich in meinen Führerschein schaue, dann sehe ich dort auf dem Passfoto einen Milchbart mit vollem Haar. Ich mit 19 Jahren. Am 9. Oktober 1985 war der Führerschein auf dem Kreisamt der Volkspolizei ausgestellt worden. Ich war mit der Fahrschule fertig geworden. Die Gesellschaft für Sport und Technik, kurz GST, bildete damals Militärkraftfahrer aus. So bin ich zum Führerschein der Klasse C gekommen, Fahrzeuge über 3,5 Tonnen einschließlich Hänger. Ich glaube, das hat um die 70 Mark gekostet.

Einen Militärlaster habe ich später nie gefahren. Nun sitze ich nach 36 Jahren wieder vor einem großen Lenkrad. Nicht in einem richtigen Lkw, sondern im Simulator der Verkehrsschule Janasek. Drei große Monitore statt Front- und Seitenscheiben.

Fahrschule auf dem IFA W 50

Der reale Laster war damals ein IFA W 50. Nach kurzer Einweisung durch den Fahrlehrer auf dem Übungsplatz ging es für uns blutige Anfänger gleich mit der Riesenkiste auf die Piste. Lenkhilfe – gab es nicht. Manchmal musste der Fahrlehrer kräftig mit kurbeln. Gefordert waren Zwischenkuppeln beim Raufschalten, Zwischengas beim Runterschalten, damit wir später auch die Russenkisten mit nicht synchronisiertem Getriebe fahren konnten. Gleich in einer meiner ersten Stunden hat mich der Fahrlehrer die schmale und kurvige Straße durch Limmritz hinaufgeschickt. Ich habe Blut und Wasser geschwitzt.

Da ist der Laster von heute schon eine andere Nummer. Meiner simuliert ein Automatikgetriebe. Das ist durchaus Standard bei modernen Fahrzeugen, erklärt Steffen Janasek. Die Fahrschule setzt den Simulator bei allen Fahrschülern ein, erzählt er. „Das ist aber nur ein Element der Ausbildung und ersetzt nicht die Fahrstunden. Aber in der ersten Fahrstunde ist das gut, um zum Beispiel rangieren zu üben.“

"Sie hatten einen Unfall"

Rangieren ist auch meine erste Aufgabe. Rückwärts einparken zwischen einem Bus und einem Tanklaster. Es ist viel Platz auf dem virtuellen Hof. Ich nehme einen weiten Bogen. Eine unaufgeregte Männerstimme erklärt mir, dass ich die Aufgabestellung nicht erfüllt habe. Also neuer Anlauf. Plötzlich wird der Bildschirm schwarz. „Sie hatten einen Unfall“, erklärt mit der Herr. Und der Tanklaster hat wohl eine virtuelle Beule.

Verdammt lang so ein Laster. Janasek gibt Anweisungen. Kräftig einlenken. So klappt es besser. Nach einigem Kurbeln treffe ich die Parklücke. Beim Rangieren helfen nur die Außenspiegel. Das war auch vor 36 Jahren nicht anders. Wir haben das immer wieder auf dem Übungsplatz trainiert. Der befand sich damals an der Mastener Straße. Heute stehen dort ein Autohaus und die Shell-Tankstelle.

Entnervt mit dem Anhänger

Manches war damals einfacher. Mit Hänger sind wir kaum gefahren. Der wurde eigentlich nur zur Prüfung an den Laster gehängt. An Janaseks Simulator komme ich damit nicht durch. Aufgabenstellung: Rückwärts mit Hänger rangieren. Ich gebe zu, damit komme ich an meine Grenzen. Ich kurble zu viel, meint der Fahrlehrer. Der Hänger macht, was ich nicht will. Er stellt sich quer. Und plötzlich wird der Bildschirm schwarz. Die unaufgeregte Männerstimme klärt mich auf, dass ich meinen eigenen Hänger gerammt habe.

Einen Sattelauflieger rückwärts zu schieben, ist einfacher, meint Janasek. Theoretisch. Irgendwie schaffe ich es dann mit Anweisung, schräg an eine Rampe ranzufahren. Der Lagerarbeiter, der im wahren Leben den Laster hätte beladen sollen, hätte wahrscheinlich einen Tobsuchtsanfall bekommen.

Reh vor den Laster

Die Fahrschule hat den Simulator, der sogar die Vibrationen des Motors und Fahrbahnunebenheiten an den Schüler weitergibt, etwa seit 2013, sagt Janasek. „Damals waren wir damit eine der ersten Fahrschulen in Sachsen.“ Janasek und weitere vier Fahrlehrer bilden Leute auf praktisch allem aus, was rollt. Vom Moped bis zum Bus und Gabelstapler.

Der Simulator kann für alle möglichen Situationen programmiert werden. Zum Beispiel für Feuerwehrleute, die auf Zeit ein Einsatzfahrzeug durch eine Stadt fahren müssen. Einschließlich Autofahrern, die die Vorfahrt nicht beachten und auf das Martinshorn kopflos reagieren. Mir schickt Janasek ein Reh vor den Laster. Die Vollbremsung kommt zu wenig energisch. Das Reh überlebt zwar, das virtuelle Wildgulasch fällt aus. Aber 1,13 Sekunden Reaktionszeit ist ziemlich lang, meint der Fahrlehrer.

Janasek kann seine Fahrschüler durch alle möglichen Kulissen auf dieser Welt fahren lassen. Für mich wählt er einen Kurs durchs Gebirge aus. Sattelzug, 38 Tonnen, auf einer Straße zwischen kahlen Bergen mit Steigungen, engen Kurven, Tunneln und Brücken. Mit 25 Stundenkilometern quält sich der Brummi eine mächtige Steigung hinauf. Berg runter noch ein paar Haarnadelkurven. Schön weit ausfahren, damit der nachlaufende Auflieger auf der Straße bleibt.

Ein paarmal meint die Stimme aus dem Off, dass ich die Fahrbahn verlassen hätte. Aber es geht auch immer besser mit der Fahrerei, wie Janasek zum Schluss anerkennend feststellt. Trotzdem, zum Berufskraftfahrer werde ich es in diesem Leben wohl nicht mehr bringen.