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Brustkrebs: „Lasst mich nicht sterben“

Die Irakerin Reem Mahdi lebt in Dresden und ist schwer an Krebs erkrankt, die Kosten sind enorm und ihre Versicherung endet bald. Wer kann ihr jetzt noch helfen?

Von Henry Berndt
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In Dresden wollte Reem Mahdi einen Job und ihr Glück finden. Nun muss sie um ihr Leben bangen.
In Dresden wollte Reem Mahdi einen Job und ihr Glück finden. Nun muss sie um ihr Leben bangen. © Marion Doering

Ihre Freunde in der Heimat sagen immer: „Du hast großes Glück, dass du in Deutschland bist. Das Gesundheitssystem ist dort ausgezeichnet. Sie werden dir helfen.“ Früher hat Reem Mahdi das auch mal gedacht.

Aber nicht nur deswegen war die 44-Jährige froh, den Weg nach Deutschland gefunden zu haben. Sie wollte hier studieren, so wie ihre Schwester und ihr Bruder. In Ilmenau machte sie ihren Master in Medientechnik. Nach ihrem Abschluss zog sie nach Dresden, um hier Arbeit zu finden.

Doch dann waren da auf einmal diese Schmerzen in der Brust, die jeden Tag schlimmer wurden. Im August diagnostizierten die Ärzte bei ihr Brustkrebs in einer aggressiven Form. Die Chemotherapie musste schnell beginnen. Es ging um Leben und Tod, aber an der Uniklinik war Reem Mahdi in guten Händen – und ist es immer noch. Vor zwei Wochen war die erste Sitzung. Diese Woche ist die nächste geplant. Es folgenden weitere Bestrahlungen, Hormontherapie und Operationen. Die Behandlung ist zunächst auf ein Jahr angesetzt.

Doch nun steckt Reem Mahdi in einer Lage, die noch weit dramatischer ist, als es die Diagnose selbst schon vermuten ließe. Als sie im Jahr 2015 mit einem Studentenvisum nach Deutschland kam, musste sie eine private Versicherung abschließen, da sie zu diesem Zeitpunkt bereits älter als 30 Jahre war. Damit ging einher, dass sie keinen Anspruch auf finanzielle Unterstützung in Deutschland hatte. Diese Art einer Reiseversicherung gilt allerdings nur für fünf Jahre und kann nicht verlängert werden. 

Wenn die Krankenversicherung nun Ende Oktober ausläuft, steht Reem Mahdi ohne Schutz da. Für die gesetzliche Krankenversicherung kommt sie bislang nicht infrage. Private Versicherer wiederum lehnen sie mit ihrer aktuellen Diagnose reihenweise ab. Zuletzt hoben auch Ausländerrat und Jobcenter die Hände. „Tut uns leid, nicht zuständig!“

Heimkehr wäre „Selbstmord“

In Dresden wohnt Reem Mahdi im Haus ihres Bruders, der als promovierter Informatiker an der TU arbeitet. „Wir machen uns alle große Sorgen“, sagt Ali Mahdi. Er habe auch schon versucht, seine Schwester mit in seine Familienversicherung aufnehmen zu lassen. Vergeblich.

Unterdessen läuft die Chemotherapie weiter. Jeden Monat gibt es drei Behandlungen. Bald aber wird die Uniklinik Reem Mahdi dafür die Kosten im fünfstelligen Bereich privat in Rechnung stellen. Dafür aber könnten weder sie noch ihre Familie aufkommen. „Was soll ich jetzt machen?“, fragt sie. Ich habe den deutschen Staat noch nie um Geld gebeten und will auch jetzt kein Wohngeld oder Taschengeld. Alles, was ich will, ist eine Versicherung.“

Bereits im Januar endet ihre bisherige Aufenthaltserlaubnis in Deutschland. Eine Heimkehr in den Irak betrachtet sie in ihrer Situation aber als „Selbstmord“. „Dort gibt es keine Behandlungsmöglichkeiten. Erst vergangene Woche sind die Menschen wieder für eine bessere Gesundheitsversorgung auf die Straße gegangen.“ Bekannte von ihr, die ebenfalls an Krebs erkrankten und in Indien und dem Libanon nach Hilfe suchten, seien dort innerhalb kurzer Zeit gestorben. „Ich will aber leben“, sagt Reem Mahdi und bittet: „Lasst mich nicht sterben!“, ohne zu wissen, wen sie damit eigentlich gerade anfleht.

Als sie Ende vergangener Woche auf der Facebook-Seite „Leute in Dresden“ über ihr Schicksal erzählte, meldeten sich Dutzende Menschen, die helfen wollten. Sie solle Asyl beantragen, schlugen die einen vor. Andere wollten eine Spendenkampagne starten, doch die könnte wohl nur eine begrenzte Zeit überbrücken. Die in Dresden gegründete Menschenrechtsinitiative Medinetz, die anonym und kostenlos medizinische Hilfe vermittelt, zeigte sich erschüttert, konnte Reem Mahdi jedoch kurzfristig nicht unterstützen, da eine Krebsbehandlung die Möglichkeiten des Vereins übersteigt.

Sächsische.de fragte bei der Stadt Dresden nach, was in diesem Fall getan werden kann. Innerhalb weniger Stunden wurde Reem Mahdi daraufhin eine Mitarbeiterin des Sozialamts zur Seite gestellt, mit der gemeinsam nun eine schnelle Lösung gefunden werden soll.

Ein Job würde helfen

Sollte Reem Mahdi in den kommenden Wochen eine feste Anstellung finden, bekäme sie eventuell auch Anspruch auf eine gesetzliche Krankenversicherung. Ihre Fachkenntnisse sind breit gefächert. In ihrer Heimat plante die Irakerin jahrelang Stromnetze und Telefonsysteme. In ihrer Masterarbeit in Deutschland beschäftigte sie sich mit der Akustik von Kopfhörern.

Ihre bisherigen Bewerbungsgespräche in ganz Deutschland waren allerdings erfolglos. „Wer stellt denn auch eine Mitarbeiterin ein, die bislang kaum Deutsch spricht und mitten in einer Krebstherapie steckt?“, fragt sie verzweifelt. Da ihr Studium in englischer Sprache war, hat sie erst in diesem Sommer mit einem Sprachkurs begonnen. „Dort sitze ich gemeinsam mit Flüchtlingen, die ihre Wohnungen und Möbel bezahlt bekommen, weil der Staat glaubt, dass sie eine Chance verdient haben“, sagt Reem Mahdi. „Ich möchte auch eine Chance.“

Wer Kontakt zu Reem Mahdi aufnehmen möchte oder seine Hilfe anbieten will, wendet sich bitte an Sächsische.de: [email protected]

In einer früherer Version des Artikels war zu lesen, dass die Diagnose vor einem Jahr gestellt worden sei. Das ist nicht korrekt. Tatsächlich wurde der Krebs erst im August 2019 festgestellt. 


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