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Hofkirche: Prachtbau der besonderen Gesteine

In der Dresdner Hofkirche spiegelt sich die Erdgeschichte Sachsens wider. Ein Gesteinsprofessor erklärt die seltene Vielfalt.

Von Peter Hilbert
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Gesteinsexperte Jan-Michael Lange (r.) erklärt Pfarrer Norbert Büchner, welche vielfältigen wertvollen Gesteine es in der Hofkirche gibt.
Gesteinsexperte Jan-Michael Lange (r.) erklärt Pfarrer Norbert Büchner, welche vielfältigen wertvollen Gesteine es in der Hofkirche gibt. © Sven Ellger

Dresden. Für Jan-Michael Lange ist die Hofkirche ein besonderes Bauwerk. Während viele Besucher die Silbermannorgel oder das prachtvoll gestaltete Innere des 1755 fertiggestellten Gotteshauses bewundern, hat er auf viele Bauteile schon aus beruflichen Gründen einen ganz speziellen Blick. Denn Lange arbeitet als Sektionsleiter an den Senckenberg Naturhistorischen Sammlungen Dresden und lehrt als Professor an der Bergakademie Freiberg. „In der Hofkirche kann man die Erdgeschichte Sachsens und auch anderer Bereiche Europas besichtigen“, sagt er mit Blick auf die vielen verschiedenen Gesteine, die beim Bau eingesetzt wurden. Deshalb fehle sie in keinem Gesteinsführer, in dem Interessenten die Besonderheiten der Bauwerke der Dresdner Innenstadt erklärt bekommen.

Die Hofkirche wurde aus Postaer Sandstein errichtet, der etwa 90 Millionen Jahre alt ist.
Die Hofkirche wurde aus Postaer Sandstein errichtet, der etwa 90 Millionen Jahre alt ist. © Sven Ellger

Das Gebäude: Sandstein aus Pirnaer Brüchen

Das Gebäude der Hofkirche besteht aus dem etwa 90 Millionen Jahre alten Postaer Sandstein, benannt nach dem heute zu Pirna gehörenden Posta, erläutert Lange. Dieser harte Sandstein wurde in Dresden für Bauwerke wie die Hofkirche oder den Zwinger eingesetzt. Gebrochen wurde er vor allem im Elbtal zwischen Pirna und Rathen. Auf Schiffen kamen die tonnenschweren Blöcke dann nach Dresden. „Viele steile Wände an der Elbe in diesem Gebiet sind nicht natürlich, sondern durch die Steinbrüche entstanden“, erklärt er.

Skulpturen sind hingegen meistens aus Cottaer Sandstein, ebenfalls etwa 90 Millionen Jahre alt, der auch als Bildhauersandstein bezeichnet wird. Die Hofkirche zieren 78 überlebensgroße Skulpturen auf den Balustraden, am Turm und an der Fassade. Sie wurden vor allem vom italienischen Bildhauer Lorenzo Mattielli bis zu seinem Tod 1748 geschaffen. Sein Sohn Francesco vollendete sein Werk bis 1752.

Die Skulpturen auf der Hofkirche wurden aus dem nicht ganz so harten Bildhauersandstein geschaffen.
Die Skulpturen auf der Hofkirche wurden aus dem nicht ganz so harten Bildhauersandstein geschaffen. © Sven Ellger

Das Gestein: Marmor entstand mit den Gebirgen

Im Inneren der Hofkirche bestehen viele kunstvoll gestaltete Bauteile aus farbigem Kalkstein und Marmor, so der Professor. „Kalkstein ist im Meer aus kalkschaligen Organismen entstanden, zum Beispiel aus kalkigem Plankton, Muscheln oder Seelilien“, erläutert er. Marmor ist durch Umwandlung von Kalkstein unter hohem Druck und hoher Temperatur entstanden, als sich Gebirge bildeten.

Der Fußboden: Marmor kommt aus der Toskana

Schön glänzt derzeit der Fußboden in der Hofkirche. Nach den Restaurierungsarbeiten im Hauptschiff haben Gebäudereiniger gerade wieder die hellen und dunklen Marmorplatten gereinigt. „Der hellere ist Carrara-Marmor und der dunklere Bardiglio-Marmor“, sagt der Experte. Beide Sorten stammen aus der Toskana in Mittelitalien und sind etwa 150 bis 200 Millionen alt. „Da gleicht kein Stein dem anderen“, verweist er auf die Besonderheit.

Frisch gereinigt glänzt der Fußboden der Hofkirche. Die Platten sind aus italienischem Marmor.
Frisch gereinigt glänzt der Fußboden der Hofkirche. Die Platten sind aus italienischem Marmor. © Sven Ellger

Der Märtyreraltar: Handlauf aus fränkischem Kalkstein

Äußerst sehenswert ist die Balustrade des Märtyreraltars im linken Seitenschiff, die farbenfroh leuchtet, wenn das Sonnenlicht durch die Fenster fällt. Der Handlauf und die Grundplatte sind aus dem oberfränkischen Kalkstein „Deutsch-Rot“ aus der Gegend von Horwagen, der rötlich schimmert und etwa 370 Millionen Jahre alt ist. Die Baluster bestehen aus Zöblitzer Serpentinit aus der Gegend von Marienberg. „Dieses exotische Gestein entstammt aus dem oberen Erdmantel aus einer Tiefe von mehr als 40 Kilometern und wurde vor etwa 330 Millionen Jahren an die Erdoberfläche gebracht, als das Erzgebirge entstand“, sagt Lange. Es sei ein seltenes Gestein.

Aus verschiedenen Gesteinen ist die Balustrade des Märtyreraltars im linken Seitenschiff. So sind die Baluster aus Zöblitzer Serpentinit aus dem Erzgebirge.
Aus verschiedenen Gesteinen ist die Balustrade des Märtyreraltars im linken Seitenschiff. So sind die Baluster aus Zöblitzer Serpentinit aus dem Erzgebirge. © Sven Ellger

Der Josephaltar: Im Fußboden sind Reste von Seelilien

Aus vielen Gesteinen wurde auch der Josephaltar im Hauptschiff, links vom Hochaltar, errichtet. Der Fußboden ist aus schwarzem, etwa 350 Millionen Jahre altem Wildenfelser Kalkstein, auch Wildenfelser Marmor genannt, sowie aus weißem Crottendorfer Marmor. Dieser Fußbodenbelag wurde bereits beim Bau der Hofkirche eingesetzt. Im Wildenfelser Kalkstein gibt es eine Besonderheit. Darin sind helle tönnchenförmige Flecken. Dabei handelt es sich um Reste von Seelilienstiel-Gliedern.

Am Sockel des Altars fällt der schwarz glänzende Serpentinit ins Auge. Andere Bauteile sind Kalksteine aus verschiedenen Teilen Deutschlands, so aus Hessen und Oberfranken.

Pfarrer Norbert Büchner (l.) und Professor Jan-Michael Lange am Fuße des Josephaltars. Besonders ins Auge sticht der schwarz glänzende Serpentinit am Sockel des Altars.
Pfarrer Norbert Büchner (l.) und Professor Jan-Michael Lange am Fuße des Josephaltars. Besonders ins Auge sticht der schwarz glänzende Serpentinit am Sockel des Altars. © Sven Ellger

Das Taufbecken: Marmor wie im alten Rom

Der Hauptkörper des Taufbeckens im östlichen Seitenschiff besteht aus dem südeuropäischen Cippolino-Marmor. Der Name stammt aus dem Italienischen und bedeutet „Zwiebelschalen-Marmor“. „Er ist bereits seit der Antike bekannt“, erklärt Lange. Dieser besondere Marmor findet sich beispielsweise im Forum Romanum in Rom. Der wulstige Rand des Taufbeckens ist aus rötlichem Maxener Kalkstein gefertigt.

Der Hauptköper des Taufbeckens besteht aus solchem Marmor, der bereits beim Bau des Forums Romanum in Rom eingesetzt wurde.
Der Hauptköper des Taufbeckens besteht aus solchem Marmor, der bereits beim Bau des Forums Romanum in Rom eingesetzt wurde. © Sven Ellger

Die Gruft: Vulkangestein trägt Sarg des letzten Königs

48 Wettiner sind in der Gruft der Hofkirche bestattet. Der Sarg des letzten sächsischen Königs steht auf einer Platte aus Rochlitzer Tuff. Bei diesem Gestein handelt es sich um verfestigte Vulkanasche.
48 Wettiner sind in der Gruft der Hofkirche bestattet. Der Sarg des letzten sächsischen Königs steht auf einer Platte aus Rochlitzer Tuff. Bei diesem Gestein handelt es sich um verfestigte Vulkanasche. © Sven Ellger

In den Räumen der Gruft unter der Hofkirche ruhen die Gebeine zahlreicher Wettiner. In der Neuen Gruft ist Friedrich August III. bestattet. Der letzte sächsische König hatte 1918 abgedankt und ist 1932 im schlesischen Sibyllenort bei Breslau gestorben. Sein Sarg steht auf einer Platte Rochlitzer Tuffs. „Das ist eine verfestigte Vulkanasche“, sagt der Professor. Es sind Reste einer Glutwolke, die bei einem Vulkanausbruch vor etwa 300 Millionen Jahren entstanden war. Solche Glutwolken können Geschwindigkeiten von 200 Stundenkilometern erreichen, erklärt er.

Das ist der Sarkophag von Georg von Sachsen, der aus Terrazzo besteht.
Das ist der Sarkophag von Georg von Sachsen, der aus Terrazzo besteht. © Sven Ellger

Davor steht der Sarkophag von Georg von Sachsen, der 1943 als letzter Wettiner in der Gruft bestattet wurde. Er besteht aus Terrazzo, einem Kunststein. „Dieses Material kenne ich schon aus meiner Kindheit“, sagt Lange. Denn der Boden von Waschhäusern und größeren Küchen war oft aus Terrazzo gemacht.

Besonders wertvoll ist dieser Sienesische Marmor, aus dem der Sockel des Kruzifixes in der Neuen Gruft gefertigt wurde.
Besonders wertvoll ist dieser Sienesische Marmor, aus dem der Sockel des Kruzifixes in der Neuen Gruft gefertigt wurde. © Sven Ellger

Das Kruzifix in der Neuen Gruft steht auf einem Sockel aus Sienesischem Marmor. „Das ist einer der teuersten Marmore der Welt“, erläutert er. Unter einem Sarg in der Stiftergruft zu Füßen der Herzkapsel von August dem Starken entdeckt Lange noch eine Bodenplatte aus Granodiorit, der mit dem Granit verwandt ist. Dieses aus Magma entstandene Tiefengestein ist etwa 560 Millionen Jahre alt und damit eines der ältesten Gesteine in Sachsen.

Die Bodenplatte des Sargs im Vordergrund ist aus etwa 560 Millionen Jahre altem Granodiorit.
Die Bodenplatte des Sargs im Vordergrund ist aus etwa 560 Millionen Jahre altem Granodiorit. © Foto: Peter Hilbert

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