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Schilfboot-Expedition Abora in gefährlichem Gewässer

Der Chemnitzer Experimental-Archäologe Dominique Görlitz bereitet seine nächste spektakuläre Erkundungstour vor. Auf einem Bündel Stroh vom Schwarzen Meer bis ins  Mittelmeer. 

Von Stephan Schön
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Dominique Görlitz (l.) bereitet die nächste Expedition vor. Hier mit seinem bolivianischen  Chef-Baumeister Fermin Limachi am Modell der Abora4.
Dominique Görlitz (l.) bereitet die nächste Expedition vor. Hier mit seinem bolivianischen Chef-Baumeister Fermin Limachi am Modell der Abora4. © Abora-Team

Sachen packen. Keine Koffer, es sind ganze Container. Nicht nur Regenjacke, Sonnenhut und Badehose, auch Werkzeug, Messgeräte und vor allem Schilf, viel Schilf ist dabei. Es sind Tonnen davon. Dominique Görlitz will auf See. Mit einem steinzeitlichen Segelboot durch schwieriges Terrain kreuzen. Der Chemnitzer Experimental-Archäologe bereitet derzeit seine vierte spektakuläre Expedition vor. Mit der SZ sprach er erstmals über die Details der für diesen Sommer geplanten Tour. Seit einer Woche steht es nun fest: „Wir starten in Sotschi, am Schwarzen Meer. Wir segeln dann 3.400 Kilometer an der Krim vorbei, nach Varna in Bulgarien und weiter nach Istanbul und Troja“, sagt Görlitz. Der letzte Ankerplatz soll bei Kreta sein.

Auf dieser Route wird das Schilfboot Abora 4 vom Schwarzen Meer bis Kreta segeln.
Auf dieser Route wird das Schilfboot Abora 4 vom Schwarzen Meer bis Kreta segeln. © SZ-Grafik

Das Schilf für das Boot kommt vom Titicacasee in Bolivien. Dort wachsen noch jene Halme, wie sie früher ganze Uferzonen auch in Südeuropa bedeckten. In Bolivien gibt es zudem die letzten Experten, die heute noch aus Schilfhalmen seetüchtige Boote zu bauen wissen. Die Konstruktionszeichnungen für die Abora 4 indes stammen von altägyptischen Reliefs. 

Gesegelt wird wie 2.600 Jahre vor unserer Zeit. Damals habe es dort bereits einen Fernhandel gegeben, so die These von Dominique Görlitz. Auch gegen die Strömung und gegen den Wind. Mit Schiffen aus Schilf, die sich manövrieren ließen. Er will es mit diesem Experiment beweisen. Es ist die uralte Handelsroute vom Kaukasus bis zu den Ufern des Mittelmeers. „Die meisten Ägyptologen indes halten einen solchen transkaukasischen Handel für unwahrscheinlich, weil man hier im Golf von Kertsch gleich hinter Sotschi, quer und gegen den Wind segeln muss“, sagt Görlitz. 300 kritische Kilometer seien das. „Doch so gut wie diesmal habe ich noch nie eine Expedition vorbereitet.“ 

Die letzte große Schilfboot-Tour war die von New York. Es reichte nicht bis ganz über den Atlantik. Abora 3 hielt den Dauersturm nicht aus. Und diesmal? „Die Gefahr des Scheiterns ist bei Abora 4 sogar größer als bei den Expeditionen zuvor“, sagt Görlitz. „Das wird schwieriger, als über den Nordatlantik zu segeln.“ Und ein Begleitschiff ist diesmal nicht dabei.

Dominique Görlitz steht neben einem Modell des Schilfboot-Projekts "Abora 3. Der Nachfolger ist nun im Bau.
Dominique Görlitz steht neben einem Modell des Schilfboot-Projekts "Abora 3. Der Nachfolger ist nun im Bau. © dpa
Schilfernte am Titicacasee in Bolivien und Vorbereitung für den Bau des Bootes.
Schilfernte am Titicacasee in Bolivien und Vorbereitung für den Bau des Bootes. © Abora-Team
Schilfernte am Titicacasee in Bolivien und Vorbereitung für den Bau des Bootes.
Schilfernte am Titicacasee in Bolivien und Vorbereitung für den Bau des Bootes. © Abora-Team
Schilfernte am Titicacasee in Bolivien und Vorbereitung für den Bau des Bootes.
Schilfernte am Titicacasee in Bolivien und Vorbereitung für den Bau des Bootes. © Abora-Team
Schilfernte am Titicacasee in Bolivien und Vorbereitung für den Bau des Bootes.
Schilfernte am Titicacasee in Bolivien und Vorbereitung für den Bau des Bootes. © Abora-Team
Schilfernte am Titicacasee in Bolivien und Vorbereitung für den Bau des Bootes.
Schilfernte am Titicacasee in Bolivien und Vorbereitung für den Bau des Bootes. © Abora-Team
Schilfernte am Titicacasee in Bolivien und Vorbereitung für den Bau des Bootes.
Schilfernte am Titicacasee in Bolivien und Vorbereitung für den Bau des Bootes. © Abora-Team

Es werden vor allem die Strömungen und Wind-Düsen zwischen den Inseln im Mittelmeer sein, die es riskant machen. Immer dann, wenn bei ungünstigem Wind Hafeneinfahrten mit einem 30-Tonnen-Schilf-Segler präzise angesteuert werden müssen – ansonsten daneben die Klippen drohen. Sechs Deutsche sind in der Crew. Und noch einmal so viele aus anderen Ländern, so aus Russland, den USA und Bulgarien. Auch der türkische Archäologieprofessor und Grabungsleiter von der Troja, der in Freiburg studiert hatte, wird ein Stück mitsegeln.

Eben ist Dominique Görlitz aus Russland zurück mit Verträgen und den Zusagen weiterer Partner. Von der Sirius-Foundation Sotschi und der Russischen Industrie- und Handelskammer. In den nächsten Tagen soll das Schilf von Bolivien auf die Reise zum Bauplatz in Sotschi gehen. Sponsoren, ein Dutzend mittelständische Firmen aus Deutschland und Bolivien, finanzieren das Projekt. Die Kosten für Abora 4 nennt Görlitz jedoch nicht.

Die Expedition sollte eigentlich schon ein Jahr früher segeln, doch da drohte Görlitz noch der Haftbefehl über Interpol. Der ist nun endgültig und weltweit gelöscht, nachdem die Anklage aus Ägypten wegen Beschädigung der Cheops-Pyramide sich nicht länger halten ließ. Auch die damals beteiligten Ägypter wurden allesamt längst freigesprochen. Ein Kapitel, über da Görlitz ungern spricht, das ihn aber dennoch auch auf neuen Reisen mit begleiten wird. 

Umso genauer sind diesmal seine Vorbereitungen, die Genehmigungen und Zusagen für dieses Projekt geprüft. Die biologische Unbedenklichkeitserklärung beispielsweise für die Ausfuhr und Einfuhr von Schilf. Anfang April soll es in Sotschi ankommen, da wird im Olympiapark schon längst an den Schiffs-Aufbauten gearbeitet. 15 bis 25 Leute werden dann dort sein, bis Ende Juni dann die steinzeitliche Reise beginnt. Sechs Wochen, vielleicht auch länger.

Wie die Expedition abläuft, das erklärt Dominique Görlitz hier im Video.