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Hauptbahnhof Dresden: Der Empfangssaal der Stadt

Er ist ein Ort des Abschieds und des Wiedersehens – und die Dresdner sind stolz auf ihren Hauptbahnhof. Er zählt zu den schönsten Bahnhofsgebäuden Deutschlands. Vor 125 Jahren wurde er eröffnet.

Von Ralf Hübner
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Schiere Größe: Dresdens Hauptbahnhof am Wiener Platz um 1910 auf einer Postkarte.
Schiere Größe: Dresdens Hauptbahnhof am Wiener Platz um 1910 auf einer Postkarte. © Sammlung H. Naumann

Dresden. Der Dresdner Hauptbahnhof hat heute einen Dachschaden. Die Reparaturen an dem hochmodernen, textilen Membrandach werden sich voraussichtlich noch bis 2025 hinziehen. Als der Bahnhof vor 125 Jahren eröffnet wurde, hatte die Bauzeit für das gesamte Gebäude lediglich bei etwas mehr als fünf Jahren gelegen. Das war am 16. April 1898. Seither gibt es ihn, den Empfangssaal der Stadt.

Damals hatten sich zu nächtlicher Stunde etwa 2.000 Menschen im "Personen-Bahnhof Dresden-Altstadt" eingefunden, die den Wartesaal füllten und "in fröhlicher Stimmung dem Einpassieren des ersten Zuges entgegenharrten", wie die Dresdner Nachrichten berichteten. Gegen null Uhr sei die alte Empfangshalle an der Bismarckstraße geschlossen und damit begonnen worden, die nötigen Gleisanschlüsse herzustellen. Pünktlich 2 Uhr und 46 Minuten sei dann aus dem böhmischen Bodenbach kommend der erste Schnellzug auf den südlichen Hochgleisen in der Nordhalle eingefahren. Die Lokomotive war mit Girlanden und Kränzen geschmückt.

"Erheblicher Wirrwarr unter den Reisenden" wegen Größe des Bahnhofs

Der Zug sei "stürmisch mit Hochrufen von den Anwesenden empfangen" worden, hieß es in dem Bericht. Bei der Einfahrt seien auch zahlreiche Herren der Königlich-Sächsischen Generaldirektion zugegen gewesen. Bis zum Morgengrauen habe in den Wartesälen des Bahnhofes reger Verkehr geherrscht.

Und der scheint nicht immer ganz geordnet gewesen zu sein: Die schiere Größe des Bahnhofs machte den Dresdnern anfangs offenbar etwas zu schaffen. Mit einer Fläche von 32.700 Quadratmetern war ihr Bahnhof damals einer der größten Personenbahnhöfe im Reich. "Am ersten Tage der Benutzung des neuen Personen-Hauptbahnhofes ist es auf demselben infolge seiner gewaltigen Ausdehnung zu einem erheblichen Wirrwarr unter den Reisenden gekommen, sodass vielfach die Abgangszeiten der Züge versäumt wurden und andere Unzuträglichkeiten entstanden", berichteten die Dresdner Nachrichten. Schon im Juni 1895 war die Südhalle fertig geworden und in Betrieb gegangen.

Durch den Bau der Leipziger Eisenbahn (1839) sowie der Sächsisch-Schlesischen (1847) und der Sächsisch-Böhmischen Eisenbahn (1851) war Dresden zu einem wichtigen Eisenbahnknoten geworden. Dazu kamen die "Albertbahn" (1855) nach Tharandt, Chemnitz und Hof sowie die Berliner Bahn (1875). Dresden wuchs zur Großstadt heran. Die Zahl der Einwohner stieg von 1839 bis 1890 von 80.000 auf etwa 280.000. Nach dem Bau der Marienbrücke (1852) wurde damit begonnen, die Eisenbahnstrecken und Bahnhöfe miteinander zu verbinden.

Eklat überschattet Eröffnung des Bahnhofs

Doch erst nach 1888, als sämtliche ehemals privaten Eisenbahnunternehmen in staatliche Hand gelangt waren, konnte das Eisenbahnnetz in großem Stil geordnet werden. 1890 wurde damit begonnen, die vormals ebenerdigen Gleise der Eisenbahn auf einen Damm hochzulegen, um den Straßenverkehr nicht mehr zu behindern.

1892 wurde schließlich für den jetzigen Hauptbahnhof ein Architekturwettbewerb ausgeschrieben. 23 Büros beteiligten sich. Die Dresdner Bauräte Ernst Giese und Paul Weidner sowie der Leipziger Arwed Rossbach gewannen je einen ersten Preis. In das Gebäude aus Stahl, Glas und Sandstein flossen Elemente beider Entwürfe ein. Noch im selben Jahr wurde mit dem Bau begonnen. Die damit verbundenen großen Erdbewegungen übertrafen alles bis dahin in Dresden Gesehene.

Geplant war eine Kombination aus Kopf- und Durchgangsbahnhof. Der Fahrgast sollte den Bahnhof über eine 25 Meter hohe Kuppelhalle betreten. Über dem Hauptportal thronte die Skulptur der Saxonia mit Herrscherstab und Schild, flankiert von Wissenschaft und Technik. Deckenmalereien, Wappen und Wandbilder bestimmten das Innere. Die imposante Mittelhalle mit einer Stützweite von 59 Metern gehörte zu den größten ihrer Art in Deutschland. Die Wartesäle der ersten und zweiten Klasse zierten große Wandbilder aus Porzellanfliesen.

Die Eröffnung des Bahnhofs 1898 war allerdings von einem Eklat überschattet. Denn bei der offiziellen Besichtigung durch König Albert und Gattin Carola einige Tage zuvor waren die Ratsmitglieder nicht eingeladen worden.

Bahnhof brannte im Zweiten Weltkrieg vollständig aus

Bis 1966 existierten Bahnsteigsperren, die Bahnsteige durften nur mit Fahrkarte oder Bahnsteigkarte betreten werden. Dafür aber gab es mehrere Bahnhofswirtschaften. Im Speisesaal "Pirna" wurden Mittags- und Abendkonzerte gegeben. An der nordöstlichen Seite des Wiener Platzes wurde der Königspavillon für hochherrschaftliche Fahrgäste errichtet. Er diente nach dem Ende der Monarchie als Fahrkartenausgabe und ab 1950 als Kino mit 180 Plätzen.

Die Baukosten lagen bei 18 Millionen Mark; das entspricht einem Gegenwert von etwa 320 Millionen Euro. Im Juli 1911 wurde die Station erstmals als "Dresden Hbf" bezeichnet, denn in der Stadt wurde lange gestritten, welches der Hauptbahnhof der Stadt sein sollte. So war überlegt worden, den Wettiner Bahnhof, den jetzigen Bahnhof Dresden-Mitte, zum Hauptbahnhof zu machen. Und noch in den 1930er-Jahren und auch nach Kriegsende gab es Überlegungen, Dresden-Mitte zu einem neuen Zentralbahnhof auszubauen, zumal der Hauptbahnhof immer wieder an Kapazitätsgrenzen stieß.

Bei der Zerstörung der Stadt im Zweiten Weltkrieg 1945 brannte der Bahnhof vollständig aus. In seinem Luftschutzkeller starben etwa 750 Menschen. Der Bahnhof wurde wieder aufgebaut und am 13. Mai 1950 wiedereröffnet. 1989 wurde hier Geschichte geschrieben, als in der Nacht vom 30. September auf den 1. Oktober sechs sogenannte Flüchtlingszüge von Prag über Dresden in den Westen fuhren. Von 2000 bis 2006 wurde der Bahnhof schließlich nach Plänen des britischen Stararchitekten Sir Norman Foster umgebaut.