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Finte der Dealer-Kumpel geht daneben

In einem bemerkenswerten Drogenprozess haben nun die Plädoyers begonnen. Der Staatsanwalt fordert lange Haft und Sicherungsverwahrung.

Von Alexander Schneider
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Andre G. muss sich seit Februar wegen Handels mit Crystal vor dem Landgericht Dresden verantworten. Nun hat sein Kumpel versucht, ihn zu entlasten.
Andre G. muss sich seit Februar wegen Handels mit Crystal vor dem Landgericht Dresden verantworten. Nun hat sein Kumpel versucht, ihn zu entlasten. © Sven Ellger

Dresden. Nach mehr als 30 Verhandlungstagen in einem teilweise kuriosen Prozess um den Handel mit Crystal am Landgericht Dresden hat Staatsanwalt Till von Borries nun das erste Plädoyer gehalten. Er hat keine Zweifel, dass der Angeklagte Andre G. der Mann ist, der sich von Dresden aus von verschiedenen Kurieren beliefern ließ.

Aufgrund seiner bemerkenswerten Vorstrafen droht dem 47-jährigen G. nicht nur eine lange Haftstrafe für die aktuellen Taten. Auf ihn kommt auch der Widerruf zur Bewährung ausgesetzter früherer Haftstrafen dazu – und anschließend eine Sicherungsverwahrung, weil von dem Mann auch nach Verbüßung eine erhebliche Gefahr ausgeht. 

G. ist Deutscher, stammt aus der ehemaligen Sowjetunion. 1996 hatte er in Pieschen zwei Prostituierte und ihren Zuhälter erschossen und war dafür am Landgericht Dresden wegen Mordes in drei Fällen zu einer lebenslänglichen Freiheitsstrafe verurteilt worden. Darin enthalten ist eine frühere Verurteilung von viereinhalb Jahren Haft aus dem Jahr 1997 wegen weiterer Gewalttaten. Ende 2013 kam er auf Bewährung aus dem Gefängnis – handelte mit Crystal und erhielt am Landgericht Görlitz 2015 weitere zwei Jahre und neun Monate.

"Russe", "Onkel", "Dreifachmörder"

Die aktuellen sieben Crystal-Lieferungen aus Tschechien und Polen fanden ab Mitte  2018 bis Anfang Januar 2019 statt – je 400 Gramm und zuletzt ein Kilogramm. Die Staatsanwaltschaft ist überzeugt, dass G. der Hintermann ist, weil er von Mittätern als „Dreifachmörder“, „Russe“, „Onkel“ beschrieben wurde, der Wohnungen in Görlitz und Dresden habe. „Das kann nur der Angeklagte sein“, sagte von Borries.

Kurier der letzten drei Beschaffungsfahrten aus Polen war der Dresdner Laurent F. (55) – ein gebürtiger Franzose, der im Mai 2019 seine beiden Kinder ermordet hat und dafür im Mai dieses Jahres ebenfalls zu einer lebenslänglichen Freiheitsstrafe verurteilt wurde. Der Mann wurde auf seiner Fahrt vom Zoll erwischt. F. und G. sind schon seit den 90er-Jahren befreundet, saßen teilweise zusammen im Knast.

G.s Verteidiger Carsten Brunzel hatte am Ende der Beweisaufnahme beantragt, weitere Zeugen zu vernehmen, die bestätigen könnten, nicht sein Mandant, sondern F. stecke hinter diesen Drogengeschäften. Tatsächlich vernahm das Gericht Zeugen, unter anderem einen Zellennachbarn von G., die Zweifel säten. Zuletzt vernahm das Gericht auch Laurent F. erneut.

Zweimal im Zeugenstand

Während F. bei seiner ersten Zeugenaussage im Frühjahr zum konkreten Vorwurf, für wen er das Kilo Crystal, das in seinem A-Klasse-Mercedes sichergestellt wurden war, aus Polen geholt hatte, geschwiegen hatte, sagte er nun, ein „Christopher Ivan“ sei derjenige, für den er das Crystal aus Polen eingeschmuggelt habe. Andre G. habe damit nichts zu tun. 

Der Staatsanwalt nannte das einen Versuch, den Angeklagten entlasten zu wollen. F. könne für die Drogengeschäfte nicht verurteilt werden. F.s Handlungen seien im Hinblick auf die Mord-Verurteilung eingestellt worden. Auch ein weiteres Urteil wegen Falschaussage müsse er angesichts seiner lebenslangen Haftstrafe nicht fürchten.

Es gebe jedoch keinerlei Hinweise in den umfangreichen Ermittlungen auf einen Ivan – stattdessen jedoch viele Indizien, die auf G. weisen. Telefon- und Fahrzeuginnenraum-Überwachungen, Geodaten und dergleichen mehr. Die Staatsanwaltschaft forderte für Andre G. eine Gesamtfreiheitsstrafe von acht Jahren – und die anschließende Sicherungsverwahrung.

Verteidiger Brunzel ist am Donnerstag, 8. Oktober, mit seinem Plädoyer an der Reihe. Möglicherweise wird der Anwalt jedoch zunächst weitere Beweisanträge stellen. Er hält eine Sicherungsverwahrung für übertrieben. Sein Mandant habe ohnehin schon eine sehr lange Freiheitsstrafe vor sich. Allein die widerrufenen Bewährungen könnten sich auf fünf Jahre belaufen. Der Prozess wird fortgesetzt. 

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