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Tropenstimmung am Dresdner Amtsgericht

Die Landschaftsmalerin Yvette Kießling stellt ihre Werke nun in den nüchternen Gängen des Dresdner Amtsgerichts aus. Das soll den Besuchern die Angst nehmen.

Von Alexander Schneider
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Yvette Kießling, hier vor ihrem großen Ölbild namens „Sansibar, Said“, zeigt ihre Arbeiten im Amtsgericht Dresden.
Yvette Kießling, hier vor ihrem großen Ölbild namens „Sansibar, Said“, zeigt ihre Arbeiten im Amtsgericht Dresden. © SZ/Alexander Schneider

Im Dresdner Justizzentrum macht eine neue Kunstausstellung auf sich aufmerksam. Anfang November hat die Leipziger Landschaftsmalerin Yvette Kießling ihre Arbeiten im Erdgeschoss und im vierten Obergeschoss aufgehängt. Zu sehen sind Ölgemälde, Lithografien und Radierungen, die oft Flusslandschaften zeigen. So erklärt sich „fluent“ - fließend - als Titel der Werkschau.

Ein Höhepunkt ist ein 2,50 mal drei Meter großes Ölgemälde mit einem Blick in den Regenwald Sansibars, einer Insel an der Ostküste Tansanias. Es wird von intensiven Orange- und Grüntönen dominiert, und wer genau hinsieht, entdeckt zwischen den Blättern Indischer Mandelbäume auch die Umrisse eines Mannes. 

„Sansibar, Said“ hat Yvette Kießling ihre imposante Ölstudie genannt, für die in dem Justizgebäude ein ganz besonderer Ort reserviert wurde: eine schmale aber haushohe Halle im ersten Geschoss, die den Neubau des Amtsgerichts mit dem Altbau des Landgerichts verbindet und in der die nüchterne weiße Wand des Neubaus mit der ehemaligen Sandstein-Außenfassade des Renaissance-Gebäudes aufeinandertreffen. „Hier ist der perfekte Platz dafür“, sagte die Malerin bei der Vernissage vor wenigen Tagen.

Malen mit 30 Kilo Gepäck

Yvette Kießling stammt aus Ilmenau in Thüringen und hat in Leipzig von 1997 bis 2003 an der Hochschule für Grafik und Bildkunst Leipzig in der Klasse für Malerei bei Arno Frank studiert. Bis 2007 war die 41-Jährige Meisterschülerin bei Rink. Ihr Atelier befindet sich in der ehemaligen Leipziger Baumwollspinnerei. Dort ist sie jedoch oft nicht anzutreffen. 

Die Landschaftsmalerin ist am liebsten draußen unterwegs, schleppt ihre Ausrüstung samt Stein auch gerne in unwegsames Gelände, seien es nun ausgedehnte Flusslandschaften oder Berge wie der Lilienstein. Bis zu 30 Kilo hat sie an solchen Tagen im Gepäck. Im Internet finden sich auch andere ungewöhnliche Orte, an denen die Frau den Pinsel schwingt, etwa in einem leicht schaukelnden Paddelboot. Für sie sei die Raumerfahrung für ihre Arbeit in der Natur wichtig, nur Skizzen für die Arbeit im Atelier anzufertigen sei ihre Sache nicht. 

Das offenbarte die Künstlerin in einem Gespräch mit Generalstaatsanwalt Hans Strobl, dem Initiator der Kunstausstellung. Strobel sagte auf der Vernissage, er kenne die Malerin seit seiner Zeit in Leipzig und habe schon seit Jahren versucht, Yvette Kießling und ihre Bilder nach Dresden zu holen: „Jetzt hat es endlich geklappt!“ Viel Zeit hatte Yvette Kießling nicht, schon am nächsten Morgen reiste sie nach Tansania, wo sie nun wieder auf der Suche nach der besonderen Raumerfahrung ist, nun jedoch nicht auf Sansibar sondern auf dem Festland.

Generalstaatsanwalt Hans Strobl freut sich, dass er Yvette Kießling nach Dresden holen konnte. Er kennt die Malerin bereits seit seiner Zeit als Leitender Oberstaatsanwalt in Leipzig. Das Ölbild im Hintergrund zeigt auch ein Motiv aus Sansibar und heißt „
Generalstaatsanwalt Hans Strobl freut sich, dass er Yvette Kießling nach Dresden holen konnte. Er kennt die Malerin bereits seit seiner Zeit als Leitender Oberstaatsanwalt in Leipzig. Das Ölbild im Hintergrund zeigt auch ein Motiv aus Sansibar und heißt „ © SZ/Alexander Schneider

Im Erdgeschoss auf dem Weg zur Gerichtskantine dominieren Elbe-Motive die Ausstellung. Es sind 16 unverkäufliche Tuschelithografien, die auch Motive aus Dresden und der Sächsischen Schweiz zeigen. Im vierten Obergeschoss, wo sich die Säle für Familiensachen befinden, hängen Dutzende weitere Werke und verkürzen das Warten in den nüchternen Gängen.

Mit den Ausstellungen will die Justiz ihren Besuchern die Schwellenangst nehmen und sich als Dienstleister präsentieren. Immerhin werden in dem Gebäude, in dem mehr als 800 Menschen arbeiten, nicht nur Straftaten aufgeklärt oder andere Streitfälle entschieden. Auch in Erbschafts-, Vereinsregister- oder Grundbuchangelegenheiten müssen Menschen das Haus aufsuchen. 

Auch der Oberstaatsanwalt stellte schon aus

„Kunst & Justiz“ nennt sich das Projekt, das nicht nur hauptberuflichen Künstlern wie Yvette Kießling die Gelegenheit gibt, ihre Werke zu zeigen, sondern auch anspruchsvollen Hobby-Künstlern. Zuletzt hatte Oberstaatsanwalt Wolfgang Schwürzer seine Bilder ausgestellt und wohl eine neue Fangemeinde gefunden. Auch eine Fotogruppe von Justizbediensteten hat schon mehrfach ihre Arbeiten im Amtsgericht präsentiert, eine Schulklasse Architektur-Studien ausgestellt.

Initiator der Ausstellungen ist der heutige Generalstaatsanwalt Strobl. Er hatte schon als Leitender Oberstaatsanwalt in Leipzig Kunst und Kunstfreunde in sein damaliges Haus geholt und diese Tradition am Amtsgericht Dresden fortgesetzt, als er 2013 zum Präsidenten des Gerichts ernannt worden war. 

In seiner Zeit hat sich auch der spektakulärste Fall zugetragen. 2015 hatte ein Dieb ein Bild des Leipziger Malers Robert Schmiedel im vierten Obergeschoss von der Wand genommen und in einer Tasche aus dem Haus geschmuggelt. Nachdem der Täter schon wenige Monate später gefasst worden war – das Amtsgericht ist videoüberwacht – hat sich Jahre später auch das entwendete Bild wieder gefunden, sodass der einst peinliche Kunstdiebstahl im Nachhinein als gute Werbung für das Projekt entpuppt hat.

Die Ausstellung „fluent“ mit Biildern von Yvette Kießling ist im Amtsgericht Dresden, Eingang Roßbachstraße 6, im Erdgeschoss, im 1. und 4. Stock zu finden. Öffnungszeiten: montags bis donnerstags von 8 bis 16 Uhr, freitags von 8 bis 14 Uhr. Katalog „Strom, Wald, Wildnis“ 32 Euro. Zur Website der Künstlerin.  

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