Merken

„Dresden war keine unschuldige Stadt“

Oberbürgermeister Dirk Hilbert ruft mit erstaunlich klaren Worten zur Menschenkette am 13. Februar auf.

Teilen
Folgen
© Wolfgang Wittchen

Von Andreas Weller

Es ist bald 72 Jahre her, dass Dresden in Teilen von Bomben zerstört wurde. Die Zeitzeugen werden immer weniger, sagt Oberbürgermeister Dirk Hilbert (FDP). „Es ist ein hohes Gut, dass wir 72 Jahre keinen Krieg erleben mussten.“ Aber anderswo sei das anders. „Die Auswirkungen des Krieges in Syrien spüren wir auch in unserer Stadt“, damit meint Hilbert die Flüchtlinge aus Syrien, die in Dresden untergebracht sind. Deshalb bekomme das Gedenken an den 13. Februar auch aktuelle Bezüge.

Selbstverständlich stehe das stille Gedenken an die Opfer von damals im Vordergrund. So sind für den 13. Februar Veranstaltungen an sechs dezentralen Orten geplant: auf dem Neuen Katholischen Friedhof, dem St.-Pauli-Friedhof, dem Güterbahnhof Neustadt, dem Äußeren Matthäusfriedhof, dem Urnenhain Tolkewitz und dem Heidefriedhof. Die Bürgermeister sind jeweils um 10 Uhr an einem dieser Orte. Auf dem Heidefriedhof beginnt es erst um 11 Uhr. OB Hilbert wird um 10 Uhr auf dem Altmarkt an der Gedenktafel an die 6 865 verbrannten Leichen erinnern.

Von 15 bis 22 Uhr gibt es erneut das stille Gedenken vor der Frauenkirche. Ebenfalls auf dem Neumarkt sammeln sich die Teilnehmer der Menschenkette. Um 17.15 Uhr spricht Hilbert. „Wir beginnen in diesem Jahr auf dem Neumarkt, um ein starkes Zeichen zu setzen.“ Die Kerzen vor der Kirche stehen dabei für Frieden und das Kunstprojekt Monument, bei dem ausrangierte Busse hochkant auf dem Neumarkt aufgestellt werden, als Mahnung für den Krieg, der in Syrien tobt. „Es gibt immer noch Versuche, die Geschichte umzudeuten und Dresden in einem Opfermythos dastehen zu lassen“, so der OB. Dann drückt er sich klarer als bisher aus:. „Dresden war keine unschuldige Stadt, das wurde wissenschaftlich ausgewertet.“ Der Totalitarismus von damals drohe wieder aufzuleben. „Wir müssen diese Tendenzen beobachten.“

Die Menschenkette stehe als Schutzschild gegen die Vereinnahmung durch rechtsextreme Kräfte, betont auch der Anmelder und TU-Rektor Hans Müller-Steinhagen. „Wer zeigen will, dass in Dresden kein Platz für rechtsradikales Gedankengut ist, den bitte ich, sich einzureihen.“ Die Kette soll sich vom Altmarkt über den Postplatz, die Augustusbrücke, das Königsufer, die Carolabrücke, die Synagoge bis zum Altmarkt erstrecken. Es ist geplant, dass sie sich um 18 Uhr zum Glockenläuten schließt. An sieben Stützpunkten gibt es heißen Tee. Dort werden auch erstmals Spenden gesammelt. Der Verein Arche Nova will damit rund 9 000 Kindern in einer Region nördlich von Aleppo die Bildung finanzieren. Von dem Geld sollen Lehrer, Lernmittel, Pausenversorgung und Heizmaterial bezahlt werden. In der betroffenen Region ist wegen des Krieges die Infrastruktur zusammengebrochen.

Insgesamt erstrecken sich die Veranstaltungen zum 13. Februar vom 27. Januar bis zu dem eigentlichen Datum. So findet beispielsweise am 6. Februar der Schülergipfel zum Thema Zivilcourage statt, das Kunstwerk auf dem Neumarkt wird am 7. Februar eingeweiht, am 10. Februar dann auf dem Theaterplatz die Installation Lampedusa 361, mit imaginären Flüchtlingsgräbern, und am 12. Februar wird der Internationale Friedenspreis verliehen.

Aber auch in diesem Jahr haben sich Neonazis angekündigt, die das Gedenken für ihre Zwecke missbrauchen wollen. Bereits am 11. Februar soll es einen Marsch vom Zwingerteich durch die Stadt geben und am 18. Februar wollen die örtlichen Rechtsextremen ebenfalls aus dem Zentrum losziehen. Der Protest dagegen ist bereits geplant und zum Teil angemeldet. Allerdings rechnet die Polizei nicht mit Eskalationen wie noch vor einigen Jahren. Die AfD will ihre eigene Kranzniederlegung am 14. Februar auf dem Altmarkt durchführen. Insgesamt sind in der Woche 16 Versammlungen zum Thema angemeldet.