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Neubaustrecke Dresden-Prag: Bahn eröffnet Infozentrum in Heidenau

Zweimal wöchentlich können sich Neugierige in der Pechhütte informieren über das gigantische Vorhaben – mit dem dann längsten Bahntunnel Deutschlands.

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Neubaustrecken-Projektleiter Kay Müller am Modell einer Tunnelbohrmaschine: Allein zehn bis zwölf Jahre Bauzeit für den Tunnel.
Neubaustrecken-Projektleiter Kay Müller am Modell einer Tunnelbohrmaschine: Allein zehn bis zwölf Jahre Bauzeit für den Tunnel. © Egbert Kamprath

Am Anfang war der Zweifel. Als vor 15 Jahren die Entscheidung fiel, es braucht eine neue, ganz spezielle Bahnstrecke, da war das Votum zunächst ein rein sächsisches, das Vorhaben war aber allein vom Freistaat nicht zu stemmen – weder technisch noch finanziell. „Damals hat noch keiner so recht an das Vorhaben geglaubt“, sagt Sachsens Wirtschafts- und Verkehrsminister Martin Dulig (SPD).

So galt es zunächst, Berlin und die Deutsche Bahn davon zu überzeugen, wie wichtig dieses Projekt ist. Große Unterstützung kam von Anbeginn an von der Europäischen Union, der dieses Vorhaben ebenso am Herzen lag. Miteinander, so Dulig, habe man genügend Druck aufbauen können, sodass aus der Idee inzwischen Wirklichkeit geworden sei. „Es ist ein Projekt, dass noch eine Weile dauern wird“, sagt der Minister, „aber ich glaube fest daran.“

Was Sachsen seit 15 Jahren so derart forciert, ist ein gigantisches Infrastrukturprojekt, geschätzt 1,3 Milliarden Euro teuer, von großer europäischer Bedeutung – ist es doch ein wesentlicher Baustein dafür, die Häfen an der Nord- und Ostsee komfortabel mit Südeuropa zu verbinden. Es geht um die geplante neue Bahnstrecke Dresden-Prag, bei der es - wenn sie gebaut wird - dann den längsten und ersten grenzüberschreitenden Bahntunnel Deutschlands geben wird.

Die Trasse wird schon seit geraumer Zeit geplant und befindet sich bereits in einem fortgeschrittenen Stadium. Von Anfang an setzte die Deutsche Bahn dabei auf den Bürgerdialog, vor allem in dem vom Bau am meisten betroffenen Kommunen Heidenau, Pirna und Dohma. Der Anspruch, die Menschen beim Werdegang mitzunehmen, mündet nun in einem Infozentrum, das die Bahn am Donnerstag in der Heidenauer Pechhütte eröffnet hat. Auf über 200 Quadratmeter Ausstellungsfläche können sich Interessierte nun zweimal wöchentlich über die neue Bahntrasse informieren.

Mögliche Zweifel und Einwände ausräumen

Die Bahn hatte das historische Gebäude direkt an der S172 im vergangenen Jahr erworben. Ganz früher wurden in dem Haus Bierfässer mit Pech abgedichtet, daher rührt auch der Name. Später war das Gebäude Wohnhaus und Fotoatelier, zuletzt stand es lange Zeit zum Verkauf. In mehreren Monaten ließ die Bahn das Objekt zum Infozentrum umbauen. Innen kommt nun alles modern daher, es gibt viele interaktive Stationen. So läuft auf einem Bildschirm ein Film über die Neubaustrecke, gezeigt werden die Streckenvarianten, Bohrkerne von Probebohrungen im Erzgebirge, ein Modell einer Tunnelbohrmaschine sowie Schneiderollen, die auf einem Bohrkopf sitzen.

„Wir freuen uns, an diesem historischen Ort einen festen Anlaufpunkt zu bieten, um mit den Bürgern in den Dialog zu diesem international bedeutenden Bauprojekt zu treten“, sagt Martin Walden, Konzernbeauftragter der Deutschen Bahn für Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen. Laut Dulig gebe es bei solch einem Projekt viele Dinge, die abgewogen werden müssen, zudem auch viele Bedenken und Betroffenheiten. Damit das Vorhaben erfolgreich gelingen kann, müsse man die Menschen mitnehmen und beteiligen. Das neue Infozentrum leiste einen wichtigen Beitrag für diese Transparenz.

Im Hauptbahnhof der tschechischen Stadt Ústí nad Labem gibt es bereits seit vergangenem Jahr ein ähnliches Infozentrum. Er freue sich sehr, sagt der stellvertretenden tschechische Verkehrsminister Václav Bernard, dass jetzt auch auf deutscher Seite ein solches Zentrum steht. „Ich glaube, dass diese maximale Offenheit gegenüber Bürgern und Kommunen dazu beitragen wird, mögliche Einwände und Zweifel auszuräumen, die gegen den Bau stehen könnten“, so Bernard. Auch Mathieu Grosch, Koordinator des Orient-Ost-Mittelmeer-Korridors bei der Europäischen Union, betonte, über ein solches Projekt könne man nie früh genug informieren. Und für die Bahn steht – wie der Zufall es wollte – das Infozentrum in Heidenau an strategisch wichtiger Stelle.

Sachsens Wirtschafts- und Verkehrsminister Martin Dulig (SPD): Sachsen forciert die neue Bahntrasse seit 15 Jahren.
Sachsens Wirtschafts- und Verkehrsminister Martin Dulig (SPD): Sachsen forciert die neue Bahntrasse seit 15 Jahren. © Egbert Kamprath
Historische Pechhütte in Heidenau: Zuletzt Wohnhaus, jetzt Bahn-Infozentrum mit 200 Quadratmeter Ausstellungsfläche.
Historische Pechhütte in Heidenau: Zuletzt Wohnhaus, jetzt Bahn-Infozentrum mit 200 Quadratmeter Ausstellungsfläche. © Egbert Kamprath
Mathieu Grosch, Koordinator für den Orient-Ost-Mittelmeer-Korridor bei der EU: Der gesamte Korridor sollte möglichst 2040 fertig sein.
Mathieu Grosch, Koordinator für den Orient-Ost-Mittelmeer-Korridor bei der EU: Der gesamte Korridor sollte möglichst 2040 fertig sein. © Egbert Kamprath
Ausstellung in der Pechhütte: Gezeigt werden auch Bohrkerne von Probebohrungen im Bereich des künftigen Erzgebirgstunnels.
Ausstellung in der Pechhütte: Gezeigt werden auch Bohrkerne von Probebohrungen im Bereich des künftigen Erzgebirgstunnels. © Egbert Kamprath
Tschechiens stellvertretender Verkehrsminister Václav Bernard: Maximale Offenheit trägt dazu bei, mögliche Einwände und Zweifel auszuräumen.
Tschechiens stellvertretender Verkehrsminister Václav Bernard: Maximale Offenheit trägt dazu bei, mögliche Einwände und Zweifel auszuräumen. © Egbert Kamprath

Berlin-Prag künftig in zweieinhalb Stunden

Nur wenige Meter hinter der Pechhütte in Richtung Pirna wird später die neue Bahntrasse die S172 queren und im Berg verschwinden. Denn zentraler Bestandteil der Strecke ist ein mindestens 26 Kilometer langer Tunnel unter dem Erzgebirge hindurch bis nach Tschechien. Die Strecke soll später einmal die bis zur Kapazitätsgrenze ausgelastete Elbtalstrecke zwischen Pirna und Decin entlasten. „Außerdem haben wir dann eine hochwassersichere Alternative zur Strecke im Elbtal“, sagt Walden. Die neue Strecke schafft zusätzliche Kapazitäten für den Schienenverkehr und bindet Tschechien an das europäische Hochgeschwindigkeitsnetz an.

Die Gesamtstrecke von Dresden nach Prag wird von 192 auf 150 Kilometer verkürzt, was sich auch auf die Fahrzeit auswirkt: Künftig soll man in einer Stunde von Metropole zu Metropole kommen. Bedeutsam ist das auch für den gesamten Bahnkorridor Berlin-Dresden-Prag-Wien. Ziel ist eine Fahrzeit von Berlin nach Prag in zweieinhalb Stunden – statt der bisher üblichen über vier Stunden. Laut Grosch verkürze sich durch die neue Trasse generell die Fahrzeit in diesem Teil des Orient-Ost-Mittelmeer-Korridors, die Strecke sei von großer wirtschaftlicher, ökologischer und strategischer Bedeutung.

Für den Streckenverlauf plant die Bahn derzeit zwei infrage kommende Varianten komplett durch. Da ist zum einen die sogenannte Volltunnel-Variante, die ab Heidenau vollständig im Tunnel bis Tschechien verläuft. Und da ist zum anderen eine teiloffene Variante, die von Heidenau bis Pirna zunächst in einem kurzen Tunnel verläuft, dann mit einer riesigen Brücke über das Pirnaer Seidewitztal führt und bei Dohma dann im Erzgebirgstunnel verschwindet. Nach Aussage von Bernard werde zudem derzeit ein entsprechender Staatsvertrag zwischen Tschechien und Deutschland für die Strecke vorbereitet.

2024 will sich die Bahn für eine Vorzugsvariante entscheiden, die der Bundestag bestätigen und die dafür benötigten Gelder freigeben muss. Kay Müller, Projektleiter bei der Deutschen Bahn für die Neubaustrecke, rechnet ehestens Anfang der 2030er Jahre mit einem Baustart, allein der Bau des Tunnels dauert dann etwa zehn bis zwölf Jahre. Die Europäische Kommission hätte es gern früher: Sie hat laut Grosch vorgeschlagen, den gesamten Korridor bis 2040 fertigzustellen.

Das Infozentrum in der Pechhütte in Heidenau ist jetzt immer mittwochs und freitags jeweils von 11 bis 17 Uhr für Besucher geöffnet. Weitere Infos gibt es unter www.neubaustrecke-dresden-prag.de.