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Dresden bekommt einen neuen Stadtschreiber

Bernd Wagner überzeugt mit einer kräftigen, bildhaften Sprache und trockenem Humor. Was er in Dresden schreiben will, weiß er schon.

Von Karin Großmann
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© Robert Michael

Bernd Wagner sitzt gerade auf einem Mäuerchen in der Sonne, als ihn der Anruf erreicht. Er soll der 24. Dresdner Stadtschreiber werden. „Nun wird der Tag gleich noch schöner“, sagt er. Kurzzeitig ist er aus dem trübsinnigen deutschen Wetter auf eine kanarische Insel geflohen. Ab Juni wird er für ein halbes Jahr lang in Elbnähe arbeiten können. Er erhält eine mietfreie Wohnung und ein Stipendium, das gerade von 900 Euro monatlich auf 1.500 Euro aufgestockt wurde. Das Stipendium wird von der Landeshauptstadt Dresden in Kooperation mit der Stiftung Kunst & Kultur der Ostsächsischen Sparkasse vergeben.

Mehr als dreißig Schriftsteller aus der Bundesrepublik, aus Österreich und der Schweiz hatten sich darum beworben. Bernd Wagner überzeugte mit dem Auszug aus einer Erzählung, die auf der kaschubischen Halbinsel Hel nördlich von Gdansk/Danzig im Zweiten Weltkrieg spielt. Da findet sich ein Mann im Morgengrauen in einer leeren Bahnhofshalle wieder, wo dicke Frauen in dicken Wattejacken den Dreck wegfegen. Zwei Kerle trinken ihr erstes oder ihr letztes Bier, und ihnen folgt der Mann in eine triste Betonwüste: „Diese Stadt war wie ein von Wodka verbranntes Herz.“ Bernd Wagner erzählt, wie der Mann bei einem Angriff knapp mit dem Leben davonkommt. Die Szenen bestechen durch eine kräftige, bildhafte Sprache und trockenen Humor, durch prägnante Figuren und treffende Details.

Bernd Wagner schrieb unter anderem den Roman "Die Sintflut von Sachsen".
Bernd Wagner schrieb unter anderem den Roman "Die Sintflut von Sachsen". © privat

Schon Wagners jüngster Roman „Die Sintflut in Sachsen“, im Vorjahr im Schöffling Verlag erschienen, hatte einen besonderen Ton. In dem autobiografisch gefärbten Text entfaltet sich ein buntes Familienpanorama vor der Nachkriegskulisse einer deutschen Kleinstadt. Bernd Wagner ist 1948 in Wurzen geboren. „Da braucht man nicht drum herumzureden. Der Max im Roman bin ich“, sagte er im SZ-Gespräch. Etliche Lebensstationen haben beide gemeinsam.

Wagner arbeitete nach dem Studium als Lehrer und veröffentlichte 1976 im Aufbau-Verlag seinen ersten Erzählband. Er war Mitherausgeber der illegalen Literaturzeitschrift Mikado und übersiedelte 1985 aus der DDR nach Westberlin. Mit rund zwanzig Büchern gehört der Schriftsteller zu einer Generation, die literarische Erfahrungen aus Ost und West verbindet. Damit kann Bernd Wagner das Gespräch fortsetzen, das Uwe Kolbe und Kurt Drawert als Dresdner Stadtschreiber angestoßen haben. Das Stipendium soll einen Freiraum zum Arbeiten schaffen und Begegnungen mit den Dresdnern ermöglichen. Bis auf eine Antrittslesung sind keine Pflichten damit verbunden.

Wagner will die Zeit für neue Erzählungen nutzen: „Sie haben Erlebnisse im Osten Deutschlands und in Europa vor und nach dem Mauerfall zur Grundlage.“ Als ehemaliger Lehrer und Verfasser von Kinderbüchern würde er auch gern Lesungen in Schulen veranstalten. Zurzeit schreibt er Aphorismen und Epigramme, in denen er das Zeitgeschehen kommentiert.