Partner im RedaktionsNetzwerk Deutschland
SZ + Döbeln

Weshalb sich eine Heidenheimerin in die Döbelner Politik einmischt

Beatrice Neumann will nicht nur zusehen, sondern mitgestalten. Mit dem Pappschild um die Häuser zu ziehen, ist für sie keine Lösung. So sieht ihre aus.

Von Cathrin Reichelt
 6 Min.
Teilen
Folgen
NEU!
Beatrice Neumann engagiert sich als Einzige aus der Region Döbeln im Leserbeirat der Sächsischen Zeitung und in verschiedenen politischen Bereichen in der Region Döbeln und Mittelsachsen.
Beatrice Neumann engagiert sich als Einzige aus der Region Döbeln im Leserbeirat der Sächsischen Zeitung und in verschiedenen politischen Bereichen in der Region Döbeln und Mittelsachsen. © SZ/DIetmar Thomas

Döbeln. Sich politisch zu engagieren, ist größtenteils noch immer Männersache. Auch in Mittelsachsen beträgt der Frauenanteil im Kreistag lediglich 18,4 Prozent. In den Städte- und Gemeinderäten sind Frauen durchschnittlich mit 20 Prozent vertreten. Das soll sich ändern.

Deshalb beteiligt sich der Landkreis am „Aktionsprogramm Kommune – Mehr Frauen in die Politik“. Während manche Frau noch darüber nachdenkt, sich mehr zu engagieren, gehörte Politik für Beatrice Neumann schon von Kindesbeinen an ganz selbstverständlich dazu.

Politik mehr als Tagesthema

Politik war nicht nur Tagesthema in ihrem Elternhaus. „Ich bin auch schnell von der Schule nach Hause gelaufen, wenn im Fernsehen die Bundestagssitzung übertragen wurde. Das hat mich interessiert“, sagt die 63-Jährige.

In Heidenheim an der Brenz in Baden-Württemberg geboren und aufgewachsen, lebte Beatrice Neumann zwei Jahrzehnte in Norwegen. Dort hat sie sich in der Gewerkschaft engagiert.

Sie spricht von guter Bezahlung und der Wertschätzung der Arbeitnehmer, die dort selbstverständlich sei. „Das ist etwas ganz anderes als in Deutschland“, meint die Mutter einer Tochter.

Persönliche Gründe haben sie nach Döbeln verschlagen. Und hier läuft sie regelrecht zu politischer Hochform auf. „Ich fühle mich in Döbeln so Zuhause, dass ich mich auch engagieren möchte“, sagt sie.

Ihre Intention sei, dass der ländliche Raum dieselbe Anerkennung und damit dieselben Rechte wie die Großstädte haben sollte.

Lebenserfahrung einbringen

„Wir liegen in der Mitte. Und wenn die Städte verstehen würden, dass wir eine große Region sind, wäre auch das Wohnen in Leipzig und Dresden wieder preiswerter“, ist sie überzeugt.

Um das und noch mehr zu erreichen will sie ihre Lebenserfahrung einbringen. Und davon hat sie reichlich. Mit ihren Eltern hat sie viele Sommer auf einer abgelegenen Alm in Norwegen verbracht.

  • Nachrichten aus der Region Döbeln von Sächsische.de gibt es auch bei Facebook und Instagram

„Dort haben wir Bäume gefällt, um heizen zu können, und mit dem Netz Fische fürs Essen gefangen“, erzählt sie. Nach einer Kochausbildung in Deutschland ging sie zurück nach Norwegen.

Dort kochte sie zuerst in einem Berghotel, dann in einem pädagogischen Heim. Sie jobbte in einem Biogroßhandel und erfüllte sich mit einer Steuerrückzahlung den Traum vom Lkw-Führerschein. Der beinhaltete auch den Busführerschein.

Einen Bus lenkte sie dann im norwegischen Lokalverkehr und später viele Jahre als Fahrerin und Reiseleiterin für ein deutsches Reiseunternehmen.

Im SZ-Leserbeirat aktiv

Aus gesundheitlichen Gründen ist ihr das nicht mehr möglich. Aber deshalb die Hände in den Schoß zu legen, kommt für Beatrice Neumann überhaupt nicht infrage. Ihr jüngstes „Hobby“ hat sie bei der Sächsischen Zeitung (SZ) gefunden, deren Lokalausgabe der Döbelner Anzeiger ist.

Die 63-Jährige ist Mitglied des SZ-Leserbeirates – als Einzige aus der Region Döbeln. Zeitung lesen, gehört für sie zum Alltag. „Ich lese mehrere Zeitungen, aber nicht jede jeden Tag“, sagt sie.

  • Sie haben Hinweise, Kritik oder Lob? Dann schreiben Sie uns per E-Mail an [email protected]

Und sie bevorzugt die Online-Ausgabe, zum Beispiel von der Westdeutschen Allgemeinen Zeitung (WAZ), den Kieler Nachrichten, der Berliner Zeitung (BZ) und natürlich dem Döbelner Anzeiger (DA).

Oft google sie auch Themen „oder ich kaufe mir eine Zeitung an einem Bahnhof, wenn ich darin ein Thema interessant finde.“ Zeitung müsse nicht mehr aus Papier sein. Sie sei froh über die elektronische Variante. „Denn ich schätze Mobilität“, meint sie.

Zeitung ist Sprachrohr

„Zeitung ist ein Sprachrohr und soll auch ein Sprachrohr der Leser sein“, begründet sie, weshalb sie sich für den Leserbeirat beworben hat. Jetzt habe sie die Möglichkeit, die Entstehungsprozesse besser kennenzulernen und vielleicht Anregungen zu Themen zu geben.

Wichtig sei, dass die Zeitung unabhängig berichte. Und die Reporter müssten bezahlt werden, egal, ob die Texte auf Papier oder online erscheinen, auch, wenn das mancher Internetnutzer anders sehe.

„Der Leser soll ja die Zeitung kaufen und nicht den Reporter“, sagt sie. Und, dass es in Döbeln zwei funktionierende Zeitungsredaktionen gibt, sei ein großer Kulturfaktor für die Stadt.

Für die SPD in den Stadtrat

In der will sie sich auch ganz speziell einbringen. Sie ist regelmäßiger Gast bei den Döbelner Stadtratssitzungen. „Und dort möchte ich nach der nächsten Wahl doppelt so viele Frauen sehen, also zehn. Denn die Lebensrealität von Frauen ist eine andere, als sie von Männern abgebildet wird“, erklärt sie.

Deshalb denkt Beatrice Neumann auch darüber nach, für die SPD für den nächsten Stadtrat zu kandidieren. „Über die Jahrzehnte habe ich auch schon andere Parteien gewählt, aber in der SPD fühle ich mich am meisten Zuhause“, sagt sie.

Es reiche nicht, abends mit einem Pappschild um die Häuser zu ziehen. „Man muss dorthin gehen, wo die Knöpfe gedrückt werden – in die Politik. Dort kann man etwas bewirken.“

Ihr sei das Miteinander wichtig, auch über Grenzen hinweg. Deshalb habe sie mit Kathleen Bölke in Döbeln die Initiative für Alleinerziehende gestartet, engagiere sie sich im Frauennetzwerk Mittelsachsen und wolle sie die Ausstellung „Inklusion fetzt“ aus Leipzig nach Döbeln holen.

Zusammenarbeit mit Schulen

Dabei wolle sie mit Schulen zusammenarbeiten und mit pflegenden Angehörigen, vor allem von schwerbehinderten und erwachsenen Kindern. „Man kann die Menschen nicht alleine lassen“, sagt sie.

Nachdem der Landkreis Mittelsachsen gemeinsam mit den Kreisen Sächsische Schweiz-Osterzgebirge und Meißen als eine von zehn Modellregionen in das Aktionsprogramm für mehr Frauen in die Politik aufgenommen wurde, war für November eine erste Veranstaltung geplant, mit der Frauen auf dieses Thema angesprochen werden sollten.

„Im Mai 2024 sind Wahlen. Da wäre November viel zu spät“, ist Beatrice Neumann überzeugt. Mit Unterstützung des Herbert-Wehner-Bildungswerkes organisierte sie gemeinsam mit der Gleichstellungsbeauftragten des Landkreises Annett Schrenk bereits im März die erste Veranstaltung in Döbeln. Weitere sollen im Landkreis Mittelsachsen folgen.

Das Aktionsprogramm

  • Das Projekt „Aktionsprogramm Kommune – Mehr Frauen in die Politik“ wird vom Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ) gefördert und von der EAF Berlin in Kooperation mit dem Deutschen LandFrauenverband (dlv) durchgeführt.
  • Zu den zehn Modellregionen gehören die Landkreise Sächsische Schweiz-Osterzgebirge, Meißen und Mittelsachsen als Einzige für Sachsen.
  • Die Partnerregionen bilden bis zum Juni Steuerungsgruppen, um einen regionalen Aktionsfahrplan zu erarbeiten und die Aktivitäten vor Ort zu koordinieren.
  • Für die Umsetzung der Maßnahmen erhalten die beteiligten Regionen Unterstützung und einen finanziellen Zuschuss.
  • Bei Interesse an der Mitarbeit in der Steuerungsgruppe oder zur Unterstützung bei Veranstaltungen, der Teilnahme am Mentoring-Programm oder für weitere Informationen zum Programm können sich Interessierte an die Gleichstellungsbeauftragte des Landkreises Annett Schrenk wenden, per Mail [email protected] oder Tel. 03731 7993328.