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Christian Thielemann und die Schönheit der Politik

Der Dresdner Maestro wünscht sich ein Ministerium für Ästhetik - und berührt damit eine Kernfrage der Philosophie.

Von Marcus Thielking
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Christian Thielemann, Chefdirigent der Sächsischen Staatskapelle Dresden.
Christian Thielemann, Chefdirigent der Sächsischen Staatskapelle Dresden. © dpa

Wer je ein Interview mit Christian Thielemann gelesen hat, weiß: Der Dresdner Maestro ist nicht nur ein Meister der Wagner- und Bruckner-Interpretation, sondern auch des gepflegten Bonmots. Nun haben die Kollegen der "Zeit" ihn und andere Prominente nach ihrem Wunsch-Ministerium in der neuen Bundesregierung gefragt. Thielemann antwortete, er wünsche sich ein "Minsterium für Ästhetik". Ästhetik, so der Dirigent, betreffe aus seiner Sicht auch das Funktionieren des Staates: "Ein Flughafen ohne Warteschlangen, das ist ein ästhetisches Thema!"

Kant, Adorno, Schiller

Tatsächlich erinnert die gegenwärtige Corona-Politik, wenn man den Gedanken mal weiterspinnt, eher an Arnold Schönbergs Zwölftonmusik als an eine Klaviersonate von Wolfgang Amadeus Mozart. Ästhetik und Gesellschaft - welch zentrales Thema der Philosophie, an das Thielemann hier erinnert! Die gebildete Leserschaft unseres Feuilletons wird gewiss aus dem Stegreif die entsprechenden Kernthesen aus den einschlägigen Werken Kants oder Adornos zusammenfassen können.

Und wenn es das nächste Mal um die Frage geht, ob Kultur systemrelevant ist, zitieren Sie einfach aus der Schrift "Über die ästhetische Erziehung des Menschen" von Friedrich Schiller: "Der Nutzen ist das große Ideal der Zeit, dem alle Kräfte frohnen und alle Talente huldigen sollen. Auf dieser groben Wage hat das geistige Verdienst der Kunst kein Gewicht, und aller Aufmunterung beraubt, verschwindet sie von dem lärmenden Markt des Jahrhunderts."

Ministerium für alberne Gangarten

Thielemanns Ministerium für Ästhetik ist jedenfalls eine Idee, die man ernst nehmen sollte. Trau Dich, Ampel-Koalition! Beispiele für ungewöhnliche Ministerien gibt es genug. Denken Sie an das Heimatministerium von Horst Seehofer. In Japan gibt es als Folge der Corona-Pandemie ein Ministerium für Einsamkeit, in den Vereinigten Arabischen Emiraten ein Ministerium für Glück, in Indien ein Ministerium für Yoga. Legendär ist auch Großbritanniens Ministerium für alberne Gangarten, bekannt aus dem Sketch der Komikergruppe Monty Python. Was man in Sachsen zurzeit noch gut gebrauchen könnte, wäre ein Ministerium für Weitsicht und Klugheit. Aber welche Partei soll das besetzen?

Dieser Text ist ein Ausschnitt aus dem Feuilleton-Newsletter von Sächsische.de: Das Wichtigste aus der Szene, das Beste aus dem Feuilleton, Veranstaltungstipps und Einblicke in die Kulturredaktion der Sächsischen Zeitung – jede Woche Freitag. Jetzt kostenlos anmelden.