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Klimakämpfer Bläul: "Dass wir nicht nur Applaus bekommen, war uns klar"

Nach der bundesweiten Razzia bei Mitgliedern der Klimaschutzorganisation "Letzte Generation" spricht der Dresdner Vorkämpfer über die Konsequenzen, Feindbilder und Wut als Währung.

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Christian Bläul ist das bekannteste Dresdner Gesicht der "Letzten Generation" - und gleichzeitig die umstrittenste Figur.
Christian Bläul ist das bekannteste Dresdner Gesicht der "Letzten Generation" - und gleichzeitig die umstrittenste Figur. © SZ/Henry Berndt

Dresden. Bei einer groß angelegten Razzia sind am Mittwoch der zurückliegenden Woche Polizei und Staatsanwaltschaft in ganz Deutschland gegen die Klimaschützer der "Letzten Generation" vorgegangen. Der Hauptvorwurf gegen sieben Beschuldigte: Bildung beziehungsweise Unterstützung einer kriminellen Vereinigung. Die Beschuldigten hätten über eine Spendenkampagne mindestens 1,4 Millionen Euro gesammelt, um sie "für die Begehung weiterer Straftaten" einzusetzen, heißt es. Woher das Geld stamme, sei Gegenstand der Ermittlungen. Ziel der Durchsuchungen sei auch "das Auffinden von Beweismitteln zur Mitgliederstruktur" gewesen. Bundesweit waren 170 Beamte in sieben Bundesländern im Einsatz.

In Dresden traf die Razzia den bekannten Klimakämpfer Christian Bläul, der im vergangenen Sommer für eine Klebeaktion in Stockholm bereits einmal 16 Tage in einem schwedischen Gefängnis saß. Im Gespräch mit Sächsische.de nach der Razzia erzählt Bläul, warum er trotz der Durchsuchung weitermachen will und wieso er nicht glaubt, seine beschlagnahmten Geräte je wiederzubekommen.

Herr Bläul, auf die Razzia am Mittwoch haben Sie äußerlich entspannt reagiert. War das ein Stück weit Selbstschutz?

Nein, das war das Ergebnis guter Vorbereitung. Ich habe diesen Tag schon lange in Gedanken durchgespielt: juristisch, technisch und emotional. Dadurch hat die Razzia für mich ihren Schrecken verloren. Ich habe in aller Ruhe den Gerichtsbeschluss durchgelesen und konnte mich auf die Sicherheitskopien meiner Daten verlassen. Immerhin, die 300 Euro Bargeld von meiner Oma durfte ich behalten.

Ihre Dresdner Mitstreiterin Aimée van Baalen sprach von Angst und Betroffenheit. Wie erklärt sich dieser Unterschied?

Jeder Mensch ist anders und geht anders mit solchen Extremsituationen um. Manch einer war vielleicht nicht so gut vorbereitet. Allerdings macht es auch einen Unterschied, ob die Polizei klingelt und man sich freundlich unterhält, oder ob Türen eingetreten und Waffen gezogen werden wie bei anderen Mitgliedern.

Welche Konsequenzen werden Sie aus der Razzia ziehen?

Wenn ich mir wieder alle Zugänge beschafft habe, werde ich recht schnell zur Normalität zurückkehren und entschlossen und friedlich weitermachen. Ich glaube auch nicht, dass das die letzte Hausdurchsuchung gewesen ist.

Glauben Sie, dass Sie eines Tages auch in Deutschland im Gefängnis sitzen werden?

Momentan halte ich das eher für unwahrscheinlich, da in Deutschland eher mit Geldstrafen gearbeitet wird. Da muss man sich schon sehr ungeschickt anstellen, zum Beispiel Bußgelder nicht bezahlen. Niemand sitzt gern im Gefängnis und auch ich strebe das nicht an.

Sollte der Vorwurf der "kriminellen Vereinigung" vor Gericht bestätigt werden, könnte sich das schnell ändern.

Das stimmt, aber dazu wird es nicht kommen.

Für viele Bürger sind Sie inzwischen ein Feindbild, dabei wollen Sie doch nur die Welt retten. Wie konnte es so weit kommen?

Die Welt retten klingt mir zu utopisch. Ich will den Menschen unnötiges Leid ersparen. Ich finde es spannend, zu vergleichen, wie Menschen auf andere Einschränkungen in ihrem Leben reagieren, zum Beispiel auf andere Demos. Da gibt es längst nicht so viel Wut. Klima ist ein Reizthema und wir sind diejenigen, die das Problem sichtbar machen. Dass wir dafür nicht nur Applaus bekommen, war uns von Anfang an klar.

Eine große Mehrheit lehnt die Klebeaktionen ab. Hinterfragen Sie von Zeit zu Zeit die Art, wie Sie für mehr Klimaschutz kämpfen sollen?

Ich hoffe, dass die Menschen schlau genug sind, um zwischen dem wichtigen Thema Klimaschutz und unseren Störungen zu unterscheiden. Wir wollen nicht stören, wir wollen niemanden nerven, aber Aufregung ist momentan unsere wichtigste politische Währung. Jetzt ist noch nicht der Moment, um mit den Aktionen aufzuhören.

Ist es noch möglich, die Mehrheit der Bürger wieder auf Ihre Seite zu ziehen? Wenn ja, wie?

Ich fürchte, dafür reicht die Zeit nicht. Wir haben zahlreiche andere Wege ausprobiert, aber nie genug Aufmerksamkeit generiert, um in den Köpfen zu bleiben. Wenn jemand da draußen eine Idee hat, wie er die Massen für Klimaschutz begeistern und gleichzeitig für politische Mehrheiten sorgen kann, dann soll er sie teilen - oder sie am besten gleich selbst umsetzen.

Wann, glauben Sie, Ihr Handy und Ihre Laptops zurückzubekommen?

Früheren Erfahrungen nach zu urteilen, niemals. Im Januar 2022 wurde in Berlin meine Isomatte beschlagnahmt und im Mai 2022 in Köln mein Handy. Beides werde ich vermutlich nie wiedersehen, genauso wie die Technik, die gestern mitgenommen wurde.

Das Interview führte Henry Berndt.