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Die Vier-Tage-Woche gibt es auch in Döbeln

Alternative Arbeitskonzepte, mehr Freizeit bei gleichem Gehalt. All das klingt für viele noch nach Wunschdenken. Zwei Firmen aus Döbeln zeigen, dass es geht.

Von Eric Mittmann & Elke Görlitz
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Markus Rütz (rechts), Geschäftsführer der Nico Fahrzeugteile GmbH, zusammen mit seinem Co-Chef Andreas Vogel. Bereits 2018 führte das Unternehmen eine Vier-Tage-Woche für seine Mitarbeiter ein.
Markus Rütz (rechts), Geschäftsführer der Nico Fahrzeugteile GmbH, zusammen mit seinem Co-Chef Andreas Vogel. Bereits 2018 führte das Unternehmen eine Vier-Tage-Woche für seine Mitarbeiter ein. © Lars Halbauer

Region Döbeln. Weniger Arbeit, gleiches Gehalt und obendrein mehr Zeit für Familie, Freunde und die eigenen Hobbys. Eine Vier-Tage-Arbeitswoche klingt für viele Angestellte nach einer Ideallösung, um Job und Privatleben besser in Einklang zu bringen.

Doch nicht nur in Island wurde das Konzept zuletzt erfolgreich getestet. In Döbeln und Großweitzschen arbeiten zwei Unternehmen bereits mit alternativen Arbeitszeiten für ihre Mitarbeiter - jedes auf seine ganz eigene Weise.

"Vier Tage sind nicht genug"

Die Nico Fahrzeugteile GmbH aus Großweitzschen hat bereits 2018 das erste Mal eine Vier-Tage-Woche für seine Mitarbeiter eingeführt.

"Wir hatten damals eine unglaublich anstrengende Saison hinter uns, zusätzlich zur Sanierung der Firma, die zu dieser Zeit noch lief", erinnert sich Markus Rütz, einer der Geschäftsführer. Um den Mitarbeitern etwas zurückzugeben, entschieden Rütz und sein Co-Chef Andreas Vogel, ein neues Arbeitszeitkonzept einzuführen. "Das Ziel war, den Leuten eine gewisse Regenerationsphase zu ermöglichen."

Für ihren ersten Versuch in der Wintersaison 2018/19 hatten die Geschäftsführer nur eine Forderung: "Die Wirtschaftlichkeit des Unternehmens sollte nicht darunter leider", so Markus Rütz. Die ersten beiden Monate habe es noch Startschwierigkeiten gegeben. "Da haben wir uns auch mal gefragt, ob wir das jetzt so weiterführen wollen. Irgendwann hatte sich dann aber jeder gefunden."

Umso überraschender fiel die Reaktion nach dem Versuch aus. "Das Spannende war, dass unsere Mitarbeiter gesagt haben: Die vier Tage sind nicht gut und verursachen eigentlich nur mehr Stress."

Ein Vormittag ganz für sich

Statt vier Tage schlug die Belegschaft viereinhalb Tage vor, um mehr Zeit für die Organisation zu haben. "Gleichzeitig hatten wir bemerkt, dass die Leute den zusätzlichen Tag meist dafür genutzt haben, Aufgaben zuhause zu erledigen. Dafür war er aber nicht vorgesehen. Sie sollten ihn wirklich für sich nutzen."

Beruhend auf den Erkenntnissen entschieden sich Rütz und Vogel, ihren Mitarbeitern in der Wintersaison 2019/20 einen freien Vormittag zu geben. "Das hat schließlich dazu geführt, wozu es gedacht war: Die Leute haben die Zeit für sich genutzt."

Ein Schichtsystem stellt dabei sicher, dass sich die Vormittage nicht überschneiden und es zu keinen Ausfällen kommt. Gleichzeitig wurde ein Algorithmus entwickelt, der die freien Tage fair für alle Mitarbeiter verteilt. "Im Gegensatz zur Vier-Tage-Woche fiel das Feedback beim zweiten Mal durchweg positiv aus", erinnert sich der Geschäftsführer.

Auch in der Wintersaison 2020/21 wollten Rütz und Vogel wieder auf die viereinhalb Tage gehen. Die Belegschaft wollte sich jedoch in ein neues System einarbeiten. Für den kommenden Winter ist bereits wieder die Viereinhalb-Tage-Woche eingeplant.

"Es macht uns auf dem Arbeitsmarkt attraktiver"

Für Uwe Thimm, Inhaber und Geschäftsführer der Firma Uwe Thimm - Raumkonzepte - Schöne Bäder, begann der Wechsel zur Vier-Tage-Woche mit einer Bitte. "Einer meiner älteren Mitarbeiter hatte mich im vergangenen Februar gefragt, ob er auf 30 Stunden gehen könnte. In seinem Alter ist der Beruf als Fliesenleger noch einmal anstrengender, außerdem wollte er gern etwas mehr Zeit für seine Familie haben."

Der Geschäftsführer willigte ein und schaute sich ein Jahr lang an, wie sich die Abmachung auswirkt. "Im Februar dieses Jahres habe ich meinen Mitarbeitern dann die Vier-Tage-Woche vorgeschlagen."

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Seitdem sind die Handwerker der Firma von Uwe Thimm nicht mehr von Montag bis Freitag auf der Baustelle, sondern können bereits am Donnerstag ins Wochenende starten. Gearbeitet wird von 7 bis 17 Uhr. Die Bezahlung blieb gleich. "Sie erhalten denselben Lohn wie vorher", sagt Uwe Thimm.

Die Entscheidung für die Vier-Tage-Woche sei zum einen ein Dankeschön an seine Mitarbeiter gewesen. "Gleichzeitig macht es uns aber auch auf dem Arbeitsmarkt attraktiver, wenn die Leute sehen, dass sie bei uns mehr Freizeit haben."

Mehr Freizeit, bessere Arbeitsatmosphäre

Welche Bedeutung die Veränderung für die Mitarbeiter von Uwe Thimm hat und wie sich ihre Lebensqualität verbesserte, beschrieb Andy Möbius gegenüber Saechsische.de.

"Am wichtigsten ist mir das Plus an Freizeit", sagt der zweifache Vater. "Jetzt erledige ich das, was ich früher samstags gemacht habe, schon freitags. Dadurch habe ich mehr Zeit für die Familie. Sie glauben gar nicht, wie schön das ist", so der 43-Jährige.

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Und er bemerkt auch Veränderungen im Arbeitsalltag. "Es herrscht eine entspanntere Arbeitsatmosphäre. Man fühlt sich fitter und ausgeglichener." Das bestätigte auch ein Kollege.

Einzig bei den Kunden sorge die Regelung hin und wieder noch für Überraschungen. "Sie schauen manchmal komisch, wenn wir sagen: Am Freitag kommen wir nicht, sondern erst wieder am Montag", erklärt Andy Möbius. "Aber wir sind von 7 bis 17 Uhr auf der Baustelle, da schafft man schon allerhand."

Arbeitszeit ist nicht gleich Arbeitsleistung

Angela und Uwe Thimm, Inhaber der Firma Uwe Thimm - Raumkonzepte - Schöne Bäder, bieten ihren Mitarbeitern seit Februar an, im vier Tage Rhythmus zu arbeiten. Das mache die Firma auch attraktiver auf dem Arbeitsmarkt.
Angela und Uwe Thimm, Inhaber der Firma Uwe Thimm - Raumkonzepte - Schöne Bäder, bieten ihren Mitarbeitern seit Februar an, im vier Tage Rhythmus zu arbeiten. Das mache die Firma auch attraktiver auf dem Arbeitsmarkt. © Lars Halbauer

Bei der Nico Fahrzeugteile GmbH waren es vor allem die Mitarbeiter, die sich erst einmal an die neue Ordnung gewöhnen und sich plötzlich noch mehr aufeinander einstellen mussten, erinnert sich Markus Rütz.

Neben dem Plus an Freizeit habe dies jedoch auch positive Veränderungen für das Unternehmen mit sich gebracht. "Mittlerweile hat jeder seinen festen Partner, der übernimmt, wenn der Vormittag frei genommen wird. Das führt beispielsweise dazu, dass - sollte mal jemand krankheitsbedingt ausfallen - niemand mehr wie früher gleich in Panik verfällt und wir erst einmal überprüfen müssen, was die erkrankte Person zuletzt erledigt hat. Der Tauschpartner ist ja ohnehin informiert."

Die Umstellung habe zu einer Entspannung bei den Arbeitsabläufen geführt, von der das Unternehmen nun profitiert. Negative Veränderungen in Bezug auf die Leistung seiner Mitarbeiter habe Markus Rütz nicht festgestellt. Im Gegenteil: Selbst während des ersten Versuches im Winter 2018/19 sei das Unternehmen wirtschaftlich reibungslos gelaufen.

Markus Rütz sprach gegenüber Saechsische.de davon, dass Arbeitsleistung nicht mit Arbeitszeit gleichgesetzt werden könne. "Wenn ich weiß, ich habe acht Stunden zur Verfügung, um meine Arbeit zu erledigen, gehe ich zwischendurch mal einen Kaffee trinken oder quatsche vielleicht noch mit dem einen oder anderen Kollegen. Das eine hat also nichts mit dem anderen zu tun."

"Ich möchte weniger arbeiten"

Sowohl Markus Rütz als auch Uwe Thimm sind der Meinung, dass auch andere Unternehmen das Konzept der Vier-Tage-Woche umsetzen können. "Es funktioniert und ich denke, es wird darauf hinauslaufen, dass viele es anbieten", erklärte Uwe Thimm. In seiner Branche würde sich bereits seit längerem mit dem Thema beschäftigt.

"Es gibt bestimmt ein paar Ausnahmen bei Produktionsunternehmen oder gerade auch im medizinischen Bereich, aber ich glaube, dass jeder die Vier-Tage-Woche umsetzen kann", sagte Markus Rütz.

Die technologischen Möglichkeiten seien da, Arbeitsplätze könnten dadurch anders gestaltet werden. "Ich glaube, weil ich das jeden Tag erlebe, dass die Leute für sich selbst nur den Entschluss fassen müssten: 'Ich möchte weniger arbeiten gehen.'"