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Gutachterstreit im Millionen-Poker um die Drewag

Im Streit um den Drewag-Rückkauf wurde nun der vom Gericht bestellte Sachverständige befragt. Dieser hat eine eindeutige Sicht auf das umstrittene Gutachten.

Von Andreas Weller
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Im Millionen-Streit um den Rückkauf der Drewag könnte ein weiteres Gutachten benötigt werden.
Im Millionen-Streit um den Rückkauf der Drewag könnte ein weiteres Gutachten benötigt werden. © René Meinig

Dresden. Dirk Rose ist Leipziger Rechtsanwalt und Präsident der Steuerberaterkammer Sachsen. Deshalb wurde er vom Dresdner Landgericht als unabhängiger Sachverständiger im Zoff um den Wert der Drewag bestellt.

Die Dresdner Stadtwerke sollen eigentlich mit der Enso zur Sachsen-Energie verschmelzen. Die Fusion ist noch nicht komplett abgeschlossen, weil der Rückkauf von zehn Prozent der Drewag-Anteile noch nicht vollzogen werden konnte. Denn über den Wert der Anteile streiten sich der Energieverbund Dresden (EVD) als Dachorganisation der Drewag und mittlerweile Sachsen-Energie und auf der anderen Seite die Thüga, ein Zusammenschluss mehrerer Kommunalversorger mit Sitz in München.

Die Thüga hat 1997 die zehn Prozent der Drewag gekauft, war seither an den Gewinnen beteiligt und hat so mittlerweile rund das Siebenfache des damaligen Kaufpreises von 18 Millionen Euro wieder eingestrichen.

Der EVD hat aufgrund eines Beschlusses des Dresdner Stadtrates entschieden, die Rückkaufoption für die Anteile zu ziehen. Über deren Wert streiten sich EVD und Thüga seit mehr als drei Jahren. Die Dresdner beziehen sich auf ein vom EVD beauftragtes Gutachten, das besagt, die Drewag sei damals rund 800 Millionen Euro wert gewesen. Die Thüga kommt laut eines weiteren Gutachtens auf einen Wert von 1,6 Milliarden Euro. Der EVD hat bereits knapp 80 Millionen Euro gezahlt, die Thüga fordert weitere 80 Millionen Euro, gibt bisher die Anteile nicht zurück. Deshalb streiten beide Seiten vor Gericht.

"Offensichtliche Fehler" in drei von fünf Bereichen

Nach mehreren Verhandlungen, in denen der Vorsitzende Richter Peter Kieß beiden Seiten nahelegte, sich zu vergleichen und dies scheiterte, hat das Gericht den unabhängigen Gutachter Rose bestellt. Dieser verfasste ein Gutachten zu dem 1,6-Milliarden-Gutachten und stand nun in der Fortsetzung des Prozesses Rede und Antwort.

In drei von fünf Bereichen des strittigen Gutachtens fand Rode "offensichtliche Fehler". Beispiel: Der Gutachter hat in der Planung der Drewag-Geschäftsführung die Erlöse deutlich erhöht - alleine hier geht es um 169 Millionen Euro. "Die Pauschalisierung der Erlöse ist nicht nachvollziehbar", so Rose. So seien Verluste, mit denen die Geschäftsführung rechnete, einfach durch deutlich höhere Kosten für die Drewag-Kunden "ausgeglichen" worden. "Wir befinden uns in einem regulierten Markt, da können Preise nicht einfach komplett auf die Kunden umgelegt werden, es ist aber nicht dargelegt, was auf die Kunden umgelegt werden kann und was nicht", sagt Rose.

Auch in anderen Geschäftsfeldern gab es laut dem Sachverständigen Fehler in dem Gutachten. So wurden Zahlen in der Planung einfach verändert, die ebenfalls "nicht nachvollziehbar" seien. Dazu habe der Gutachter Preise angesetzt, die andere Versorger von ihren Kunden nehmen und ist zu dem Schluss gekommen, die Drewag verkaufe ihre Produkte zu billig. Rose erklärte, dass dafür keine konkreten Versorger angegeben sind. Er habe selbst für diesen Bereich Kalkulationen vorgenommen und die Berechnung des Gutachters sei auch hier "nicht nachvollziehbar".

Thüga: Drewag habe sich bewusst "runtergerechnet"

Die Vertreter der Thüga behaupten, die Drewag habe sich bewusst "runtergerechnet", um den Preis für den Rückkauf der Anteile zu drücken. So fehlen in der Kalkulation der Drewag-Chefs Einnahmen für die Kohlendioxid-Abgaben, die die Drewag auf ihre Kunden umlegen müsse. Sachsen-Energie-Chef Frank Brinkmann erklärt das so. "Beim Gas haben wir sehr langfristige Verträge, die zu der Zeit noch ohne diese Abgabe waren, entsprechend werden und können wir diese nicht von den Kunden einfordern."

Der Vorsitzende Richter Kieß legte erneut beiden Seiten nahe, sich zu einigen. Allein aufgrund der Mängel, die der Sachverständige Rose im Gutachten gefunden habe, liege der Wert für die Anteile vielleicht bei 104 Millionen Euro und nicht bei 160 Millionen Euro, die die Thüga fordert.

Einigen sich Thüga und EVD nicht, müsste das Gericht den Wert der Drewag für den Zeitpunkt, als die Option gezogen wurde, durch ein erneutes Gutachten festlegen lassen. Das würde mindestens ein Jahr in Anspruch nehmen. Dagegen kann dann erneut geklagt werden. Bis zu einer rechtskräftigen Entscheidung würden fünf bis sechs Jahre vergehen.

Beide Seiten signalisierten den Willen, einen Vergleich zu finden. Sie haben jetzt bis zum 11. August Zeit, zu verhandeln, sonst geht der Prozess weiter. Allerdings wurde von Thüga-Vertretern abgelehnt, einen konkreten Termin für Vergleichsverhandlungen auszumachen. Dabei wurde einer der EVD-Anwälte als "Vorgartenzwerg" beleidigt, mit dem man nicht verhandle.