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Wo landet das Holz aus der Dresdner Heide?

Erst musste aufgrund der Trockenheit und wegen des Borkenkäfers zu viel Holz eingeschlagen werden, jetzt fehlt es. Heiko Müller von Sachsenforst erklärt, warum.

Von Kay Haufe
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Heiko Müller von Sachsenforst sitzt auf Kiefernstammholz für ein familiengeführtes Sägewerk in Ostsachsen. Daraus werden Bretter und Balken für private Bauvorhaben. Die Kiefern waren knapp 100 Jahre alt.
Heiko Müller von Sachsenforst sitzt auf Kiefernstammholz für ein familiengeführtes Sägewerk in Ostsachsen. Daraus werden Bretter und Balken für private Bauvorhaben. Die Kiefern waren knapp 100 Jahre alt. © Marion Doering

Dresden. Kaum jemand versteht es: Zimmerleute, Dachdecker und Handwerksbetriebe haben in Sachsen und ganz Deutschland große Probleme, sich mit Holz zu versorgen. Und das, obwohl in Deutschland in den vergangenen beiden Jahren Holz in bisher unerreichtem Ausmaß eingeschlagen wurde, rund 80 Millionen Kubikmeter allein 2020.

In der Dresdner Heide waren es in den vergangenen zwei Jahren rund 110.000 Kubikmeter. Das meiste davon Fichte, die das gebräuchlichste Bauholz darstellt. Doch wo ist dieses Holz geblieben? Schon im vergangenen Jahr wurden die Regale im Bauholzhandel immer leerer. Heiko Müller, Leiter Staatsforstbetrieb bei Sachsenforst und für die Dresdner Heide zuständig, erklärt die Hintergründe.

Herr Müller, wer verarbeitet das Dresdner Holz?

Der weitaus überwiegende Teil geht heute an die Holzgroßindustrie. Diese Säge- und Spanplattenwerke verarbeiten an einem Produktionsort in der Regel zwischen einer und 1,3 Millionen Kubikmeter Rundholz. Besitzer sind international agierende österreichische Konzerne wie Schweighofer, Binder oder Kronospan. Letztere Firma hat ein Werk in Lampertswalde im Landkreis Meißen, Schweighofer übernahm das Werk in Kodersdorf bei Görlitz , Binder besitzt ein Holzwerk in Baruth in Brandenburg.

Das klingt nicht nach langen Transportwegen.

Doch, das sind lange Wege. Nicht selten fahren Lkw mit nur 25 Kubikmetern Ladung 150 Kilometer vom Wald bis ins Werk. Ein großer logistischer Aufwand, aber nur der Beginn der Reise des Holzes. Oft fahren die Lkw der Werke aneinander vorbei. Man kauft sich das Holz gern mal vor der Haustür weg. Der billige Lkw-Verkehr in Deutschland zu Lasten der Umwelt und der Steuerzahler, die den Fernverkehr auf den Autobahnen finanzieren, macht es möglich. Zudem sitzen heute auf den meisten Lkw osteuropäische Fahrer, jeder kann sich denken, warum.

In diesen Großsägewerken läuft das Holz mit einer Geschwindigkeit von bis zu fünf Metern pro Sekunde durch die sogenannten Zerspaner, wird getrocknet und für den Verkauf vorbereitet. Wer jetzt denkt, das geht alles in den Baumarkt oder den Holzhandel für die Handwerker, der irrt. Der weitaus überwiegende Teil landet auf großen Containerschiffen, die es in die USA und China transportieren. Diese Märkte bieten aufgrund sehr hoher Bauholzpreise derzeit traumhafte Gewinne für die Großsägewerke.

Warum verkauft Sachsenforst sein Holz dann nicht an kleinere Sägewerke in der Region? Und gibt es die überhaupt noch?

Im Bereich meines Forstbezirkes gibt es rund 15 kleine und mittlere Sägewerke zwischen Chemnitz, der polnischen Grenze und im südlichen Brandenburg. Dazu kommen noch einige Holzhandwerker, Zimmereien und Tischler, die bei uns Rundholz im Wald kaufen, das sind jedoch eher Ausnahmen. Die werden natürlich mit Holz von Sachsenforst versorgt.

Forstverwaltungen und private Forstunternehmen waren in den vergangenen zwei Jahren allerdings darauf angewiesen, große Mengen schnell aus dem Wald zu bekommen und absetzen zu können. Deshalb ging auch unser Holz in großen Teilen an die obengenannten Werke. Für kleinere Holzverarbeiter ist es schwer, im Wettbewerb mit dem Holzhandel zu bestehen, denn sie können nicht so viel abnehmen. Die großen Unternehmen haben im Gegenzug die Preise für Holz enorm gedrückt, weil sie schnell erkannt haben, wie abhängig die Forstbranche aufgrund der Situation war. Obwohl die Holzpreise weltweit steigen, profitieren die Waldbesitzer bisher davon kaum.

Was kostet Holz heute und was bekommt der Waldbesitzer davon?

Der Kubikmeter Schnittholz verkauft sich zurzeit für zwischen 500 und 750 Euro, je nach Qualität und Produkt. Die Waldbesitzer haben für das Borkenkäferholz im vergangenen Jahr oft nur zwischen 25 und 35 Euro pro Kubikmeter erhalten. Davon gingen noch 20 bis 25 Euro für den Holzeinschlag ab. Das heißt, Holz, was oft 100 Jahre und länger gewachsen ist, hat unter dem Strich nur eine Handvoll Euro für den Waldbesitzer eingebracht. Das Geld für minderwertiges Industrieholz hat oft nicht mal für den Einschlagpreis gereicht. Zum Verständnis: In einem Kubikmeter Sägeholz stecken etwa zwei Kubikmeter Rundholz aus dem Wald. Die anderen 50 Prozent sind Restholz und Sägewerksnebenprodukte.

Angesichts des bestehenden Holzmangels und steigender Preise sollten hiesige Bauunternehmen aber daran interessiert sein, Holz aus der Heide zu bekommen. Bemerken Sie eine Trendwende?

Tatsächlich erhalte ich inzwischen fast täglich Anrufe von Zimmereien und Sägewerken, die besorgt sind, weil es kein Holz mehr gibt. Doch wir haben Holz für sie, die Betriebe müssen nur künftig besser zusammenarbeiten. Wenn es die Coronalage wieder zulässt, möchte ich die Firmen in der Bühlauer Forstbaumschule zusammenführen, damit sie sich kennenlernen und langfristige regionale Geschäftsbeziehungen aufbauen können. Das heißt auch, faire Preise untereinander zu zahlen.

Wir haben als Forstverwaltung die kleinen Sägewerke immer unterstützt. Das sind oft Familienbetriebe, die man schon fast bewundern muss, wenn sie sich zwischen den Großbetrieben und dem Holzhandel über die lange Zeit behauptet haben. Viele von ihnen kennen finanzielle Sorgen. Die Gewinne waren oft nur wenige Euro am Kubikmeter und wenn eine teure Maschine kaputt geht, wird es eng. Diese Betriebe sind es aber, die dem Forstbezirk besonders am Herzen liegen. Man kennt alle seit Jahren persönlich und teilt am Telefon auch mal die Sorgen und Nöte des anderen.

Wie können Sie diese kleinen Betriebe unterstützen?

Sie können sicher sein, dass sie ihr Holz auch sehr kurzfristig erhalten, wenn es gebraucht wird. Es ist nicht selten, dass von der Fällung des Baumes bis zur Abholung nur ein bis zwei Tage vergehen. Dabei helfen unsere Lehrlinge, Waldarbeiter, eigene Rücketechnik und verlässliche Unternehmer, die seit vielen Jahren zuverlässig bei uns Holz einschlagen.

Insgesamt hoffe ich darauf, dass es ein generelles Umdenken geben könnte. Dass man als Bauherr stolz ist, einen Dachstuhl zu bekommen, dessen Holz aus der Dresdner Heide stammt und nicht weit transportiert wurde. Und dass Kommunen erkennen, dass man gut und nachhaltig mit Holz bauen kann, auch Schulen, Kindergärten und Wohnraum. Die neue Lingnerstadt soll ja in Holzhybridbauweise entstehen, das gefällt mir.

Holz ist eine der wertvollsten Ressourcen, die unser rohstoffarmes Deutschland besitzt, noch dazu eine der wenigen, die stetig nachwächst, wenn wir sorgsam mit dem Wald umgehen. Die Waldwirtschaft in Sachsen war vor gut 300 Jahren bekanntlich der Ursprung des Nachhaltigkeitsprinzips.

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