Hofkirche: Prachtbau der besonderen Gesteine

Dresden. Für Jan-Michael Lange ist die Hofkirche ein besonderes Bauwerk. Während viele Besucher die Silbermannorgel oder das prachtvoll gestaltete Innere des 1755 fertiggestellten Gotteshauses bewundern, hat er auf viele Bauteile schon aus beruflichen Gründen einen ganz speziellen Blick. Denn Lange arbeitet als Sektionsleiter an den Senckenberg Naturhistorischen Sammlungen Dresden und lehrt als Professor an der Bergakademie Freiberg. „In der Hofkirche kann man die Erdgeschichte Sachsens und auch anderer Bereiche Europas besichtigen“, sagt er mit Blick auf die vielen verschiedenen Gesteine, die beim Bau eingesetzt wurden. Deshalb fehle sie in keinem Gesteinsführer, in dem Interessenten die Besonderheiten der Bauwerke der Dresdner Innenstadt erklärt bekommen.

Das Gebäude: Sandstein aus Pirnaer Brüchen
Das Gebäude der Hofkirche besteht aus dem etwa 90 Millionen Jahre alten Postaer Sandstein, benannt nach dem heute zu Pirna gehörenden Posta, erläutert Lange. Dieser harte Sandstein wurde in Dresden für Bauwerke wie die Hofkirche oder den Zwinger eingesetzt. Gebrochen wurde er vor allem im Elbtal zwischen Pirna und Rathen. Auf Schiffen kamen die tonnenschweren Blöcke dann nach Dresden. „Viele steile Wände an der Elbe in diesem Gebiet sind nicht natürlich, sondern durch die Steinbrüche entstanden“, erklärt er.
Skulpturen sind hingegen meistens aus Cottaer Sandstein, ebenfalls etwa 90 Millionen Jahre alt, der auch als Bildhauersandstein bezeichnet wird. Die Hofkirche zieren 78 überlebensgroße Skulpturen auf den Balustraden, am Turm und an der Fassade. Sie wurden vor allem vom italienischen Bildhauer Lorenzo Mattielli bis zu seinem Tod 1748 geschaffen. Sein Sohn Francesco vollendete sein Werk bis 1752.

Das Gestein: Marmor entstand mit den Gebirgen
Im Inneren der Hofkirche bestehen viele kunstvoll gestaltete Bauteile aus farbigem Kalkstein und Marmor, so der Professor. „Kalkstein ist im Meer aus kalkschaligen Organismen entstanden, zum Beispiel aus kalkigem Plankton, Muscheln oder Seelilien“, erläutert er. Marmor ist durch Umwandlung von Kalkstein unter hohem Druck und hoher Temperatur entstanden, als sich Gebirge bildeten.
Der Fußboden: Marmor kommt aus der Toskana
Schön glänzt derzeit der Fußboden in der Hofkirche. Nach den Restaurierungsarbeiten im Hauptschiff haben Gebäudereiniger gerade wieder die hellen und dunklen Marmorplatten gereinigt. „Der hellere ist Carrara-Marmor und der dunklere Bardiglio-Marmor“, sagt der Experte. Beide Sorten stammen aus der Toskana in Mittelitalien und sind etwa 150 bis 200 Millionen alt. „Da gleicht kein Stein dem anderen“, verweist er auf die Besonderheit.

Der Märtyreraltar: Handlauf aus fränkischem Kalkstein
Äußerst sehenswert ist die Balustrade des Märtyreraltars im linken Seitenschiff, die farbenfroh leuchtet, wenn das Sonnenlicht durch die Fenster fällt. Der Handlauf und die Grundplatte sind aus dem oberfränkischen Kalkstein „Deutsch-Rot“ aus der Gegend von Horwagen, der rötlich schimmert und etwa 370 Millionen Jahre alt ist. Die Baluster bestehen aus Zöblitzer Serpentinit aus der Gegend von Marienberg. „Dieses exotische Gestein entstammt aus dem oberen Erdmantel aus einer Tiefe von mehr als 40 Kilometern und wurde vor etwa 330 Millionen Jahren an die Erdoberfläche gebracht, als das Erzgebirge entstand“, sagt Lange. Es sei ein seltenes Gestein.

Der Josephaltar: Im Fußboden sind Reste von Seelilien
Aus vielen Gesteinen wurde auch der Josephaltar im Hauptschiff, links vom Hochaltar, errichtet. Der Fußboden ist aus schwarzem, etwa 350 Millionen Jahre altem Wildenfelser Kalkstein, auch Wildenfelser Marmor genannt, sowie aus weißem Crottendorfer Marmor. Dieser Fußbodenbelag wurde bereits beim Bau der Hofkirche eingesetzt. Im Wildenfelser Kalkstein gibt es eine Besonderheit. Darin sind helle tönnchenförmige Flecken. Dabei handelt es sich um Reste von Seelilienstiel-Gliedern.
Am Sockel des Altars fällt der schwarz glänzende Serpentinit ins Auge. Andere Bauteile sind Kalksteine aus verschiedenen Teilen Deutschlands, so aus Hessen und Oberfranken.

Das Taufbecken: Marmor wie im alten Rom
Der Hauptkörper des Taufbeckens im östlichen Seitenschiff besteht aus dem südeuropäischen Cippolino-Marmor. Der Name stammt aus dem Italienischen und bedeutet „Zwiebelschalen-Marmor“. „Er ist bereits seit der Antike bekannt“, erklärt Lange. Dieser besondere Marmor findet sich beispielsweise im Forum Romanum in Rom. Der wulstige Rand des Taufbeckens ist aus rötlichem Maxener Kalkstein gefertigt.

Die Gruft: Vulkangestein trägt Sarg des letzten Königs

In den Räumen der Gruft unter der Hofkirche ruhen die Gebeine zahlreicher Wettiner. In der Neuen Gruft ist Friedrich August III. bestattet. Der letzte sächsische König hatte 1918 abgedankt und ist 1932 im schlesischen Sibyllenort bei Breslau gestorben. Sein Sarg steht auf einer Platte Rochlitzer Tuffs. „Das ist eine verfestigte Vulkanasche“, sagt der Professor. Es sind Reste einer Glutwolke, die bei einem Vulkanausbruch vor etwa 300 Millionen Jahren entstanden war. Solche Glutwolken können Geschwindigkeiten von 200 Stundenkilometern erreichen, erklärt er.

Davor steht der Sarkophag von Georg von Sachsen, der 1943 als letzter Wettiner in der Gruft bestattet wurde. Er besteht aus Terrazzo, einem Kunststein. „Dieses Material kenne ich schon aus meiner Kindheit“, sagt Lange. Denn der Boden von Waschhäusern und größeren Küchen war oft aus Terrazzo gemacht.

Das Kruzifix in der Neuen Gruft steht auf einem Sockel aus Sienesischem Marmor. „Das ist einer der teuersten Marmore der Welt“, erläutert er. Unter einem Sarg in der Stiftergruft zu Füßen der Herzkapsel von August dem Starken entdeckt Lange noch eine Bodenplatte aus Granodiorit, der mit dem Granit verwandt ist. Dieses aus Magma entstandene Tiefengestein ist etwa 560 Millionen Jahre alt und damit eines der ältesten Gesteine in Sachsen.
