Dresden. Immer wieder nähern sich Menschen dem rot-weißen Absperrband, heben es hoch und gehen wie selbstverständlich weiter. "Haben Sie das Schild nicht gelesen?", ruft Marion Loeper ihnen zu. "Sie laufen genau durch die Einflugschneise. Gehen Sie da weg!"
Auf den Zetteln, die an Bändern im Großen Garten unweit des Palais hängen, steht: "Achtung Hornissen - Lebensgefahr!"
Marion Loeper vom Dresdner Imkerverein ist Expertin, wenn es um Hornissen geht. Als sie am Sonntag von der Nachricht erfuhr, machte sie sich mit der Kamera auf den Weg zu der Stelle, an dem es am Vormittag zu einem ungewöhnlichen Vorfall gekommen war.
Gleich acht Menschen wurden hier am Sonntagvormittag von Hornissen gestochen. Drei von ihnen erlitten schwere allergische Reaktionen und kollabierten im Park, wie die Feuerwehr mitteilte. Da von einer größeren Anzahl an Betroffenen ausgegangen werden musste, stufte die Einsatzleitung gegen 11Uhr den Alarm hoch, um Verletzte mit lebensbedrohliche Symptomen schnell transportieren zu können.
Eine Frau und zwei Männer kamen sofort ins Krankenhaus. Bei zwei weiteren Patientinnen stellte sich eine allergische Reaktion erst nach einiger Zeit ein, sodass diese ebenfalls noch vor Ort notärztlich versorgt werden mussten und dann in ein Krankenhaus gebracht wurden.
Ein vierjähriger Junge sowie eine Frau und ein Mann wurden ebenfalls in umliegende Krankenhäuser gebracht. Nach Rücksprache mit der zuständigen Naturschutzbehörde wurde der Bereich um den betroffenen Baum durch die Feuerwehr im Umkreis von 20 Metern abgesperrt.
Unklar blieb zunächst, warum die Tiere so aggressiv reagierten. "Normalerweise sind Hornissen sehr friedfertige Tiere", sagt Marion Loeper. "Die greifen nicht einfach an." An der Linde im Großen Garten entdeckt sie etwa 50 Exemplare. "Die wohnen dort nicht, sondern haben das Astloch als Futterquelle entdeckt." Durch die niedrigen Temperaturen und den vielen Regen fänden die Tiere gerade wenig Nahrung. Da komme so ein leckerer Baumsaft gerade recht.
Da der ausgewählte Baum aber nur wenige Meter vom Weg entfernt stehe, hätten vermutlich Passanten die Hornissen am Vormittag in Aufregung versetzt, sodass die Insekten sich genötigt sahen, ihr Futter zu verteidigen.
"Vor allem schnelle Bewegungen sind gefährlich", sagt Marion Loeper. Vielleicht seien Jogger oder Fahrradfahrer der Grund gewesen, warum die Tiere in den Angriffsmodus übergingen. "Die sind immer noch auf Krawall gebürstet", stellt die Experten bei ihrem Besuch am frühen Nachmittag fest - und fängt sich prompt selbst einen Stich am Ellbogen ein.
"Schlimm ist das allerdings nicht, solange man nicht allergisch ist." Der Stich einer Hornisse sei nicht gefährlicher als ein Wespen- oder Bienenstich, aber durchaus schmerzhafter. Das liege daran, dass der Stachel von Hornissen deutlich länger und dicker sei, als der einer Biene. Dafür ließe der Schmerz nach einem Hornissenstich aber schneller nach.
Die Expertin vermutete, dass die Hornissen womöglich noch am selben Abend den Baum verlassen würden, um sich eine neue Futterquelle zu suchen.
An dem außergewöhnlichen Rettungseinsatz im Großen Garten waren am Sonntag insgesamt 60 Einsatzkräfte der Feuer- und Rettungswachen Striesen, Löbtau und Altstadt, der Rettungswachen Johannstadt und Friedrichstadt beteiligt. Zudem waren der leitende Notarzt und das Kriseninterventionsteam im Einsatz.