Dresden
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Die Wiedererstehung der Hauptstraße: Kleinode auf Dresdens schönstem Boulevard

Die Dresdner Hauptstraße ist ein Ort mit besonderem Flair. Das verdankt sie vor allem den restaurierten Bürgerhäusern. 1987 zog auch im neu erbauten nördlichen Teil der Straße Leben ein.

Von Ralf Hübner
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Dresdens zweiter Boulevard: Neustädter Markt mit Denkmal August des Starken und dem Blick in die Hauptstraße um 1910.
Dresdens zweiter Boulevard: Neustädter Markt mit Denkmal August des Starken und dem Blick in die Hauptstraße um 1910. © Sammlung H. Naumann

Dresden. Die Hauptstraße ist nach der Prager Straße so etwas wie der zweite Fußgängerboulevard der Stadt. Derzeit wird wieder vermehrt über ihn diskutiert. Der Handel lahmt auf der einst "schönsten und freundlichsten Straße Dresdens". Für Gesprächsstoff sorgt zudem immer wieder die künftige Bebauung von Neustädter Markt und der Großen Meißner Straße. Vor 35 Jahren öffneten am 19. Dezember 1987 auf dem nördlichen Teil des Boulevards die ersten Geschäfte.

"Drei neue Kleinode auf Dresdens schönster Straße", titelte die Sächsische Zeitung auf der Seite eins. Drei neue Verkaufseinrichtungen hätten ihre Türen geöffnet: Die "Leger"-Boutique, die "Co-mode" der Volkseigenen Handelsorganisation Dresden und die Bücherstube Gutenberg. Tischler, Maurer, Maler und Verkäuferinnen hätten in den Tagen und Wochen zuvor nicht auf die Uhr gesehen, um die neuen Verkaufsstellen einzurichten. Doch es sei um die Erfüllung der Beschlüsse des XI. Parteitages der SED gegangen. "Dass diese Leistungen Anerkennung finden, war am Wochenende tausendfach von Kunden zu hören", hieß es in dem Bericht.

Bürgerhäuser auf der Straße der Befreiung

Eigentlich war die einstige Straße der Befreiung in der Inneren Neustadt, die heute wieder Hauptstraße heißt, schon am 4. Oktober 1979 kurz vor dem 30. Jahrestag der DDR offiziell übergeben worden. Nachdem der damalige Erste Sekretär der SED-Bezirksleitung, Hans Modrow, das weiße Band durchschnitten hatte, waren die Menschen über die Allee geströmt. Für Bewunderung sorgten damals die Standuhr in einer Vitrine aus dickem Glas und die historischen Plastiken aus dem Zwinger, die dort aufgestellt worden waren.

Vor allem aber die sanierten Bürgerhäuser aus dem 18. Jahrhundert verliehen der Straße eine anmutige Atmosphäre. Die gastronomischen Einrichtungen seien "jede auf ihre Art ein Knüller", schwärmte die Sächsische Zeitung. Die Gewölbekeller des ehemaligen Neustädter Rathauses waren als Gaststätte Meißner Weinkeller in die Ladenzeile integriert worden. Das bekannteste der rekonstruierten barocken Bauten war das Haus "Gottessegen", wo nach 1808 die Familie des Malers Gerhard von Kügelgen zu Hause war.

Dessen Kollegen und Größen wie Caspar David Friedrich oder Philipp Anton Graff gingen dort ein und aus. Im Haus des Juristen Christian Gottfried Körner, der Vaters des späteren Freiheitsdichters Theodor Körner, traf sich die geistige Elite der Stadt.Auch Wolfgang Amadeus Mozart war bei seinem kurzen Dresden-Aufenthalt Gast der Körners. Die Hauptstraße galt als ein Ort, wo die Ideen der Aufklärung gepflegt wurden.

1807 fuhr schließlich Napoleon von Tilsit kommend in Gesellschaft von König Friedrich August I. zu seinem ersten Besuch in Dresden im Wagen über die Hauptstraße zum Schloss. Sechs Jahre später kamen 1813 während der Befreiungskriege König Friedrich Wilhelm von Preußen und der russische Zar Alexander auf dem gleichen Weg in die Stadt.Anfang August 1685 hatte ein großer Brand Altendresden, die jetzige Innere Neustadt, in Schutt und Asche gelegt.

Die Regierung nahm den Wiederaufbau selbst in die Hand, denn das Unglück bot Kurfürst Johann Georg III. Gelegenheit, das Gebiet im Sinne eines absolut regierenden Herrschers neu zu ordnen, es repräsentativ zu gestalten. Oberlandbaumeister Wolf Caspar von Klengel plante statt der krummen Gassen ein großzügig angelegtes Straßennetz. Und anstelle der schmalen Gasse zwischen dem Markt und dem Schwarzen Tor, dem jetzigen Albertplatz, sollte eine breite Straße angelegt werden, die jetzige Hauptstraße.

Geldmangel verzögerte zunächst die Ausführung. Dann aber drückte August der Starke beim Bau seiner Neuen Königsstadt aufs Tempo. Und weil die 1730 gerade erst fertiggestellte Dreikönigskirche der neuen Hauptstraße im Weg war, ließ sie der Kurfürst und König kurzerhand wieder wegräumen und von 1732 bis 1739 nach Plänen von Matthäus Daniel Pöppelmann an der Westseite der Straße neu bauen.

Die Zerstörung Dresdens im Zweiten Weltkrieg traf die Innere Neustadt dann schwer. An die einstige, reich verzierte katholische Pfarrkirche Kirche Franziskus Xaverius im neoromanischen Stil im nördlichen Teil der Straße erinnert heute gar nichts mehr. Die Ruine wurde 1957 abgebrochen und weggeräumt. Die Markthalle und einige Häuser auf der Westseite der Straße kamen jedoch glimpflich davon. Sie verfielen immer mehr, bis 1974 das Signal zum Aufbau kam.