CSD in Dresden: "Unsere Liebe ist kein Verbrechen"

Dresden. "Jedes Mal ist es so heiß zum CSD", schnauft Christopher und fächert sich mit einem Fächer in Regenbogenfarben Luft zu. Auf dem Terrassenufer sieht man gegen 12 Uhr tausende Menschen. Sie haben sich hier zur Party und Demonstration des Christopher-Street-Day (CSD) in Dresden versammelt. Von hier startet die Parade, die neun Kilometer lang durch die Innenstadt ziehen wird.
Christopher und Toni verschaffen sich mit einem Schirm ein wenig Schatten. Das Paar ist im Partnerlook da - Hawaiihemd mit Regenbogen-Fliege, kurze Hose und bunt geringelte Socken. "Wir gehören zusammen. Unsere Liebe ist kein Verbrechen und tut niemandem weh", sagt Christopher. Seinen vollen Namen will er lieber nicht bei Sächsische.de lesen, zu hoch ist die Angst vor Anfeindungen.
Eine Woche lang Veranstaltungen zum CSD in Dresden
Kurz bevor die Parade startet, scharren die Teilnehmer mit den Hufen. Eine Woche lang zum 30-jährigen Jubiläum des CSD in Dresden gab es zahlreiche Veranstaltungen rund um Lesben, Schwule, Bisexuelle, transgender Personen und Intersexuelle. Der Umzug ist der krönende Abschluss. Der Zug bewegte sich vom Terrassenufer aus neun Kilometer durch Dresden. Die Parade setzte sich für Respekt für die verschiedenen Lebensentwürfe ein.
Christopher und Toni klettern auf einen der Trucks. "Railbow" ist dort zu lesen. Das ist das LGBTQ+-Netzwerk bei der Deutschen Bahn (DB), das es seit 2011 gibt. "Über 900 Mitarbeiter aus ganz Deutschland haben sich in diesem Netzwerk organisiert, um für Toleranz und Vielfalt zu werben", sagt Norbert Nirschl als Sprecher des Railbow-Netzwerks. Zum ersten Mal hat das Netzwerk der Bahn einen Truck beim CSD in Dresden. Christopher, der bei der DB seine Ausbildung zum Zugschaffner absolviert hat, und Toni tanzen hier mit 50 Gleichgesinnten.
Angriff auf Homosexuelle: "Ich war sprach- und fassungslos"
Die beiden Männer können heute öffentlich zeigen, dass sie sich lieben. Das ist in Dresden nicht immer so. "Manchmal versteckt man sich in gewissem Maße, um Anfeindungen aus dem Weg zu gehen", sagt der 23-Jährige. Händchenhaltend durch die Stadt zu schlendern, kann für das schwule Paar unangenehm oder sogar gefährlich werden.
So wie beim CSD 2021, der Christopher zutiefst schockiert hat. Ein Unbekannter griff die Gruppe an, schlug einem Mitfeiernden eine Glasflasche ins Gesicht, verletzte ihn schwer. "Ich war sprach- und fassungslos und bin es bis heute", sagt der Dresdner. Dass eine Männerliebe einen anderen Menschen zu Gewalt anstachelt, macht Angst. Im Oktober 2020 stach ein Mann auf ein homosexuelles Paar in Dresden ein. Ein Mann erlag danach seinen schweren Verletzungen.
Und trotzdem bekräftigen solche Angriffe die beiden Dresdner auch, auf die Straße zu gehen. Der sogenannte "pride month" im Juni, der der LGBTQ+-Szene gewidmet ist, sei zwar eine tolle Sache, bringe aber auch viele Menschen in Rage. "Man bietet den Hatern eine Angriffsfläche", so Christopher.
Er stehe hier beim CSD nicht nur für sich allein, sondern stellvertretend auch für Menschen in anderen Ländern, in denen gleichgeschlechtliche Liebe verpönt oder gar verboten ist. Eine Frau bei der CSD-Parade hält ein Schild mit der Aufschrift "I'm a criminal in 72 countries", denn in 72 Ländern der Welt ist es verboten, schwul zu sein. Erst vor zwei Wochen wurde in Uganda ein Gesetz verschärft, dort gilt ab sofort die Todesstrafe für "schwere Homosexualität".
Während der lange Zug am Dr.-Külz-Ring entlang rollt, peitscht sich die Stimmung der Teilnehmer immer weiter auf. Tausende Handykameras sind auf Christopher und Toni gerichtet, die Musik schallt aus den Boxen, der Truck wippt im Takt der Tanzenden. Fast überall sieht man gut gelaunte Gesichter, nur die Autofahrer, die für die Weiterfahrt warten müssen, schauen etwas grimmiger herein. Bis 16 Uhr legte der riesige Tross auf seiner Route durch die Innenstadt und die Neustadt mehrere Straßen lahm.
Queere Community hat in Sachsen viele Fortschritte gemacht
Der CSD wurde in Dresden zum 30. Mal veranstaltet. Er stand unter dem Motto "100 Prozent Mensch - Ohne Wenn und Aber!". In Leipzig wird der CSD in der Woche ab dem 7. Juli gefeiert, die Demonstration ist in der Messestadt am 15. Juli geplant.
Gleichstellungsministerin Katja Meier sagte zum Auftakt des CSD in Dresden, die queere Community habe in den vergangenen 30 Jahren auch in Sachsen viele Fortschritte gemacht. Dennoch sei man "noch weit entfernt", das wichtigste Ziel - eine völlig offene und diskriminierungsfreie Gesellschaft - zu erreichen, so die Grünen-Politikerin. "Noch immer werden Menschen beleidigt, sie erfahren Gewalt und Ausgrenzung." Dem müsse man sich gemeinsam entgegenstellen.
Christopher und Toni tun das heute. "Es ist dieser eine Tag im Jahr, wo wir für unsere Rechte auf die Straße gehen", sagt Christopher. Der 23-Jährige hat ein helles, lautes Lachen, das man heute öfter hört. Während Lady Gagas Songzeile "I want your stupid love" aus den Boxen plärrt, tanzt er mit seinem Freund, als wäre es das Normalste der Welt. Ist es ja auch.