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Dresdner Bärenzwinger: Striptease auf den Tischen

Dresdens bekanntester und schönster Studentenklub hat Geburtstag. Vor 55 Jahren fing im Bärenzwinger alles an. Von verruchten Partys, einem Besuch der DDR-Baupolizei und zwei Elbe-Hochwassern.

Von Ralf Hübner
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Von der Faschingsfeier im Februar 1980 stammt dieses Foto aus dem Studentenklub Bärenzwinger.
Von der Faschingsfeier im Februar 1980 stammt dieses Foto aus dem Studentenklub Bärenzwinger. © Foto: SZ/Waltraut Kossack

Dresden. Feiern in den urigen Gewölben der mittelalterlichen Festung: Seit 55 Jahren zieht es die Studenten der Dresdner Hochschulen in den Studentenklub Bärenzwinger – eine der beliebtesten Party-Adressen der Stadt. Generationen von Studenten haben abends geduldig an dem mit einer schweren Kette verschlossenen Eisentor ausgeharrt und gehofft, endlich eingelassen zu werden. Während der DDR galt der Bärenzwinger sogar etwas als verrucht, als Ort wilder Partys. Und ganz schlimm: Es soll vorgekommen sein, dass zu später Stunde junge Frauen auf den Tischen auch mal einen Striptease hingelegt haben. Am 15. Juni 1968 wurde Eröffnung gefeiert.

"Ich war platt, was die Studenten in den bisher geleisteten 48.000 Stunden – sie entsprechen einem Wert von 450.000 Mark – geschaffen haben", schrieb der Stadtreporter der Sächsischen Zeitung nach einer Besichtigung. "Die kleine Gaststätte wie auch der Kaminraum sind sehr gediegen, großartig in Rahmen passen die Stühle, etwas derb, mit Ledergeflecht bespannt. Durchaus modern, aber doch mit einem Schuss Romantik."

Von der Festung zum feste Feiern

Als die Architekturstudenten der TU Dresden Mitte der 1960er-Jahre nach einem Treff für die Freizeit suchten, fiel ihr Auge auf diesen Bereich der alten Festungsmauer. Denkmalschützer waren wohl eher zufällig auf den zugemauerten Zugang zu den Gewölben unter der Brühlschen Terrasse gestoßen. Das Tonnengewölbe war zum Teil mit Bauschutt verfüllt worden.

Unterstützung fanden die Architekten bei den Bauingenieuren. Die FDJ-Leitung, die Fakultäts- sowie die SED-Parteileitung wurden überzeugt. In freiwilligen Arbeitsstunden wurde der Hof entrümpelt, die Gewölbe wurden freigeräumt und ausgebaut. Der Studentenklub Bärenzwinger konnte zunächst im Innenhof und der "Kleinen Tonne" starten.

Die Brühlsche Terrasse mit dem Bärenzwinger im Untergrund ist der verbliebene Rest der ehemaligen Dresdner Stadtbefestigung. Zwischen 1519 und 1521 hatte Festungsbaumeister Caspar Voigt von Wierandt diesen Teil der Anlage errichtet. Dabei hat "Bärenzwinger" nichts mit Meister Petz zu tun. Der Name rührt vom Festungsbau her. Als "Batardeau" oder auch "Bär" wurde der Damm an einem mit Wasser gefluteten Festungsgraben bezeichnet. Der Zwinger war der Gang zwischen innerer und äußerer Grabenmauer. Der jetzige Eingang des Klubs war einst eine Kanonenöffnung. Von dort aus sollte der Schleusendamm geschützt werden, der den Stadtgraben von der Elbe trennte. Bären gab es im Bärenzwinger nachweislich nur ein einziges Mal. Das waren 1993 Zirkusbären bei einer Studentenparty. Der Bereich vor dem Bärenzwinger wurde später als Gondelhafen genutzt und 1856 zugeschüttet. Während des Krieges wurden die Gewölbe als Luftschutzräume genutzt.

Seit der Eröffnung des Klubs gehörten Warteschlangen junger Menschen vor dem Eingang vor allem an den Wochenenden zum gewohnten Bild. Doch schon nur rund ein Jahr später wurde der Klub erst einmal wieder dichtgemacht. Nach einem Konzert der bei den DDR-Oberen missliebigen Klaus-Renft-Combo im Oktober 1969 erschienen plötzlich die Baupolizei und Hygieneinspektoren. Der Klub wurde wegen "wesentlicher Mängel" ein Jahr lang gesperrt. Der zunehmenden Beliebtheit des Bärenzwingers tat das keinen Abbruch. Er schaffte es sogar ins DDR-Fernsehen. In den 1970er-Jahren wurden dort die Shows "Treff mit O. F." des beliebten Dresdner Entertainers und Kabarettisten O. F. Weitling aufgezeichnet. Legendär waren die jährlichen Faschingsfeiern. Die dort vorgetragenen Texte wurden bis 1990 von der FDJ-Kreisleitung zensiert. Ähnlich beliebt war das jährliche Weihnachtsmann-Sackhüpfen in der Adventszeit.

Elbe-Flut zwingt zu einer langen Pause

In den 1980er-Jahren wurde die benachbarte „Große Tonne“, ein weiteres Tonnengewölbe der Festung, als Veranstaltungssaal ausgebaut, der im Oktober 1986 mit einer einwöchigen Festwoche eingeweiht wurde. Aus dem Architektenklub wurde der "Zentrale FDJ-Studentenclub der TU Dresden". Seit 1990 ist ein gemeinnütziger Verein der Träger des Bärenzwingers. Er steht jetzt nicht mehr nur Studenten offen. Jährlich feiern dort etwa 150.000 Jugendliche. Nach einem Rechtsstreit musste der Klub im Juni 2000 die "Große Tonne" an die Evangelisch-Reformierte Gemeinde abgeben, die über dem Komplex ein Altenheim betreibt.

Die große Flut 2002 überstand der Bärenzwinger mithilfe von Mitgliedern, Freunden, Spendern und des Freistaats. Im April 2003 konnte der Betrieb in erneuerten Räumen wieder aufgenommen werden. Seit 2007 schützt ein Glasdach den Innenhof und lässt Party-Lärm nicht mehr nach außen dringen. Als 2013 abermals die Elbe vor die Tür kam, halfen Unterstützer aus anderen Klubs, einen Damm zu bauen.

Den Kamin und die Stühle mit dem derben Ledergeflecht gibt es noch. Nicht mehr gibt es hingegen das Eisentor von einst. Es wurde durch ein modernes Schiebetor mit einem Glaskubus ersetzt. Es soll mehr Sicherheit und besseren Schallschutz bieten. Für die Finanzierung wirbt der Klub noch um Spenden.