"Wenn das so weitergeht, höre ich auf"

Dresden. Sie ist ein Neuling in der Politik, aber mit so einem rüden Umgangston, wie er teilweise im Stadtrat herrscht, hatte Manuela Graul nicht gerechnet, als sie 2019 begann. Sie ist für das Bündnis Freier Bürger in das Gremium gekommen und hat gleich zu Beginn für Furore gesorgt.
Nachdem sie zunächst mit den anderen beiden fraktionslosen Stadträten Max Aschenbach (Die Partei) und Martin Schulte-Wissermann (Piraten) für eine knappe Mehrheiten bei den Projekten von Grünen, Linken und SPD sorgte, sagte sie sich von den beiden anderen los und wechselte zur CDU-Fraktion.
Graul über Aschenbach: "Weit unter der Gürtellinie"
Seit diesem Zeitpunkt sei insbesondere Max Aschenbach immer wieder mit Redebeiträgen in Erscheinung getreten, die teilweise weit unter der Gürtellinie liegen, sagt Graul, deren Bündnis jetzt eine Initiative gestartet hat. In einer Pressemitteilung fordern sie alle Stadträte auf, schnellstens mit Beleidigungen und persönlichen Angriffen aufeinander zurückzustecken. Zahlreiche Themen würden durch die lähmende Arbeitsweise, hervorgerufen durch einige wenige Stadträte, auf der Strecke bleiben.
Gerade in dieser schwierigen Zeit mit Corona müsse sich der Stadtrat als Gremium seine Arbeitsfähigkeit erhalten. "Wir brauchen einen respektvolleren Umgang miteinander", heißt es in der Pressemitteilung weiter.
Persönliche Angriffe und Beleidigungen im Netz
Konkret angesprochen wird darin die Diskussion um einen Antrag, einen Corona- Ausschuss zu schaffen, in der es beleidigend geworden sei. "Das ist nur die Spitze des Eisberges" sagt Manuela Graul. "In den sozialen Netzwerken, aber auch auf direktem Weg per Email sind persönliche Angriffe, Verunglimpfungen und Beschimpfungen in einem unerträglichen Umfang angewachsen".
Deshalb erwarten die Freien Bürger vom Oberbürgermeister, dass er seiner Verantwortung bei der Sitzungsleitung gerecht wird und jedwede sachfremde, persönlich verletzende Redebeiträge konsequent unterbindet.
Graul persönlich geht noch weiter, denn sie leidet emotional unter der Situation. "Ich kämpfe für einen ordentlichen Umgangston. Aber wenn das so weitergeht wie bisher, höre ich auf", sagt sie.
Sie weiß, dass andere Frauen im Stadtrat ähnlich wie sie unter fehlendem Respekt beim Umgang miteinander leiden. Daraus könnte sich eine Gruppe entwickeln, die etwas dagegen unternimmt, hofft sie. "Ich verstehe auch nicht, warum die großen Fraktionen nicht einschreiten und das unterbinden."
Max Aschenbach war unter anderem mit Reaktionen auf einen Antrag der CDU zur Kompensationspflicht bei Stellplatzwegfall aufgefallen. Im Kern ging es darum, Parkplätze, die für den Ausbau von Radwegen wegfallen, möglichst im Umfeld zu ersetzen. Aschenbach hatte dazu einen Änderungsantrag eingebracht, in dem er die CDU beauftragen wollte, die "aus ihrer Heimat vertriebenen Autos bei sich zu Hause aufzunehmen" und wenn kein neuer Parkplatz geschaffen werden kann, die "Autofahrer abzuschieben".
Sexuelles Angebot an FDP-Zastrow: "Unwürdig"
Dann wurde es noch geschmackloser: Aschenbach hatte ein männliches Genital auf den Antrag gekritzelt und machte Holger Zastrow, dem Fraktionschef der FDP, ein explizites sexuelles Angebot.
Dieser empfand dieses Agieren als unwürdig. "Dadurch geht in Sachen Wahrung von Grenzen, Anstand und Ehre etwas verloren. Aber Herr Aschenbach kann mich nicht beleidigen", sagte er damals.
CDU-Fraktionschef Peter Krüger hatte sich beim OB über Aschenbach beschwert. Daraufhin wurden die Anträge aus dem System gelöscht.
Aschenbach macht sich auch darüber lustig
Die Reaktion von Stadtrat Max Aschenbach lässt nicht lange auf sich warten. "Dafür übernehme ich selbstverständlich die vollste Verantwortung."
Während 69 Stadträte der "sachlichen und respektvollen Debattenkultur" frönten, Oberbürgermeister Dirk Hilbert (FDP) "liebe- und würdevoll" durch Sitzungen leite, "lähme und verderbe" Aschenbach alles, sagt er in bekannt ironischem Ton.
Er würde ja im Durchschnitt nur fünf Minuten pro Stadtratssitzung reden. "Man kennt das ja: Ein fauler Apfel hält alle anderen von der Arbeit ab", so Aschenbach hämisch. Er stehe für "jedwede Bestrafung" zur Verfügung. "Muss aber warnen: Bislang hat bei mir nichts gefruchtet!"
Aschenbach sei als Vertreter der "wichtigsten neuen Turbopartei Die PARTEI" das "bedeutendste Vorbild" der Stadt und des Stadtrats. Deshalb schlägt er vor, alle seine Reden, Tweets und Posts dem Oberbürgermeister "zur Vorabkontrolle" vorzulegen. "Bei strittigen Formulierungen und politischen Positionen sollte der Stadtrat abstimmen."