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Dresdner Politiker: Rewe, Edeka und Co. schießen gegen Globus, expandieren aber massiv in Dresden

Der Lebensmitteleinzelhandel hat in Dresden über 200.000 Quadratmeter Verkaufsfläche. Trotzdem habe Globus ein Recht zu kommen, meint Linken-Stadtrat Tilo Wirtz.

Von Kay Haufe
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Erst seit wenigen Monaten geöffnet: der neue Rewe am Fritz-Förster-Platz. Er ist einer von zahlreichen Märkten, die der Konzern in Dresden in den vergangenen Jahren eröffnet hat.
Erst seit wenigen Monaten geöffnet: der neue Rewe am Fritz-Förster-Platz. Er ist einer von zahlreichen Märkten, die der Konzern in Dresden in den vergangenen Jahren eröffnet hat. © Sven Ellger

Dresden. Tilo Wirtz hat die Zahlen jetzt schwarz auf weiß. Das, was er lange vermutet hatte, kann er dank der Informationen aus der Einzelhandelsdatenbank des Amtes für Stadtplanung und Mobilität belegen: "Die vier großen Player im Lebensmitteleinzelhandel schießen teils gegen die Globus-Ansiedlung, expandieren in Dresden aber seit Jahren selbst kräftig", sagt der Linken-Stadtrat.

Der Anbieter mit der größten Fläche ist Kaufland mit 42.000 Quadratmetern Verkaufsfläche, dicht gefolgt von Netto mit 39.100 Quadratmetern. Zur Wahrheit gehört aber, dass Netto zum Edeka-Konzern gehört und dieser noch einmal 27.000 Quadratmeter in den verschiedenen Märkten der Stadt betreibt. In Summe ist Edeka mit 66.100 Quadratmetern der Platzhirsch im Dresdner Lebensmittelhandel. Ganz dicht gefolgt von der Schwarz Gruppe, zu der neben Kaufland auch Lidl gehört, der noch einmal 22.400 Quadratmeter Fläche in Dresden mitbringt. Zusammen haben sie 64.400 Quadratmeter.

Diese Aufzählung wäre unvollständig, wenn nicht auch Rewe benannt würde. Der zweitgrößte Lebensmitteleinzelhändler Deutschlands betreibt in der Stadt zahlreiche Märkte mit insgesamt 26.700 Quadratmetern Verkaufsfläche, noch etwas größer mit 26.900 Quadratmetern ist der Konsum. Da scheint Aldi mit 20.000 Quadratmeter fast abgeschlagen. Insgesamt haben die Lebensmittelanbieter 214.200 Quadratmeter Verkaufsfläche in Dresden.

"Ich habe ein Fairness-Problem"

Stadtrat Wirtz findet es angesichts der Größe von Globus, der auf dem geplanten Gebiet in der Friedrichstadt maximal 8.800 Quadratmeter Verkaufsfläche haben wird, scheinheilig, dass einige aus der Konkurrenz mit Anzeigen und Kampagnen die Globus-Ansiedlung verhindern wollen. "Alle diese Konzerne sind in den vergangenen Jahren massiv in Dresden gewachsen, haben über die Stadt verteilt Märkte eröffnet, die im Bauausschuss oft ohne Diskussion durchgewinkt wurden", sagt er. "Ich muss mich als Linker nicht für Globus verkämpfen, aber ich habe ein Fairness-Problem."

Größter Expandeur in Dresden ist Rewe, dessen Fläche von 2007 zu 2022 um 331 Prozent angewachsen ist. Erst im November des Vorjahres wurde ein neuer Markt am Fritz-Löffler-Platz eröffnet. Auch Edeka-Händler siedeln sich weiter in der Stadt an, zuletzt das Ehepaar Peltzer mit einem neuen Markt im Oktober 2022 an der Dohnaer Straße. Immerhin um 101 Prozent ist die Edeka-Verkaufsfläche angewachsen. Schon drei Monate vorher öffnete der neugebaute Edeka an der Holbeinstraße, dessen Fläche von rund 900 auf 2.600 Quadratmeter und zwei Geschosse anwuchs, ohne eine Bauleitplanung wie Wirtz sagt. "Wenn Rewe und Edeka, warum dann nicht auch Globus?", fragt er.

Tilo Wirtz (Die Linke) findet es scheinheilig, dass gegen Globus geschossen wird, obwohl die meisten Lebensmittelkonzerne selbst in Dresden expandiert haben.
Tilo Wirtz (Die Linke) findet es scheinheilig, dass gegen Globus geschossen wird, obwohl die meisten Lebensmittelkonzerne selbst in Dresden expandiert haben. © Sven Ellger

Die weitere Ansiedlung von Lebensmittelmärkten in Dresden ist erstaunlich angesichts der 1,7 Quadratmeter Handelsfläche, die auf jeden Einwohner der Stadt bereits kommen, die meisten davon im Lebensmittelbereich. Damit haben die Dresdner mehr als die Kölner, Hamburger, Berliner und Leipziger. Dennoch schätzt die Stadtverwaltung die Nahversorgung in einigen Wohngebieten als schlecht ein.

Betroffen sind vor allem die Stadtränder wie in den westlichen Ortschaften Mobschatz, Cossebaude und Oberwartha. Anwohner haben dort einen Fußweg von über 800 Metern zum nächsten Lebensmittelmarkt. Viele weiße Flecken gibt es auch in Loschwitz/Wachwitz, Gönnsdorf/Pappritz und Bühlau/Weißer Hirsch sowie in Teilen vom Schönfelder Hochland. Genau in diesen Bereichen aber stehen demnächst keine Ansiedlungen bevor.

Stattdessen möchte Globus seine Markthalle nahe dem Stadtzentrum bauen. Zunächst war das eigene Grundstück am Alten Leipziger Bahnhof dafür vorgesehen, wo aber nach Wunsch des Stadtrates Wohnungen und Platz für Kreative und zur Erinnerung entstehen sollen. Deshalb hat die Stadt ein Alternativgrundstück zwischen Hamburger und Bremer Straße gefunden, für das jetzt ein Bebauungsplan erstellt wird.

Globus nach Heidenau?

Das sei aber genau der falsche Platz, sagt Rewe-Händler Stefan Lamke, der zwei Märkte auf der Schweriner und der Friedrichstraße betreibt. Beide haben Größen zwischen 1.200 und 1.400 Quadratmeter und seien klassische Nahversorger. "Ich sperre mich absolut nicht gegen Globus, es ist ein Marktteilnehmer, dessen Konzept Leute begeistert", sagt der Kaufmann. Aber an der Stelle und der Dimension schade Globus in Dresden. Es gäbe aber durch den erneuten Verkauf von Real in Heidenau eine bestehende Fläche, die perfekt für Globus wäre, sagt Lamke.

Auch Christian Polkow, Centermanager der Altmarkt-Galerie und Vorstand im City Management Dresden äußert sich zur Globus-Ansiedlung. "Die Befürchtungen vieler Dresdner Innenstadthändler haben nichts mit der Firma Globus zu tun, sondern mit der Tatsache, dass rund 10.000 Quadratmeter zusätzliche Verkaufsfläche mit mindestens einem Drittel innenstadtrelevanter Sortimente vor den Toren der Innenstadt negative Auswirkungen haben werden." Das würde bei jedem anderen Marktteilnehmer, der Ähnliches vorhätte, genauso kritisch gesehen werden. "Das Thema wäre unkritisch, wenn die Planung eines Globus-SB-Warenhauses an einem bestehenden, bereits etablierten Handelsstandort mit einer ähnlichen Größe in Dresden oder an den Stadtgrenzen im Umland als Übernahme umgesetzt werden würde."

Tilo Wirtz zweifelt indes, ob ein einzelner Globus-Markt mit 8.800 Quadratmetern an einem Punkt der Stadt proportional so viel Kaufkraft bindet, wie viele kleinere, aber auch großflächige Märkte. Die großen Konzerne hätten von 2007 bis 2022 "fünfeinhalb Globusse" gebaut. Das hatte bereits negative Folgen für die Lokalmarke Konsum. Der hat im Betrachtungszeitraum bereits 20 Prozent Verkaufsfläche abgegeben. (mit SZ/sr)