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Er macht Poster für die großen Stars

Der Dresdner Grafiker Lars P. Krause hat mit Propaganda-Kunst seinen ganz eigenen Stil gefunden. Das haben auch Musikbands für sich entdeckt.

Von Nora Domschke
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In seiner Werkstatt zeichnet Lars P. Krause die Motive für Poster und Flyer per Hand. Dann macht er daraus einen Siebdruck, „ganz analog“, wie er sagt.
In seiner Werkstatt zeichnet Lars P. Krause die Motive für Poster und Flyer per Hand. Dann macht er daraus einen Siebdruck, „ganz analog“, wie er sagt. © Christian Juppe

Sein letzter Coup: Ein acht Meter hohes Wandgemälde an der Bautzner Straße. Mit dem XXL-Wandbild in der Dresdner Neustadt erregten der Künstler und Grafiker Lars P. Krause und eine Initiative von Kreativen kurz vor der Landtagswahl Ende August die Gemüter in der Landeshauptstadt. Krause hat dafür das Motiv gestaltet: Ein Mädchen mit Wuschelkopf und Basecap steckt eine weiße Rose in eine Wahlurne. Auf der Kiste ein Spruch: „In der Wut verliert der Mensch seine Intelligenz.“ Es sollte ein Aufruf an die Dresdner sein, am 1. September wählen zu gehen.

Mit seiner Kunst ist Lars P. Krause längst nicht nur in Dresden bekannt. Seine Kreativität, sein Handwerk im Siebdruck sind international gefragt, und zwar in der Musikbranche. Stars wie Iggy Pop, Billy Talent, die Foo Fighters und Nick Cave wollen seine Motive für Poster und Plakate, um für ihre Tourneen zu werben. Krause stellt seine Siebdrucke aber auch in Galerien in Oslo, Barcelona und Chicago aus. Und er kreiert seit Jahren Flyer für Großveranstaltungen wie das Reeperbahnfestival, das gerade erst in Hamburg stattfand. Trotz aller Beachtung außerhalb seiner Heimat ist Krause künstlerisch nach wie vor auch in Dresden aktiv. Hier kennen Partygänger seine Motive von Veranstaltungen, etwa jene, die von Waterloo Produktion organisiert werden. Am bekanntesten sind sicherlich sein Hirsch für die Sommerwirtschaft Saloppe oder die Bilder aus den 1920er-Jahren für den legendären Hutball im Parkhotel.

In seinem Atelier im Dresdner Hechtviertel hat sich Krause, 49 Jahre alt, gerade erst eingerichtet. Mal wieder. Seit 20 Jahren lebt er in Dresden, siebenmal hat er seitdem sein künstlerisches Reich, seine Werkstatt, gewechselt. In der Mitte des großen Raums, der sich im Erdgeschoss eines Neubaus in der Johann-Meyer-Straße befindet, steht ein langgestreckter Holztisch. Hier entwirft Krause seine Figuren, gezeichnet von Hand. Sein Markenzeichen ist Kunst im Propaganda-Stil. „Ich mag Propaganda nicht“, stellt er klar. „Aber der Kraftakt der Künstler, die diese Werke schaffen, fasziniert mich.“ Auf Einfachheit komme es an, sagt er, auf das Weglassen. 

Geboren 1970 im ostsächsischen Hoyerswerda, wuchs Krause dort mit dieser Art von Kunst auf, mit Bilder im Stil des Sozialistischen Realismus. Riesige Figuren, kraftvolle Arbeiter, auch Frauen, prangten an den Wänden der Neubaublöcke. Diese Bildsprache habe ihn geprägt. US-amerikanische Künstler würden sich seit etwa 20 Jahren mit russischer und chinesischer Propaganda-Kunst befassen, so Krause. In den vergangenen Jahren sei das zunehmend auch in Europa wieder im Trend. „Heute lebe ich sehr gut von meinen Arbeiten.“ Das sei nicht immer so gewesen. Krauses Weg in die Kunstszene begann nach der Wende in Hoyerswerda. Als 1989 die Grenzen in den Westen geöffnet wurden, war er gerade im Armeedienst, arbeitete als Kraftfahrer bei der NVA. „Diese Zeit war für mich wie Wild West“, erinnert er sich heute. „Plötzlich war ich in der Bundeswehr, alles ging irgendwie drunter und drüber.“ 1990 wollte er zurück in seinen alten Beruf, zu DDR-Zeiten hatte er als Elektriker im Tagebau gearbeitet. Sein Traumjob war das nicht, er habe eigentlich Kunst studieren wollen. „Mein Kunstlehrer riet mir davon ab. In der DDR würden schon genügend Künstler Taxi fahren, sagte er.“

Doch Krauses Traum blieb. Nach einigen Umwegen – unter anderem als Möbelträger im Westen – gründete er Mitte der 1990er-Jahre das Kunsthaus in Hoyerswerda. Dort brachte er sich das Siebdruckhandwerk bei. „Ich mache das bis heute auf meine ganz eigene Art. Profis würden die Hände über dem Kopf zusammenschlagen.“ Doch der Erfolg lässt nicht lange auf sich warten. In Dresden übernahm Krause vor 20 Jahren eine Siebdruckwerkstatt, Bands wurden auf ihn aufmerksam, er gestaltete immer mehr Plakate und Flyer. „Jedes Poster ist wie eine Visitenkarte, das sprach sich schnell herum.“ Heute arbeitet er nicht nur mit Propaganda-Kunst, auch seine Fotocollagen kommen bei Kunstliebhabern gut an.

Für ihre nächste große Veranstaltung haben ihn sich die Macher von Waterloo Produktion jetzt wieder ins Boot geholt. Für sie hat er ein Poster zum Wendejubiläum gestaltet. Das DDR-Emblem steht kopf – ein Symbol für den Absturz damals zur Wendezeit, sagt Krause. Es ist ein winziges Detail auf jenem Poster, das der Künstler für die Ost-West-Party, die am 9. November im Parkhotel steigt, kreiert hat. Der Betrachter muss sich Zeit nehmen. Ein muskulöser Männerarm, das T-Shirt nach oben geschoben, die Hand zur Faust geballt. Auf der Haut ein großes Tattoo. Zauberwürfel, Adolf Hennecke, Aktivist Schwarze Pumpe – zugegeben: Um alle Motive zu verstehen, braucht es ein wenig Vorwissen.

© PR/ sächsische.de

Gut eine Woche habe er gebraucht, um das Motiv mit dem tätowierten Arm zu gestalten. Einige Motive waren vorgegeben, einiges habe er selbst auf den Arm gepackt. „Hennecke, der Mann mit dem Werkzeug, ist mir wichtig, denn er war ein sozialistischer Held, zugleich aber auch eine traurige Figur.“ Der Bergmann wurde 1948 von seinem Revierdirektor für eine besondere Schicht ausgewählt. Weil er gut vorbereitet war, förderte er an einem Tag fast viermal so viel Kohle wie seine Kollegen. Das brachte ihm später den Titel „Normbrecher“ ein.

Mit der Musikkassette, die auf dem Poster unterhalb des Arms zu sehen ist, verbindet Krause ganz persönliche Erinnerungen. An Mitschnitte aus dem Radio etwa, die er dann einer Freundin schenkte. „Die Kassetten fehlen mir total.“

Die große Ost-West-Party steigt am 9. November im Parkhotel mit Musik, Mode und Kulinarik aus den 80ern. Das Parkhotel wird in eine Ost- und Westzone geteilt, mitten im Saal steht eine Mauer, die um Mitternacht eingerissen wird. Karten gibt es für 25 Euro zzgl. VVK-Gebühr in allen SZ-Treffpunkten sowie unter www.sz-ticketservice.de.