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Dresdner Musikfestspiele: Ein Fest der glanzvollen Musik

Die Dresdner Musikfestspiele sind alljährlich ein Höhepunkt im Kulturkalender der Stadt. Dabei gibt es das Festival erst seit 45 Jahren.

Von Ralf Hübner
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Zur Eröffnung der 1. Musikfestspiele am 20. Mai 1978 gab es eine Festveranstaltung im Plenarsaal des Dresdner Rathauses. Musikalisch umrahmte die Veranstaltung der Dresdner Kreuzchor unter der Leitung von Martin Flämig.
Zur Eröffnung der 1. Musikfestspiele am 20. Mai 1978 gab es eine Festveranstaltung im Plenarsaal des Dresdner Rathauses. Musikalisch umrahmte die Veranstaltung der Dresdner Kreuzchor unter der Leitung von Martin Flämig. © Foto: Erwin Döring

Dresden. An den 32 Festivaltagen der diesjährigen 46. Musikfestspiele stehen 64 Konzerte auf dem Programm. Seit 1978 gehen alljährlich im Mai und Juni diese Festspiele über die Dresdner Bühnen. Dabei kommen nicht mehr nur Klassikliebhaber auf ihre Kosten. Am 6. Juni 1978 fanden die ersten Dresdner Musikfestspiele statt. Das war vor 45 Jahren.

"Über 100.000 beim glanzvollen Fest der Musik", titelte die Sächsische Zeitung zum Abschluss der ersten Musikfestspiele. "Durch Mitwirkung von Ensembles und Solisten von Weltgeltung, durch die begeisterte Anteilnahme der Werktätigen hat dieses sozialistische Musikfest eine Resonanz erfahren, die weit über die Grenzen unseres Staates hinaus wirkt", zitierte das Blatt die Einschätzung von SED-Bezirkschef Hans Modrow zum Abschluss. Es sei gelungen, die großen künstlerischen Traditionen Dresdens aufzugreifen und fortzuführen.

Berliner Philharmoniker spielen trotz Senats-Ablehnung

Auf dem Programm der 16 Tage standen 28 Opernabende, 18 Operetten- und Musikveranstaltungen, neun Ballettvorstellungen, drei große Opernkonzerte und neun Filmveranstaltungen mit 3.400 Mitwirkenden aus 18 Ländern. Die Staatsoper glänzte mit Wagners "Tristan und Isolde" sowie Mozarts "Entführung aus dem Serail", für die Marek Janowski und Herbert Blomstedt die musikalische Leitung übernommen hatten. Nach der festlichen Eröffnung im Rathaus stand am Abend des 20. Mai 1978 die Neuinszenierung von Claude Debussys "Pelleas und Melisande" unter der Regie von Harry Kupfer auf dem Programm.

Der absolute Höhepunkt der ersten Musikfestspiele aber war das Gastspiel der Berliner Philharmoniker unter Herbert von Karajan, die im Kulturpalast mit Beethovens 4. Sinfonie sowie Richard Strauss‘ Sinfonischer Dichtung "Ein Heldenleben" aufwarteten. Das Publikum applaudierte mehr als 20 Minuten. "Umjubelte Philharmoniker unter Karajan", schrieb die Sächsische Zeitung. Das Ensemble reagiere auf jede Bewegung Karajans, jede Geste, und sei es nur die des kleinen Fingers, schilderte der Musikkritiker begeistert. "Das zu hören und zu erleben, war atemberaubend."

Vor dem Konzert der Philharmoniker waren jedoch diffizile diplomatische Fragen zu klären, wie sich der Gründungsintendant der Musikfestspiele, Winfried Höntsch, sich später erinnerte. "Nach der Berlin-Ideologie der DDR war es nicht opportun, dass ein so berühmtes Orchester mit einem noch berühmteren Dirigenten in einer Bezirksstadt konzertierte, bevor dies in der Hauptstadt geschehen war. Der Westberliner Senat wiederum befürwortete ein Gastspiel seines Prestigeorchesters – aber nicht in Ostberlin." Er hatte das Gastspiel auch zum größten Teil bezahlt.

Die Musikfestspiele gingen auf einen Beschluss der Partei- und Staatsführung der DDR von 1976 zurück. Demnach sollten ab 1978 in Dresden jährlich "Musikfestspiele internationalen Ranges" stattfinden. Höntsch zufolge soll es aber auch Zweifel gegeben haben, ob ein solches Vorhaben noch vor der Wiedereröffnung der damals noch zerstörten Semperoper sinnvoll oder überhaupt zu verwirklichen war.

Weltrang-Orchester aus Mailand und New York in Dresden

Und tatsächlich litten die ersten Festspiele unter Raummangel. Zudem war die Konkurrenz groß: Es gab die "Berliner Festtage", die "DDR-Musiktage", die "Händel-Festspiele" in Halle sowie Johann Sebastian Bach, Robert Schumann und Georg Philipp Telemann gewidmete Festivals in Leipzig, Zwickau und Magdeburg.

Vergleiche, etwa mit Salzburg, seien laut Höntsch als "naive Fantasien" abgetan worden. Deshalb sollten die Musikfestspiele ein eigenes Profil entwickeln und an die 300 Jahre alte Dresdner Musiktradition anknüpfen, beginnend mit den Hoffesten des 15. Jahrhunderts. Für die Dresdner Musik stehen Namen wie zum Beispiel Heinrich Schütz, Johann Adolf Hasse, Johann Gottlieb Naumann, Richard Wagner oder Richard Strauss.

Trotz chronisch knapper Devisen gelang es den Veranstaltern, die Musikfestspiele international zu etablieren. Die Liste der Weltstars, die bei den Musikfesten nach Dresden kamen, ist lang und reicht von Marilyn Horne, René Kollo, Barbara Hendricks bis zu Dietrich Fischer-Dieskau und Anne-Sophie Mutter. Vielen Künstlern ging es auch darum, einmal in Dresden auftreten oder gemeinsam mit der Staatskapelle zu musizieren. Nach den Berliner Philharmonikern kamen in folgenden Jahren weitere große Orchester von Weltrang nach Dresden wie etwa die Mailänder Scala mit Claudio Abbado 1981, das New York Philharmonic Orchestra mit Zubin Mehta 1985 oder die Wiener Philharmoniker im Jahr 1994.

Programmatisch waren die Musikfestspiele bis 1989 mehr nach Osteuropa ausgerichtet, erinnerte sich Höntsch. Anfang der 1990er-Jahre orientierten sie sich gesamteuropäisch. Neben Orchester-, Kammermusik- und Solokonzerten wurde auch Alte Musik, Neue Musik, Weltmusik, Jazz und Tanz geboten. 150.000 Besucher waren 2003 der Rekord. Dennoch entgingen die Musikfestspiele wenig später nur knapp dem Rotstift. Die Stadt hatte kurzzeitig überlegt, sie einzusparen.