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Ehemalige Landesschule in Dresden: Eine Schule für fünf Millionen Mark

In der ehemaligen Landesschule in Klotzsche werden jetzt Experten für Arbeitssicherheit und Gesundheit aus- und weitergebildet. Dort waren zuvor Gymnasiasten, Nazi-Nachwuchs und die Sowjetarmisten zu Hause.

Von Ralf Hübner
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Die ehemalige Landesschule Dresden (hier auf einer Aufnahme von 1995) stand jahrzehntelang leer. Heute gehört das Gelände der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung.
Die ehemalige Landesschule Dresden (hier auf einer Aufnahme von 1995) stand jahrzehntelang leer. Heute gehört das Gelände der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung. © Ove-Normann Landgraf (Archiv)

Dresden. Mehrere Tausend Experten für Arbeitssicherheit und Gesundheit bevölkern alljährlich bei Seminaren oder Tagungen das Gelände der DGUV-Akademie Dresden auf dem Thümmelsberg in Klotzsche, der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung. In den Räumen war einst die Landesschule Dresden zu Hause. Die Entwürfe für das Gebäude-Ensemble stammen von Oskar Kramer und Heinrich Tessenow, dem Erbauer des Festspielhauses Hellerau. Am 15. Oktober 1927 wurde die Schule mit einer Feier offiziell in Betrieb genommen. Die Lehrer überreichten den Schülern die neue Schulfahne aus blauem Tuch mit einem weiß-grün paspelierten Rand. Das war vor 95 Jahren.

Die 1920 gegründete Landesschule gehörte schon wegen der einzigartigen Architektur ihrer Gebäude zu den bemerkenswertesten Schulen im Deutschland der Weimarer Republik. Hervorgegangen war sie aus der 1692 von Kurfürst Johann Georg IV. gegründeten "Kompagnie adliger Kadetten", aus der die Offiziere für die sächsische Armee rekrutiert werden sollten. Sie waren zunächst noch nicht kaserniert untergebracht, sondern wohnten bei Dresdner Bürgern zur Miete.

Das änderte sich, als auf Veranlassung des Reichsgrafen und Feldmarschalls Christoph August von Wackerbarth eine Ritter- und Militärakademie errichtet wurde, das "Wackerbarth'sche Palais". 1725 begann dort der Unterricht und ab 1731 wohnten die Zöglinge auch dort. Die Pläne für den Gebäudekomplex mit Wohnräumen für Offiziere und Kadetten, einem Reithaus mit Stallungen sowie einem großen Turn- und Tanzsaal über der Reitbahn stammten von dem Barockbaumeister Johann Christoph Knöffel.

Ende des Kadettenkorps nach dem Ersten Weltkrieg

Vor allem in den 1820er-Jahren galt das Königlich-Sächsische Kadettenkorps als mustergültige militärische Lehranstalt. Als nach dem Deutsch-Französischen Krieg im Norden der Stadt am Rand der Dresdner Heide ein neuer Kasernenkomplex hochgezogen wurde, die spätere Albertstadt, fanden dort die Kadetten ein neues Zuhause. Hauptgebäude war das dreistöckige Kadettenhaus mit Hörsälen, einem Physikzimmer und einem Laboratorium, Bibliothek sowie Wohn- und Schlafstuben, einem Unterhaltungszimmer, einem großen Fahnensaal und im dritten Stock einem Lazarett. Die Zahl der Kadetten war bis 1906 auf 206 gestiegen.

Nach dem Ersten Weltkrieg endete die Geschichte des Kadettenkorps. Das Kultusministerium beschloss die Umwandlung der Kadettenanstalt in ein Realgymnasium mit Oberrealschulzug und Internatsbetrieb. Deshalb wurde mit dem Reichswehrministerium über die Unterbringung der neuen Landesschule verhandelt.

Ab 1923 wurde die Sache dringend. Denn nach dem fehlgeschlagenen Hitler-Putsch war entschieden worden, dass die Infanterieschule von München nach Dresden verlegt und in die Gebäude der ehemaligen Kadettenanstalt einziehen sollte. 1925 wurde deshalb das Finanzministerium mit einem Neubauprojekt beauftragt. Nach einem ersten Entwurf von Ministerialrat Oskar Kramer wurde der Architekt und Professor an der Kunstakademie Heinrich Tessenow hinzugezogen. Er gilt als ein Vorreiter des sogenannten Neuen Bauens. Als Gelände standen 14 Hektar in der Dresdner Heide zwischen Thümmelsberg und Schänkhübel an der Königsbrücker Straße zur Verfügung.

Mit Baukosten von mehr als fünf Millionen Reichsmark war die neue Landesschule der wohl kostspieligste Schulneubau der Weimarer Republik. In eineinhalbjähriger Bauzeit entstand ein großzügiger Gebäudekomplex mit sechs Internatsbauten, einem Schulgebäude und einem Wirtschafts- und Verwaltungsgebäude direkt gegenüber. Im Erdgeschoss befand sich der Speisesaal und im ersten Stock die Aula. Die Gebäude waren symmetrisch um einen Gartenhof gruppiert und durch Laubengänge miteinander verbunden. An den langen, vom Hof belichteten Fluren reihten sich helle Klassenzimmer.

Zu den zahlreichen Fachräumen mit Spezialausstattungen gehörten unter anderem auch Zeichensäle und verschiedene Werkstätten. Die Terrasse des Biologieflügels war für Freiluftunterricht, Experimente und Ähnliches vorgesehen. Das Ende krönte eine kleine Sternwarte. Es gab Spiel- und Sportstätten sowie eine Turnhalle. Schon Ende 1926 waren alle Schüler eingezogen.

Nationalsozialisten machten Erziehungsanstalt daraus

250 Schüler oft aus ärmeren Bevölkerungsschichten sollten in dem als Internat geführten Realgymnasium eine höhere Schulbildung erhalten. Trotz der tollen Architektur war die Landesschule keine Reformschule. 1927 stammte noch immer fast die Hälfte des Lehrerkollegiums aus der Zeit der Königlich-Sächsischen Kadettenanstalt. Mit ihnen war auch das autoritäre Erziehungssystem erhalten geblieben. Es herrschte nationalistisch-vaterländischer Geist.

Am 1. April 1934 wurde die Landesschule von den Nazis in eine Nationalpolitische Erziehungsanstalt umgewandelt und nach dem Dresdner Hitlerjungen Rudolf Schröter benannt, der bei Straßenkämpfen 1931 in Leipzig ums Leben gekommen war. Die Absolventen der Schule sollten im neuen Staatsgefüge exponierte Positionen einnehmen. Die baulichen Veränderungen in jener Zeit waren gering. Es entstand ein Schießstand hinter der Turnhalle, im Gelände wurden Deckungsgräben angelegt.

Nach Ende des Krieges beschlagnahmte 1945 die Rote Armee die Landesschule. Vermutlich in den 1960er-Jahren wurden zwei Schülerheime sowie die Aula und der nördliche Teil des Wirtschaftsgebäudes abgetragen. Die erhalten geblieben Gebäudes waren jedoch im Inneren weitgehend intakt. 1992 verließ die Sowjetarmee die Landesschule, als es die Sowjetunion schon gar nicht mehr gab. 1995 erwarb der Hauptverband der gewerblichen Berufsgenossenschaften – heute Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung e. V. – das Gelände.