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„Branche steht kollektiv unter Schock“

Am Freitag trifft sich die Dresdner Künstlerszene erneut, um wirksamere Hilfsprogramme in Corona-Zeiten und darüber hinaus zu fordern.

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Von wegen stumm – bunt und lautstark verschaffte sich die Dresdner Kulturszene am Freitag nicht zum letzten Mal Gehör.
Von wegen stumm – bunt und lautstark verschaffte sich die Dresdner Kulturszene am Freitag nicht zum letzten Mal Gehör. © meeco Communication Services / Hans-Joachim Maquet

Von Tom Vörös

Ein markanter Ort, eine stille Minute für die ohnehin derzeit eher stummen Künstler und eine ganz besondere „Ode an die Freude“, vorgetragen als ungenießbarer, musikalischer Lückentext – mitten im großen Ärger der Dresdner Künstlerszene über die fehlende finanzielle Unterstützung pulsiert die Kreativität weiter. Angesichts der Tatsache, dass viele freie Künstler zurzeit nicht wissen, wie sie den Sommer beruflich überstehen sollen, war das dritte Treffen der „Stummen Künstler“ am Freitag vor dem Dresdner Finanzministerium wohl noch ein eher zurückhaltender Appell an die Politik, doch bitte die Kulturszene bei der Vergabe der Nothilfen nicht zu vergessen. 

Kilian Forster, Mitinitiator der Protest-Demos, fragte wohl zurecht: „Warum beteuern Politiker immer wieder, wie sehr ihnen die Kultur am Herzen liegt, obwohl das in der Praxis nur städtischen und staatlichen Einrichtungen zugutekommt?“ Den anwesenden Ministerpräsidenten Michael Kretzschmer erreichten dabei zehn scharf formulierte Forderungen, vorgetragen vonverschiedenen Kultur-Ikonen der Stadt. Diese gehen allerdings weit darüber hinaus, was der Freistaat Sachsen derzeit leisten könne.

Jazztage-Macher Kilian Forster und Ministerpräsident Michael Kretzschmer.
Jazztage-Macher Kilian Forster und Ministerpräsident Michael Kretzschmer. © meeco Communication Services / Hans-Joachim Maquet

Die Ersten werden die Letzten sein

„Natürlich ist das alles keine schöne Entwicklung“, so Kretzschmer. „Aber es war richtig, auf Nummer sicher zu gehen, diesen Flächenbrand, der sich auch bei uns ausgebreitet hat, auszutreten.“ Er räumt aber auch ein: „Bei den Hilfen gibt es trotz aller Bemühungen Lücken, und über die muss man sprechen.“ Geplant seien neue Hilfsprogramme für private Häuser und freie Künstler. „Es wird ein Programm für die Kultur geben. Eine generelle Lösung, z.B. 60/70 Prozent der Umsätze des vergangenen Jahres zu übernehmen, das werden wir in Sachsen aber nicht leisten können.“ 

Derweil lobt Kilian Forster den Dialog ohne unnötiges Schubladendenken, mahnt aber an, dass zugesagte Hilfen noch immer nicht substanziell dort ankommen, wo sie gebraucht werden. „Wir waren die Ersten mit Berufsverbot und werden die Letzten sein, die wieder vollständig arbeiten dürfen.“ Forster lobte zwar die Förderung von Streaming-Konzerten, plädierte aber für eine langfristige strukturelle Förderung. „Das Streamen kann auch keine Lösung sein, so wollen wir Kultur in Zukunft nicht erleben.“ Die Kultur dürfe auch keinesfalls in zwei Lager gespalten werden: In diejenigen, die in der Krise unterstützt werden und deshalb die aktuelle Zeit überstehen können, und jene, die aus eigener Kraft diese unverschuldete Krise nicht überstehen können, lautet eine zentrale Forderung der „Stummen Künstler“. „Es bedarf deshalb einer sofortigen Weichenstellung und politischen Rahmensetzung für allgemeine, bei Bedarf auch maßgeschneiderte Hilfsangebote, die die freie Veranstaltungsbranche und die Künstler zum Überleben benötigen“, so Kilian Forster.

Wenn sich selbst ein Olaf Schubert auf stumm schaltet, sollte jedem klar sein, dass die Lage ernst ist.
Wenn sich selbst ein Olaf Schubert auf stumm schaltet, sollte jedem klar sein, dass die Lage ernst ist. © meeco Communication Services / Hans-Joachim Maquet

Zehn Punkte zum kulturellen Glück

Dass selbst erfolgreiche freie Musiker, wie die beliebten Band The Firebirds aktuell arg leiden, darauf machte Konrad Schöpe, der Bassist und Sänger aufmerksam. Die Band gibt sonst 150 Shows pro Jahr, veranstaltet ein Festival und gibt Dinnershows. „Das ist meine erste Demo seit 1989“, so Schöpe. „Die Branche steht kollektiv unter Schock. Das Jahr 2020 ist für uns Kulturschaffende verbrannt.“ Die derzeit 14-tägigen Entscheidungszyklen seien zwar nachvollziehbar, nützten aber kaum etwas, ohne Planungssicherheit.Deshalb haben die „Stummen Künstler“, zu denen u.a. die Betreiber von Comödie, Boulevardtheater, Herkuleskeule, Radeberger Biertheater und der FriedrichstaTTpalast gehören, aber auch Veranstalter wie Mirco Meinel und Rodney Aust, einen Forderungskatalog erstellt, der u.a. die Anrechnung der Lebenserhaltungskosten vorsieht, sowie die Anrechnung eines Unternehmerlohns in Höhe von 1.180 Euro, zudem eine kostenlose Insolvenzberatung. Alle zehn Forderung gibt es zum Nachlesen auf der Internetseite. 

Die Initiative "Stumme Künstler" beteiligt sich am 5. Juni, ab 11 Uhr an der Aktion „Ohne uns ist Stille“ auf dem Dresdner Theaterplatz.

Weitere Infos & geplante Demos unter: www.stumme-kuenstler.de