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Dresdner Messechef: "Das hat uns rund eine Million Euro Regress gekostet"

Nach 15 Jahren als Messechef geht Ulrich Finger im Sommer in den Ruhestand. Wie sich die Messe - auch in Zeiten von Corona und als Flüchtlingsunterkunft - entwickelt hat.

Von Dirk Hein
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Dresdens Messechef Ulrich Finger geht bald in den Ruhestand.
Dresdens Messechef Ulrich Finger geht bald in den Ruhestand. © Archiv/Sven Ellger

Dresden. Eigentlich war er nur als kurzfristige Vertretung geplant, als Ulrich Finger den Posten des Dresdner Messechefs übernahm. Das ist nun bald 15 Jahre her und Finger ist immer noch da. Vor seinem Abschied erklärt Finger im Interview mit Sächsische.de, was er aufgebaut hat, wo es Probleme gab und weshalb die Messe eine Million Euro für abgesagte Konzerte zahlen muss.

Herr Finger, wenn Sie im Juni 2023 die Dresdner Messe nach 15 Jahren als Messe-Chef verlassen, was nehmen Sie mit?

Ich bin in die Messe gekommen als kurze Vertretung und bin am Ende so lange geblieben wie meine vier Vorgänger zusammen. Als ich kam, gab es nur vier Hallen und den Erlwein-Saal. Und jetzt sind wir ein Veranstaltungszentrum mit der Börse, dem Saal Hamburg und dem Eselstall als Event-Ort. Viele der Räume waren damals nur Lagerfläche oder haben noch gar nicht existiert. Die Entwicklung der Messe Dresden hin zu einem in der Stadt akzeptierten Ort, das nehme ich für mich mit.

Warum war diese Entwicklung so schwer?

2008 war die Messe gerade einmal acht Jahre im Ostragehege. Der Weggang vom Straßburger Platz hierher war für VW und die Gläserne Manufaktur ganz wichtig, doch die Messe hatte mit dem ruinösen Umfeld denkbar schwierige Startbedingungen. Für die Dresdner war das Schlachthofgelände weit weg. Ich erinnere mich an Sprüche wie 'Ikea ist in der Stadt, die Messe ist weit draußen'. Das geändert zu haben, war ein ganz wichtiger Schritt.

Gab es die Gefahr, dass die Messe unter Ihnen als Chef doch noch scheitert, Ihre Vorgänger sollten ja den Verkauf managen und die Messe besenrein übergeben?

Der Verkaufsgedanke resultierte daraus, dass die Messe zwar noch nicht gescheitert war - aber sie war eben auch kein Vorzeigeobjekt. Jedes Jahr wurden wir als einer der Verlustbringer der Stadt in der Zeitung geführt – neben dem Kulturpalast. Wenn wir die Kurve nicht bekommen hätten, wäre es sicherlich schwer geworden. Es war wichtig, dass Kongress- und Veranstaltungsgeschäft anzukurbeln. Nur von Messen allein kann man heute nicht mehr leben, zumal seit 20 Jahren Verbrauchermessen sich dem Internet und den großen Einkaufzentren zu erwehren haben.

Eine Zeitlang waren Sie zwar Messechef, aber eben doch zweite Wahl, es wurden zweimal Nachfolger für Sie gesucht. War das eher Demütigung oder Ansporn?

Ich war eigentlich nur als Überbrückung gedacht. Das war nicht immer ganz einfach. Allerdings war klar, dass ich nur einige Monate aushelfen sollte. Ich habe aber schnell erkannt, dass das genau mein Ding war. Auf die erste Ausschreibung als Messechef habe ich mich dann beworben. Den Zuschlag bekam allerdings ein Bewerber, der der Stadt von Visionen erzählt hat, die an der Realität der Messe Dresden vorbeigingen.

Nach dessen Absage war ich ein weiters Jahr Messechef. Dann wollte die damalige Oberbürgermeisterin Helma Orosz den früheren OB von Riesa und ehemaligen Olympia-Staatssekretär Wolfram Köhler als Eventmanager holen. Ich hatte mir vorgestellt, mit Wolfram Köhler zusammenzuarbeiten. Wir haben aber nie eine wirklich gemeinsame Basis gefunden. Wolfram Köhler hatte dann auch abgesagt und danach hieß es, "...dann macht es eben der Finger weiter!'.

Was waren Ihre größten Erfolge und Konzert-Highlights?

Für mich persönlich war Eric Clapton gemeinsam mit Jan Vogler ein absolutes Highlight. Depeche Mode trat zweimal in der Halle auf. Deep Purple war für mich in meiner Jugendzeit eine herausragende Band – toll, dass ich sie hier erleben durfte. Auch Helene Fischer, Status Quo, Peter Maffay, Reinhard Mai, ACDC, Herbert Grönemeyer, Bon Jovi, Roland Kaiser und viele andere mehr gaben große Konzerte in der Messe und in der Rinne.

Wir hatten das Glück, dass während des Umbaus des Kulturpalastes eine Vielzahl von Konzerten in die Messe ausgelagert wurden. Gleichzeitig wurde mit großem Aufwand die Akustik der Halle 1 grundlegend verbessert. Das hat uns bei der Akzeptanz sehr geholfen. Damit konnten und können wir tolle Konzerte veranstalten.

Und Rammstein … hatten Sie da nicht Angst, dass die Ihnen etwas abfackeln?

Da kann man sich auf die Professionalität von Band und Management verlassen und schließlich sind wir gut versichert. Rammstein und deren Feuershow war schon ein besonderes Erlebnis. Die Sprinkleranlage haben wir außer Betrieb genommen und das komplette Wasser abgelassen. An jeder Ecke stand die Feuerwehr. Es war auch logistisch eine Herausforderung. Rammstein hat 44 Tonnen Last für deren Bühnenshow in die Decke gehängt. Das mussten wir erst einmal umsetzen. Ich war schon erstaunt, dass Helene Fischer mit 48 Tonnen Deckenlast das noch getoppt hat. Da gibt es keinen Unterschied hinsichtlich Aufwand und Professionalität. Sie waren beide beeindruckend.

15 Jahre waren Sie Chef der Messe. Wo steht die Dresdner Messe in 15 Jahren, wie finden dann Messen statt?

Ich denke, dass es immer noch Besuchermessen vor Ort geben wird. Die Themen 'Schmecken, Riechen und Anfassen' spielen eine wichtige Rolle. Es wird generell aber immer mehr in Richtung Erlebnis gehen. Am Beispiel der Dresdner Ostern ist der Eventwert ganz besonders in der Orchideenhalle zu erleben. Trotzdem müssen wir immer wieder neue Ideen erarbeiten und umsetzen. Das, was früher am Straßburger Platz noch ohne Konkurrenz von Internet und großen Einkaufszentren funktioniert hat, funktioniert schon lange nicht mehr. Der Druck auf die Messen wird weiterwachsen.

Es gab zwei große Einschnitte in den letzten Jahren: Während der Corona-Pandemie wurde die Messe zum wichtigsten Impfzentrum der Stadt, während der Ukraine-Krise zur Notunterkunft für Geflüchtete. Was hat die Messe mehr geprägt?

Beides waren schwierige Zeiten. Vor allem in der Zeit von Corona hat vielen die Motivation und der Glaube gefehlt, dass wir relativ schnell wieder zu normalen Verhältnissen zurückkehren können. Wir haben Verträge verschoben, ein weiteres Mal verschoben und dann oft auch Absagen bekommen. Es war nicht sehr motivierend, zwei Jahre mehr oder weniger für den Papierkorb zu arbeiten. Wirtschaftlich haben wir das leidlich gut überstanden. Es gab staatliche Hilfen. Aber es ist letztlich nicht unser Job, für den wir angetreten sind.

Finanziell haben sie die Krise abgewehrt?

Es gab keine nennenswerten Einbußen. Wir hatten das Glück, dass wir unser gesamtes Gelände sieben Tage in der Woche vermieten konnten. Mit Impfzentrum und Flüchtlingsunterkunft können wir eine positive Bilanz aufweisen und trotz Abschreibungen zum ersten Mal einen kleinen Gewinn erzielen.

Dennoch fielen vor allem in der Corona-Pandemie reichlich Konzerte aus. Wie sind die Künstler und die Messe damit umgegangen?

Sehr unterschiedlich. Es gab Künstler die gesagt haben: 'Kein Problem, dann trete ich eben nicht auf.' Andere haben ihren Auftritt immer wieder verschoben bis sie irgendwann auf der Bühne standen. Wieder andere sind zum Beispiel ins Stadion ausgewichen. Da wurden für uns Kosten für den Wechsel fällig. Und es gab Künstler, die den Spielort komplett abgesagt haben. Das heißt, wir wurden in Regress genommen. Insgesamt hat uns dies rund eine Million Euro an Regresskosten gekostet. Diese Forderungen haben wir aus den Mieteinnahmen selbst getragen.

Am 26. Januar wird aller Voraussicht Ihr Nachfolger vom Stadtrat gewählt. Was geben Sie dem mit auf den Weg?

Ich gehe mit einem guten Gewissen, trotzdem gibt es in der Messe noch viel zu tun.

Der Erlweinturm, früher auch als Schweinedom bekannt, wird Ende des Jahres in einem ersten provisorischen Zwischenschritt teilweise nutzbar. Später wird er eine Erweiterung für die Messe werden. Es entsteht ein kleines Tagungszentrum. Der Bedarf für Tagungen bis 1.000 Teilnehmer ist in Dresden sehr hoch. Mit dem ausgebauten Erlweinturm können wir dann ein entsprechendes Angebot unterbreiten.

Wir haben die Corona-Zeit genutzt, um z. B. den Breitbandausbau abzuschließen und damit die Voraussetzungen für die kommenden Anforderungen der Digitalisierung geschaffen. Das hat eine halbe Million Euro gekostet, uns aber den absoluten Top-Standard gebracht.

Besonders stolz bin ich, dass wir es geschafft haben, ohne Zuschuss der Stadt auszukommen. Da gibt es in Deutschland nur ganz wenige Messen, die das vorweisen können.

Und ansonsten gebe ich meinem Nachfolger eine gut aufgestellte Messe Dresden mit einem tollen Team und großem Potenzial mit auf den Weg, auf dem ich ihm ganz viel Erfolg wünsche.