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Dresdens spektakulärste Justizkrimis 2020

Von "Super Mario" bis zu den "Heroin-Mongolen": Unser Blick auf die aufsehenerregendsten Dresdner Prozesse in der Pandemie.

Von Alexander Schneider
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Hinter diesen Mauern des Landgerichts Dresden gab es im abkaufenden Jahr einige kuriose und aufsehenerregende Prozesse. An ein paar muss noch einmal erinnert werden.
Hinter diesen Mauern des Landgerichts Dresden gab es im abkaufenden Jahr einige kuriose und aufsehenerregende Prozesse. An ein paar muss noch einmal erinnert werden. © Symbolfoto: Rene Meinig

Dresden. Zur hohen Kunst gehört es, Menschen Dinge für teures Geld zu verkaufen, die sie nicht brauchen.

Das Geschäftsmodell von Mario M., einem Ingenieur aus Dresden, hat sich über Jahre zumindest auf dem Papier an dieser hohen Kunst orientiert. Man könnte auch sagen, er hat es auf die Spitze getrieben.

Mario M. hat Dinge verkauft, die es gar nicht gab und dafür ansehnliche Darlehen kassiert. Außerdem hat er sich die Geräte, die es nicht gab, mehrfach in halb Europa aus seinem Auto stehlen lassen, und auch für Einbrüche, die nicht stattfanden, bei Versicherungen abkassiert.

Und schließlich hat er sich selbst über ein Geflecht an Firmen völlig überteuert ein eigenes Grundstück verkauft. Im Mai wurde der 50-Jährige am Landgericht Dresden wegen Betruges und Bankrotts zu einer Freiheitsstrafe von vier Jahren und zehn Monaten verurteilt.

Er und sein Komplize hatten Leasinggesellschaften um mehr als 1,5 Millionen Euro gebracht. In dem fünfmonatigen Prozess konnte kein Zeuge belegen, dass es diese tollen Koordinatenmessgeräte je gegeben hat.

Die Richter waren immer neuen Erklärungen des Angeklagten, er wurde „Super-Mario“ genannt, nachgegangen, die jedoch stets in Sackgassen führten. Zum Verhängnis wurde dem Betrüger, dass die Ermittlungen Aufzeichnungen gefunden hatten, die einen Teil der Vorwürfe belegten.

Die Hauptverhandlung über Super-Marios Posse war ein Highlight dieses Jahres. Betrugs-Prozesse haben ab und an einen hohen Unterhaltungswert. Manchmal liegt das daran, dass die Angeklagten selbst glauben, was sie sagen, oder dass sie so sehr von sich überzeugt sind.

Mongolische Heroin-Diplomaten

Kurios war auch die Hauptverhandlung gegen zwei hoch angebundene Drogenschmuggler. Die Männer aus dem diplomatischen Dienst der Mongolei, ein Vizekonsul und sein Chauffeur, waren im Mai 2019 bei der Einreise mit 70 Kilo Heroin im Kofferraum erwischt worden.

In ihrem Prozess, er begann Ende 2019, erzählte einer der Verteidiger von einer wilden Geheimdienst-Klamotte, die der Hintergrund dieser Drogenfahrt gewesen sei.

Der Vize-Konsul – ein Teil seines Handy-Passwortes lautete „007“, der Dienstnummer des britischen Spielfilm-Agenten James Bond – sei nämlich als hoher Geheimdienst-Offizier Schmugglernetzwerken auf die Spur gekommen, weshalb er dabei gewesen sei, in diese Kreise einzusickern.

Die deutschen Behörden hätten diese wichtige Fahrt niemals stoppen dürfen, kritisierten die Anwälte bis zuletzt. Doch die Behauptungen zum Hintergrund dieser Fahrt und den Gepflogenheiten im diplomatischen Dienst deckten sich nicht mit objektiven Beweisen. Beide Diplomaten erhielten jeweils elf Jahre Haft.

Beide Prozesse haben auch den ersten Lockdown im März/April im Dresdner Justizzentrum unbeschadet überdauert. Auch in der Justiz hat die Viruspandemie ihre Spuren hinterlassen.

Es gab und gibt Mitarbeiter mit Infektionen oder in Quarantäne. Viele arbeiten im Homeoffice. Hauptverhandlungen werden soweit möglich in größere Sitzungssäle verlegt, andere ganz abgesagt. Erst im November wurde eine konsequente Maskenpflicht eingeführt.

Auf den Hund gekommen

In einem Prozess gegen polnische Autodiebe ist es Gerichten zumindest in Dresden erstmals gelungen, dass der Bundesgerichtshof speziell ausgebildete Spürhunde, sogenannte Mantrailer, als einziges Beweismittel zugelassen hat.

Die Tiere hatten Monate nach der Tat belegt, dass ein Angeklagter am Tatort war. Mit den Supernasen der Polizei und ihren Hundeführern wird nun wohl öfter auch in Beweisaufnahmen von Diebesbanden zu rechnen sein.

Weniger Glück hatte die Justiz in einem anderen Prozess gegen mutmaßliche Autoschieber aus Polen. Erstmals stand eine ganze Bande aus Polen wegen des Verdachts des organisierten Autoklaus vor einem deutschen Gericht.

Einige der Verdächtigen waren im April 2018 bei einer Razzia polnischer und sächsischer Beamter im Raum Zgorzelec verhaftet und Beweise gesichert worden.

Doch der Prozess, der im Frühjahr 2019 begonnen hatte, musste nach eineinhalb Jahren im November aufgrund der schweren Erkrankung einer Schöffin ausgesetzt und auch die letzten beiden Angeklagten aus der Untersuchungshaft entlassen werden. Wann die Hauptverhandlung wieder aufgenommen wird, steht in den Sternen.

Schon vor dem Ausfall der Schöffin hatte es immer wieder Probleme in dem Verfahren gegeben. Zwei Angeklagte, die aus Polen zu ihrem Prozess anreisten, mussten etwa abgetrennt werden, weil ihnen nach Besuch ihrer Hauptverhandlung eine zweiwöchige Quarantäne gedroht hätte.

Schutzgelderpressung, Mord und Missbrauch

Aufwändig waren auch Prozesse gegen Schutzgelderpresser mit einem osteuropäischen, meist tschetschenischem Hintergrund. Die Männer haben gezielt Landsleute unter Druck gesetzt und bei ihnen abkassiert.

Der letzte Prozess endete im August nach fast drei Jahren und 152 Sitzungstagen. Einer der fünf Angeklagten erhielten knapp zehn, zwei weitere knapp neun Jahre Haft.

Zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe verurteilt wurde ein 56-Jähriger, der im Mai 2019 seine beiden Kinder ermordet hatte. Hintergrund war ein Trennungskonflikt und der soziale Abstieg des mehrfach vorbestraften Franzosen, der seit Anfang der 90er-Jahre in Dresden lebte und zuletzt auch als Drogenkurier aufgefallen war.

Spektakulär war auch der Prozess gegen einen Aikido-Trainer, der jahrelang an Schulen Kinder unterrichtet hatte – und einige von ihnen sexuell missbraucht hatte. Viele, darunter Freunde des Angeklagten aber auch Eltern Geschädigter, hatten die Taten bis zuletzt, bis zum Geständnis des Täters, nicht wahrhaben wollen.

Erst im Prozess war bekannt geworden, dass der Mann schon seit Jahrzehnten mit Kindern gearbeitet hatte, hochanerkannt war, aber über keinerlei Fachabschluss verfügte. Der 50-jährige Dresdner erhielt sechs Jahre und zwei Monate Haft.

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