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Sollten weitere Dresdner Innenhöfe zugebaut werden?

Unter großem Anwohner-Protest hat Vonovia einen grünen Innenhof in Dresden zugebaut. Innenstadtverdichtung nennt sich das. Sollten andere Vermieter nachziehen? Zwei Meinungen.

Von Kay Haufe & Dirk Hein
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Dresdner Innenhöfe in der City bebauen? Ja, meint Reporter Dirk Hein. Keinesfalls, findet Reporterin Kay Haufe.
Dresdner Innenhöfe in der City bebauen? Ja, meint Reporter Dirk Hein. Keinesfalls, findet Reporterin Kay Haufe. © Christian Juppe

Dresden. In den Innenhöfen an der Seidnitzer Straße sind fünf Wohnhäuser entstanden. Der Protest war groß, als 2017 die Pläne für die neuen Wohnhäuser in den grünen Hinterhöfen öffentlich wurden. Nicht nur, weil dann freie Flächen und Parkplätze fehlen, sondern auch, weil Anwohner zusätzlichen Lärm und im Sommer einen größeren Hitze-Stau zwischen den Häusern befürchteten. Die Verdichtung der Innenstadt, in der die Bauflächen allmählich weniger werden, ist Teil der Dresdner Stadtplanungspolitik. Insbesondere, um die Stadtränder von dichter Bebauung freizuhalten. Eine sinnvolle Politik? Die Sächsische.de-Reporter Dirk Hein und Kay Haufe sind unterschiedlicher Meinung. Ein Pro und Kontra.

Pro: Vonovia-Projekt darf Schablone für weitere Bauvorhaben sein

Natürlich schmerzt es, wenn die Kettensägen angeworfen werden und gesunde Bäume gefällt werden. In dem Hinterhof an der Seidnitzer Straße war es jedoch der richtige Weg. Zum einen gab es für die gefällten Bäume entsprechende Neupflanzungen. Zum anderen funktioniert eine Großstadt nur über eine eng bebaute Innenstadt - ergänzt um wieder frei gelegte Bäche, begrünte Dächer und möglichst viele nahe Grünzüge.

Für jedes neue Wohngebiet am Stadtrand zahlt die Stadt einen viel zu hohen Preis. Es wird mehr Fläche durch neue Straßen versiegelt, es wird mehr Verkehr provoziert, meist müssen umfangreiche Versorgungsleitungen gelegt werden.

Wer zentral wohnt, kann im Gegensatz dazu selbst als Familie meist auf ein zweites Auto verzichten, man nutzt vorhandene Infrastruktur und kann in ohnehin fahrende Busse und Bahnen einsteigen - der wertvolle Platz in einer zumindest langsam wachsenden Stadt wird effektiver genutzt.

Dass kurz nach Fertigstellung alle Wohnungen vermietet sind, spricht weiterhin für diese Form der "Nachverdichtung". Es ist schlicht attraktiv, in einem ruhig gelegenen und immer noch relativ grünen Innenstadt-Innenhof zu leben.

Das Bauprojekt der Vonovia kann dabei ruhig Schablone für weitere ähnliche Projekte sein. Natürlich wird es am Anfang Ärger und Unruhe bei den Nachbarn geben. Doch das meiste davon lässt sich im gemeinsamen Dialog auffangen und abbauen.

Selbstverständlich gibt es auch für diese Form der Hinterhofbebauung klare Grenzen. Eine Stadt, die nur noch aus Beton besteht, verliert ihre Attraktivität. Wer in tropischen Nächsten in aufgeheizten Hinterhöfen nicht einschlafen kann, dem nützt der beste ÖPNV-Anschluss nichts.

Die Stadt muss daher deutlich benennen, dass es immer dann Grenzen gibt, wenn bei allen Gründen für eine enge Bebauung ökologische Aspekte klar dagegen sprechen.

Mail an: [email protected]

Kontra: Verdichtung führt zu völlig überhitzten Vierteln im Sommer

Keine fünf Minuten Fußweg vom Rathaus entfernt zu wohnen ist Privileg wie Herausforderung zugleich. Die Bewohner des Gebietes an der Grunaer und Seidnitzer Straße haben kurze Wege, aber enormen Straßenlärm vor der Haustür. Für viele waren die grünen Innenhöfe eine Rückzugsmöglichkeit, sich abgeschirmt vom Trubel auf eine Bank zu setzen. Inzwischen sind dort Bäume gefallen und fünf neue Häuser entstanden.

Das entspricht genau dem Leitgedanken der Stadt, die Innenstadt zu verdichten, statt an den Randgebieten zu bauen. Doch an dieser Stelle ist es der falsche Weg. Wir allen haben unter dem extrem heißen Sommer dieses Jahres gelitten, der uns wie ein Paradebeispiel gezeigt hat, wie wichtig große Bäume sind, die Schatten spenden und die Temperatur regulieren. Und zwar genau dort, wo wir es brauchen: vor der Haustür. Bis die neu gepflanzten an der Seidnitzer Straße diese Aufgaben wieder übernehmen können, werden viele Jahre vergehen.

Die statistischen Messdaten der vergangenen Jahre zeigen uns sehr deutlich, was jeder beim sommerlichen Bummel durch die Altstadt gespürt hat: um bis zu vier Grad höher lagen die Temperaturen in der Innenstadt als in weiter entfernten Stadtteilen. Die Stadt pflanzt deshalb Bäume am Altmarkt und auf der Kreuzstraße, lässt aber wenige hundert Meter davon entfernt die Innenhöfe zubauen. Für mich unverständlich.

Ein städtebauliches Leitbild zu haben, heißt auch, es angesichts klimatischer Entwicklungen anzupassen und neu zu überlegen, was richtig ist. Wenn Nachverdichtung am Ende zu völlig überhitzten Vierteln führt, will dort keiner mehr wohnen. Die Italiener flüchten jeden Sommer aus ihren eng bebauten Städten aufs Land. Wollen wir das auch?

Das heißt nicht, dass jetzt nur noch am Stadtrand gebaut werden soll. Aber für die wärmsten Gebiete der Stadt wie der Alt- und Neustadt sollten längst andere Bebauungsregeln gelten.

Mail an: [email protected]