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Das Theaterstück "Das Wasser" sollte jeder sehen!

Am Kleinen Haus des Staatsschauspiels Dresden wurde "Das Wasser" von Kathrin Röggla uraufgeführt.

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"Das Wasser" von Kathrin Röggla wurde am Kleinen Haus uraufgeführt.
"Das Wasser" von Kathrin Röggla wurde am Kleinen Haus uraufgeführt. © Sebastian Hoppe

Von Sebastian Thiele

Also echt, wer glaubt noch an eine glückliche Zukunft? Kriege, Katastrophen, Flüchtlingsströme ... Irgendwie wird die Zeit voranschreiten, ob mit Polareis oder ohne. Es ist naiv zu glauben, der Einzelne könnte den Kollaps aufhalten. Carpe Diem. Vielleicht wird es auch gar nicht so schlimm.

Schön bequem ist so ein Selbstbetrug. Wie desolat das globale Umweltverhalten ist und wie ohnmächtig wir der selbstgemachten Apokalypse entgegentrudeln, erlebt man im druckfrischen Theaterstück „Das Wasser“. Die Uraufführung, die im Kleinen Haus stattfand, ist nicht nur ein Beitrag zum Thema Klimawandel, von aufrüttelnd bis zerschmetternd. Vielmehr ist der sprachspielerische Text von Kathrin Röggla, den sie im Auftrag des Dresdner Staatsschauspiels schrieb, eine groteske Untersuchung zur Frage: Warum sehen wir das Ende nahen, tun aber nichts dagegen?

Wir brauchen ein Kurzzeitchina!

Die Bühnenwelt von Sabrina Rox ist eine einzige Mauer. Raumfüllend und schwarz. Sehnsüchtig schaut das Zuschauerauge durch ein großes Loch. Dahinter erblickt es eine sanft brandende Meeresfläche mittels Videoprojektion. Endzeitstimmung mit Hoffnungsschimmer? Immerhin ist das Ensemble noch zur Clownerie mit melancholischem Anstrich fähig. Bunt und verwurschtelt leuchten die Kostüme von Katja Strohschneider. Feste Rollen gibt es nicht. Gefesselt wie an ein schwer kontrollierbares Rettungsfloß, hängen die sieben Spieler am Klavier und hauen hin und wieder dissonant in die Tasten. Chorisch peitscht man die Satzsalven in den Zuschauerraum. Oder schiebt sich jede Verantwortung für alltägliche Katastrophen und Arroganz gegenüber Umweltaktivisten gegenseitig zu. Energiegeladen, kontrovers und schwarzhumorig geht es zu. Manchmal werden die Texte parodistisch gesungen und musikvideoartig vertanzt. Das Publikum muss über diese verlorenen Gestalten lachen. Und gleichzeitig natürlich über sich. Aber es verschluckt sich auch dabei. Wenn z. B. darüber nachgedacht wird, lieber nicht zu denken. Oder die Menschheit kontrolliert zu dezimieren. Und die Ökoaktivisten fordern: „Wir brauchen ein Kurzzeitchina!“

Alle wollen etwas bewegen

Dieser multiperspektivische Text sammelt nahezu alle Sichtweisen auf jedem geistigen Niveau. Mit körperlichen Spiel-Ideen wandelt Regisseur Jan Gehler die Fakten in Fleisch und Blut und ist selbst sogar auf der Bühne, da er für den erkrankten Philipp Lux spontan einsprang. Auch das zeigt, wie viel Herzblut in dieser Uraufführung steckt. Hier wollen alle etwas bewegen. Ohne Agitation und Schlaumeierei. Das Ensemble voller Energie, spielerisch auf absoluter Höhe. Die Groteske bleibt nicht auf der Kabarettebene stehen. Spätestens im letzten Akt „Dürre“ erstirbt das Lachen. Wie in einem romantischen Gemälde blicken drei Spieler als Rückenfiguren auf das Meeres-Video hinter dem Mauerloch. Schwarze Schnipsel schweben auf die erschöpften Figuren davor. Von Schlick- und Schlammströmen berichten sie, die Erde ist unbewohnbar. An der Mauer klebt ein Uhrzeiger auf fünf vor zwölf. Doch alle hier wissen, diese Uhr geht nach.

Wieder am: 14. 4., 14. und 26. 5. Kartentelefon: 0351-4913 555