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Großweitzscher Bürger fühlen sich in ihrer Lebensqualität eingeschränkt

Seit einigen Wochen leben etwa 70 ukrainische Flüchtlinge in den Wohnblöcken an der Oberen Straße. Das bringt für die Anwohner große Probleme. Nun hoffen sie auf Hilfe von den neuen Gemeinderäten.

Von Sylvia Jentzsch
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In die Häuser 16 bis 26 an der Oberen Straße in Großweitzschen sind viele ukrainische Flüchtlinge eingezogen. Deren Lebensgewohnheiten kollidieren mit denen der ortsansässigen Bewohner.
In die Häuser 16 bis 26 an der Oberen Straße in Großweitzschen sind viele ukrainische Flüchtlinge eingezogen. Deren Lebensgewohnheiten kollidieren mit denen der ortsansässigen Bewohner. © SZ/DIetmar Thomas

Großweitzschen. Mit einem Brief haben sich die Anwohner des Neubaugebietes an der Oberen Straße in Großweitzschen an die neuen Gemeinderäte gewandt. Sie machen darin auf die massiven Einschränkungen ihrer Lebensqualität in den vergangenen Wochen aufmerksam. Ein Großteil von ihnen denke schon über einen Umzug nach.

„Etwa alle zwei Tage wird die Polizei wegen Nichteinhaltung der Nachtruhe gerufen. Sobald die Beamten nicht mehr vor Ort sind, geht es auf der Straße lautstark weiter“, heißt es in dem Schreiben. Die Anwohner sind ratlos. Ihre Möglichkeiten der Kommunikation seien ausgeschöpft.

Im Schreiben wird klargestellt, dass die neuen Mitbürger nicht diskriminiert werden sollen. Es müsse eine Lösung für diejenigen geben, die schon lange in Großweitzschen leben. Der derzeitige Zustand sei für sie unzumutbar.

Was in den Neubauten los ist

Die zwei Neubaublocks an der Oberen Straße 16 bis 26 standen sehr lange leer. Im Jahr 2017 wurden sie aus der Insolvenzmasse von einem bayrischen Vermieter erworben. Seit einigen Wochen vermietet er die Wohnungen an ukrainische Flüchtlinge. Diese haben laut Bürgermeister Jörg Burkert (parteilos) eine Mietabtretung unterschrieben, sodass die Einnahmen dem Vermieter sicher sind.

„Leider ist es auch so, dass diese Mieter unter miserablen Umständen leben“, heißt es in dem Brief weiter. Jörg Burkert hat sich die Wohnungen angeschaut. „Die Menschen leben unter ärmlichen Umständen. Sie schlafen zum Beispiel auf Matratzen. Die Kleidung stammt teilweise aus den Containern“, sagte Burkert zur Ratssitzung.

Wasser würde jetzt in den Wohnungen anliegen. Auch, dass das Wasser ordentlich abfließen könne, sei geregelt worden. Handwerker waren vor Ort. Die Heizung soll wohl auch funktionieren. Nur Strom liege bisher nicht in allen Wohnungen an. Deshalb werden Kabel von der Nachbarwohnung gezogen. Es würde an Zählern fehlen, die nicht gleich zu beschaffen wären.

Gemeinde kann nicht entscheiden

„Wieso ist dann eine Vermietung der Wohnung überhaupt möglich?“, fragte Thomas Frust (Freie Wähler). Er wollte auch wissen, ob die gesetzlich vorgeschriebenen Rauchmelder installiert wurden. „Das ist nicht der Fall. Ein großes Problem ist auch die Mülltrennung. Noch mehr aber stört die Lautstärke“, sagte der Bürgermeister.

Die Flüchtlinge würden sich zuerst bei der Ausländerbehörde anmelden und dann bei der Gemeinde. Und die müsse dann den Zuzug zur Kenntnis nehmen. Möglichkeiten zu entscheiden, gebe es nicht, so der Bürgermeister. Der Status der Flüchtlinge sei geklärt. „Alle haben ein beschränktes Aufenthaltsrecht und einen gültigen Pass.“

„Der Lebensstil und die Lautstärke sind am Anfang nur ein kleiner Störfaktor gewesen. Jetzt kommt es zu Problemen, die das zumutbare Maß für uns übersteigen“, so die Hilfesuchenden. Kindergeschrei, laute Musik und Gesang, Gespräche vor den Häusern bis spätabends, Streitigkeiten und Handgreiflichkeiten untereinander und das teilweise auch nachts. So wird die Situation von den Anwohnern geschildert. Diese haben mehrfach versucht, den neuen Mitbürgern mitzuteilen, dass es Ruhezeiten gibt. „Sie geloben Besserung. Diese tritt aber nicht ein“, heißt es im Schreiben.

Was bisher unternommen wurde

Im Juni gab es ein Gespräch mit dem Bürgermeister und zwei Vertretern der Polizei. „In diesem haben wir Bürger den Sachverhalt geschildert. Allerdings konnte uns weder vonseiten der Polizei noch vom Bürgermeister geholfen werden.“

Es gab einen zweiten Termin, an dem auch der Vermieter teilgenommen hat. Eingeladen waren außerdem die betroffenen Bürger, die neuen Mieter, Mitarbeiter der Ausländerbehörde des Landkreises Mittelsachsen, die Polizei und eine Dolmetscherin sowie Vertreter der Gemeinde.

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„Herr Lorenz, der Vermieter, versicherte, dass er nicht mit böser Absicht gehandelt habe und niemandem schaden wollte“, heißt es im Schreiben. Die Versicherung, dass es bei den damals 50 Mietern bleiben sollte, hat er nicht eingehalten. Es waren bereits 70 vor Ort. Einige sind schon wieder weitergezogen, andere dazugekommen.

Die Mitarbeiter der Ausländerbehörde erklärten, dass es in nächster Zeit weder Beschäftigungsmöglichkeiten für die Erwachsenen noch Betreuung für die Kinder wegen der fehlenden Deutschkenntnisse geben würde. Plätze für Lehrgänge vom Landkreis werden erst in Monaten angeboten.

Was die Gemeinderäte dazu sagen

„Die Situation ist ärgerlich. Grundsätzlich geht es aber nicht, dass einem Vermieter vorgeschrieben wird, welche Mieter in seinem Haus wohnen. Deshalb müssen wir nach anderen Lösungen suchen“, so CDU-Gemeinderätin Susan Munz. Sie macht sich für die Integration der neuen Mitbürger stark. Sie sehe das auch als einen Einsatz für die betroffenen Bürger von Großweitzschen.

Denn nur so könne der Frieden in diesem Wohngebiet und ein gutes Miteinander geschaffen werden. Voraussetzung dafür, so Susan Munz, sei das Erlernen der deutschen Sprache. Sie unterbreitete Vorschläge, welche Männer und Frauen aus dem Gemeindegebiet durchaus in der Lage sind, diese zu vermitteln.

Henning Hagen (Freie Wähler) plädierte dafür, zweigleisig zu fahren. Zum einen gehe es um die Vermittlung der Sprache. Zum anderen müsste den neuen Mietern klargemacht werden, dass Regeln einzuhalten sind. Hagen plädierte für die Erstellung eines Regelkatalogs. Der wurde jedoch infrage gestellt, da den neuen Mietern das Lesen und Schreiben schwerfällt.