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Sächsisches Serumwerk: Ein Impfstoff-Werk für die Welt

Das Sächsische Serumwerk in Dresden ist noch immer ein wichtiger Pharma-Standort - und weltweit einer der wichtigsten Hersteller von Grippe-Impfstoff.

Von Ralf Hübner
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Blick von 1985 auf das damals neue Produktionsgebäude des VEB Sächsisches Serumwerk Dresden.
Blick von 1985 auf das damals neue Produktionsgebäude des VEB Sächsisches Serumwerk Dresden. © Foto: SZ/Waltraut Kossack

Dresden. Das Sächsische Serumwerk feiert den 111. Jahrestag – oder das, was einmal das Sächsische Serumwerk war. Seit 1992 nämlich gehört der Betrieb zum britischen Konzern SmithKline Beecham, einem der größten Pharmaunternehmen der Welt. Zur diesjährigen Feier am 14. Oktober hat sich Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) angekündigt. Hauptprodukt des Werkes ist jetzt ein Grippe-Impfstoff, der weltweit exportiert wird.

Als Geburtsdatum des Unternehmens jedoch gilt der 17. Oktober 1911. Damals wurde das Sächsische Serumwerk und Institut für Bakteriotherapie als GmbH ins Handelsregister eingetragen.

Sozialistisch forschen und heilen: Neuererkollektiv im Serumwerk 1973 bei der Arbeit.
Sozialistisch forschen und heilen: Neuererkollektiv im Serumwerk 1973 bei der Arbeit. © Foto: SZ/Waltraut Förster

Gründer war der Odol-König und Vater des Hygiene-Museums Karl August Lingner. Er gehörte zu den Industriellen Dresdens, denen Ende des 19. Jahrhunderts der Aufstieg zum Multimillionär, Industriellen, Mäzen und Wohltäter gelungen war. Er stammte aus Magdeburg und war 1885 von Paris nach Dresden gekommen.

Reich machte ihn vor allem das Odol-Mundwasser, ein damals neuartiges antiseptisches Mundwasser, das er dem Chemiker Richard Seifert verdankte. Es passte genau in die damalige Zeit, als Mediziner wie Robert Koch die Wirkung von Bakterien entdeckt hatten. Mundpflege erschien nun wichtig. Seifert kümmerte sich um Rezept und Herstellung, Lingner um Flasche, Namenszug und Reklame – das Erscheinungsbild des Mundwassers, das im "DresdnerChemischen Laboratorium Lingner" hergestellt wurde.

Lingner zieht mit dem Serumwerk um

1908 trennte Lingner die bakteriologische Abteilung von seinen Lingner-Werken ab und zog mit dem "Sächsischen Serumwerk und Institut für Bakteriotherapie" auf die Löbtauer Straße. Im selben Jahr kaufte er von dem Münchner Bakteriologen Rudolph Emmerich die Lizenz zur Produktion von Pyocyanase, das als das erste industriell gefertigte und klinisch angewandte Antibiotikum gilt – der Vorläufer des Penicillins. Das Unternehmen stellte bald Impfstoffe unter anderem gegen Cholera, Ruhr und Typhus her.

Während des Ersten Weltkrieges stellte der Betrieb vor allem ein Wundstarrkrampfserum her, das in großen Mengen an der Front gebraucht wurde. In den Jahren nach dem Krieg wurden neue Seren gegen Tuberkolose, Syphilis und Grippe entwickelt und produziert.

Dresden war damals ein prosperierender Pharma-Standort und das Sächsische Serumwerk ein Teil dessen. Den Anfang hatte der aus einer alten sächsischen Theologen- und Kaufmannsfamilie stammende Drogerist Franz Ludwig Gehe gemacht. 1834 hatte er zusammen mit dem Pharmazeuten Carl Robert Schwabe die Firma "Gehe und Schwabe" gegründet. Doch schon ein Jahr später trennten sich die Partner und Gehe führte das Geschäft als "Gehe und Comp." weiter. Daraus wuchs eine Weltfirma.

Auf der Leipziger Straße begann in seiner "Villa Adolpha" der junge Chemiker Friedrich von Heyden mit der industriellen Herstellung von Salicylsäure und eroberte damit schnell den Markt. Weil das Dresdner Werk zu klein wurde, verlegte von Heyden 1874 die "Salicylfabrik Dr. von Heyden" nach Radebeul. Zu den dort hergestellten Medikamenten gehörten das Medikament "Salol" und das Präparat "Azetylin".

Nach dem Krieg 1951 wurden aus der Chemischen Fabrik von Heyden AG die VEB Chemische Werke Radebeul, die 1961 mit dem Arzneimittelwerk Dresden zusammengelegt wurden. Letzteres war aus den enteigneten Firmen Madaus u. Co., Gehe u. Co. sowie den Wecusta-Werken hervorgegangen. Das Arzneimittelwerk Dresden war der größte pharmazeutische Betrieb und das Zentrum der Arzneimittelforschung in der DDR und Stammbetrieb des "Pharmazeutischen Kombinats GERMED", dem alle Arzneimittelproduzenten der DDR angehörten.

Das Sächsische Serumwerk wurde in der Inflationszeit 1921 in eine AG umgewandelt und siedelte 1924 in die Zirkusstraße über. Etwa 200 Mitarbeiter produzierten dort serologische, bakteriotherapeutische, pharmazeutische und chemische Präparate wie ein Diphtherie-Serum, einen Cholera-Impfstoff oder Cholecysmon, ein Mittel gegen Gallenblasenerkrankungen. Im Krieg wurde das Werk fast vollständig zerstört. Doch schon kurz nach Kriegsende begann der Wiederaufbau. 1970 wurde es mit einem Neubau zur Herstellung von Influenza-Impfstoffen ergänzt.