Dresden
Merken

Ärger um jüdisches Kulturzentrum in Dresden

Die Stadt plant ein Zentrum für jüdisches Leben am Alten Leipziger Bahnhof. Die Jüdische Gemeinde zu Dresden findet das instinktlos. Jetzt gibt es eine Debatte darum.

Von Andreas Weller
 5 Min.
Teilen
Folgen
Ist der Alte Leipziger Bahnhof als ehemaliger Deportations-Bahnhof der geeignete Ort für ein jüdisches Begegnungszentrum?
Ist der Alte Leipziger Bahnhof als ehemaliger Deportations-Bahnhof der geeignete Ort für ein jüdisches Begegnungszentrum? © René Meinig

Dresden. Seit einer Weile gibt es eine Debatte darum, in Dresden ein jüdisches Kulturzentrum zu schaffen, auch ein jüdisches Museum wird diskutiert.

Nun will die Stadtverwaltung Nägel mit Köpfen machen und deshalb gibt es Streit.

Weshalb gibt es die Pläne?

Der erste Vorstoß für ein jüdisches Museum kam von den Grünen im Dresdner Stadtrat. 2020 bewerteten sie den Alten Leipziger Bahnhof als besonders geeignet für das Projekt, dazu solle auch ein jüdisches Café und Kulturzentrum dort etabliert werden.

Im Jahr darauf beschloss der Stadtrat, dass die Stadtverwaltung ein jüdisches Museum für Sachsen und ein jüdisches Begegnungszentrum für Dresden untersuchen solle. Allerdings ohne einen konkreten Ort vorzugeben. Es waren auch die Villa Salzburg und das Palais Oppenheim im Gespräch - für Letzteres gibt es aber mittlerweile andere Pläne.

Was hat die Stadt vor?

Nach einer digitalen Bürgerumfrage, vielen Gesprächen und Untersuchungen dazu, hat die Stadt nun konkrete Pläne. Im Haushaltsplan sind für 2023 und 2024 jeweils 100.000 Euro für die Erstellung eines Konzepts für einen Gedenkort beziehungsweise ein jüdisches Begegnungszentrum eingeplant. Für 2025 und 2026 sind dann jeweils etwas mehr als eine Million Euro für die Umsetzung vorgesehen.

Hier plant die Stadt mit einem konkreten Ort und hat sich nun offenbar doch auf den Alten Leipziger Bahnhof festgelegt.

Was kritisiert die Jüdische Gemeinde?

Die Jüdische Gemeinde zu Dresden um den Vorsitzenden Michael Hurshell hat gegenüber der Landeshauptstadt eine Stellungnahme zu diesen Plänen abgegeben, die Sächsische.de vorliegt. Von der Gemeinde am Hasenberg heißt, ein solches Begegnungszentrum könne als Heimstätte für Vereine rund um jüdische Themen eine Bereicherung für die Stadt darstellen und "helfen, Antisemitismus zu bekämpfen".

Allerdings schreiben die Verantwortlichen der Gemeinde weiter. "Einen Standort am Alten Leipziger Bahnhof lehnt die Repräsentanz entschieden ab. Wo einst die Rampe für Deportationen stand, ist ein Begegnungszentrum mit Café und sonstigen der Vergnügung dienenden Bestandteilen unvorstellbar. Wir appellieren an die Entscheider im Rathaus, auf die Gefühle der Nazi-Opfer ohne Wenn und Aber Rücksicht zu nehmen..."

Vom Alten Leipziger Bahnhof aus wurden in der Nazi-Zeit Menschen jüdischen Glaubens ins Getto nach Riga deportiert.

Ist bereits alles entschieden?

Zumindest nicht aus Sicht einiger Stadträte, die in die Planung involviert sind. "Es ist wichtig, dass OB Hilbert jetzt schnell das Gespräch mit der Jüdischen Gemeinde sucht", so Grünen-Stadtrat Thomas Löser. "Es geht nicht, dass ein jüdisches Museum und ein Kulturzentrum an der größten jüdischen Gemeinde in Dresden vorbei organisiert werden. Die für Dresden wichtigen Projektes eines jüdischen Museums Sachsen und eines Gedenkortes am Alten Leipziger Bahnhof dürfen jetzt nicht durch fehlende Kommunikation in Schieflage gebracht werden."

Auch für FDP-Stadtrat Holger Hase ist das letzte Wort dazu noch nicht gesprochen. "Für mich ist die Standortfrage offen." Hase verfolgt einen dreistufigen Plan. Das Deportationsgleis am Alten Leipziger Bahnhof müsse als Gedenkort gesichert werden, ein Kulturzentrum und dessen Standort seien der zweite Schritt und danach könne Dresden sich über ein jüdisches Museum Gedanken machen. "Ich habe den Eindruck, hier hat sich die Verwaltung wieder etwas ausgedacht, womit niemand glücklich ist, wozu aber auch niemand nein sagen kann." Es sei ein "Schnellschuss", dabei müsse man hier besonders sensibel vorgehen.

Wie reagiert die Stadt?

Die Verwaltung habe auf Grundlage des Stadtratsbeschlusses von 2021 einen umfangreichen Beteiligungsprozess veranlasst, erklärt Kulturbürgermeisterin Annekatrin Klepsch. Für das mögliche jüdische Museum habe das Stadtplanungsamt eine Standortanalyse durchgeführt. "Hinsichtlich eines geeigneten innerstädtischen Standortes besteht gegenwärtig noch Klärungsbedarf mit den verschiedenen jüdischen Gemeinden in Dresden", sagt Klepsch auf das Museum bezogen. "Alle näher betrachteten Standorte sowie die konzeptionellen Ansätze für ein jüdisches Begegnungszentrum und einen Gedenkort am Alten Leipziger Bahnhof sind Bestandteil einer Vorlage, die dem Oberbürgermeister zur Einbringung in den Stadtrat vorliegt."

Auch daran seien die Jüdischen Gemeinden in Dresden beteiligt gewesen. "Alle drei gegenwärtig in Dresden bekannten jüdischen Gemeinden - mithin auch die Gemeinde am Hasenberg - waren von Beginn an in die Prozesse einbezogen", so Klepsch.

Die Pläne für ein jüdisches Museum werden im Rahmen der Weiterentwicklung und Erweiterung der Dauerausstellung durch das Stadtmuseum Dresden weiter verfolgt.

Gibt es andere Meinungen?

Ja, die 2021 gegründete Jüdische Kultusgemeinde Dresden, um Rabbiner Akiva Weingarten befürwortet die Pläne der Stadt generell. In einer Stellungnahme, die Sächsische.de vorliegt, wird allerdings betont, dass es "kein Projekt der Jüdischen Gemeinden ist, sondern von zahlreichen zivilgesellschaftlichen Gruppen, demokratischen Parteien des Dresdner Stadtrates und der Stadtverwaltung getragen wird."

Weiter heißt es darin: "Ein "Jüdisches Veto" zum vorgesehen Standort Alter Leipziger Bahnhof würde zur anhaltenden Verunsicherung beziehungsweise Lähmung künftiger zivilgesellschaftlicher Aktivitäten führen und das Vertrauen in die Zuverlässigkeit der Dresdner Juden untergraben."