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Der Tod und die Ossis beim Kultursommer Dresden

Kleiner, leiser, regionaler: Am Dresdner Elbufer folgt auf den Palais-Sommer der Kultur-Sommer. Ein Großteil des Programms steht jetzt fest.

Von Oliver Reinhard
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Im Zeichen der Kultur und der Diversität steht der Kultur-Sommer von Veranstalter Thomas Jurisch. Doch die Konkurrenz, der Palais-Sommer, hofft auf die Rückkehr aufs Gelände am Japanischen Palais.
Im Zeichen der Kultur und der Diversität steht der Kultur-Sommer von Veranstalter Thomas Jurisch. Doch die Konkurrenz, der Palais-Sommer, hofft auf die Rückkehr aufs Gelände am Japanischen Palais. © Sven Ellger (Archiv)

Das wird kein Sprung ins eiskalte Wasser: Seit vielen Jahren hatte der Palais-Sommer die Wiese hinter dem Japanischen Palais in Dresden vorgewärmt und sie mit seinem "Bürger-Festival" als Ort für Kultur, Kulinarik und entspanntes Abhängen etabliert, zur Freude Zehntausender Besucher. Darauf setzt nun auch der Kultursommer, die etwas kleinere Festival-Ablösung, die den Palais-Sommer bei der Bewerbung um die Bespielung des Geländes im März ausgestochen hatte.

Zum Gedanken des Bürgerfestivals mit gesellschaftspolitischer Ausrichtung geht Kultursommer-Veranstalter Thomas Jurisch auf Abstand. Er setzt zwischen 8. Juli und 7. August auf Kultur im engeren Sinne, auf Kleinkunst wie Comedy, Konzerte, Poetry-Slams. Am Dienstag hat der 48-Jährige sein Programm vorgestellt, zumindest das für den Juli, die Augustwoche ist noch in Arbeit. "Unser Fokus liegt nicht auf Mega-Krachern", sagt Jurisch. "Es geht mir um Kunst und Künstler, die mir am Herzen liegen." Und darum, junge Künstlerinnen und Künstler zu fördern, vor allem einheimische.

Dirk Zöllner ist der König des Ost-Souls und einer der wenigen populären Gäste beim Kultursommer.
Dirk Zöllner ist der König des Ost-Souls und einer der wenigen populären Gäste beim Kultursommer. ©  [M] dpa / SZ

Wieviel Leipzig steckt in Dresden?

Tatsächlich finden sich im Programm relativ wenige populäre auswärtige Anziehungspunkte wie Ost-Soulrocker Dirk Zöllner oder Beatbox- und Loop-Ikone Konrad Küchenmeister. Acts wie die polnischen Weltmusik-Wirbelwinde Dikanda, die kurdisch-deutsche Sängerin Evin oder der singende Berliner Songschreiber Betterov sind fürs breitere Publikum noch Geheimtipps, die entdeckt werden wollen.

Außer auf den Reiz des Geländes setzt Thomas Jurisch daher auf die Neugier des Publikums und hofft, dass wir auch junge Leute anlocken, die nicht nur tanzen wollen". Man könnte auch sagen: Der Kultursommer will austesten, wieviel Leipzig in Dresden steckt. Das sollen unter anderem die Dresdner Booking-Agentur Dynamite Konzerte und der Musikverlag Oh My Music! besorgen, die jeweils einen Abend mit einigen ihrer Künstlerinnen und Künstler gestalten.

Die "Generation Steimle" nicht im Blick

Überhaupt gehört ungefähr die Hälfte des Programms der Musik, die ein ziemlich breites Terrain abdeckt vom britischen Jugendorchester Bexley Group über das Akkordeon-Duo Kratschewski bis zu den sonntäglichen Klassik-Events. Nur laut wird es nicht zugehen, und allzu gedrängt auch nicht; das kleinere Format des Kultursommers war wegen der Denkmalschutz-Vorgaben offenbar ein wichtiges Kriterium für die Vergabe des Geländes an Jurisch und dessen Agentur Slamevents.

Die zweite Programmhälfte gehört überwiegend der Comedy. Das Angebot "Ossi-Lesung" mag zunächst verwirren, doch die Comedians Jörg Schwedler und Dominik Bartels gehören weder der Generation Steimle an noch wenden sie sich an die Ü60-er Ost. Vielmehr an jene, die so alt sind wie sie, nämlich U50, und nur noch Kindheitserinnerungen an die DDR haben.

Zum Geburtstag gibt's Spejbel und Hurvinek

Herrlich makaber wird‘s mit ihrem Genre-Kollegen Der Tod und dessen Death-Comedy. Fürs Literarische sorgen der Slam im Park und das Poetengeflüster, Thomas Jurischs eigene Reihe, die er nach längerer Pause nun für den Kultursommer reaktiviert. Wie sehr das Programm seinen "Herzenswünschen" entspricht, zeigt sich nachgerade am 16. Juli. "Ich wollte immer schon mal was mit Spejbel und Hurvinek machen", sagt Jurisch. "Und jetzt mache ich es – an meinem Geburtstag." Dass sein erstes größeres Festival auch ein großer Lernprozess sein würde, hat der Veranstalter inzwischen mehrfach erfahren.

Etwa durch das Anschwellen des benötigten Budgets von angedachten 250.000 auf inzwischen knapp 400.000 Euro. "Nicht erst seit Kriegsbeginn wird alles teurer", sagt er, "auch die Honorare". Wie der Palais Sommer ist der Kultursommer spendenfinanziert, "mit drei Euro pro Besucher kämen wird gut über die Runden", sagt Jurisch. Umgerechnet heißt das, zu jeder Veranstaltung müssen im Schnitt 1.500 spendenwillige Besucher kommen, inklusive der Yoga-Fans. Ein sportliches Ziel, an dessen Erreichbarkeit Thomas Jurisch jedoch nicht zweifelt.

Zu seinem Geburtstag am 16. Juli schenkt Veranstalter Thomas Jurisch sich und dem Publikum einen Abend mit den legendären tschechischen Marionetten Spejbel und Hurvinek.
Zu seinem Geburtstag am 16. Juli schenkt Veranstalter Thomas Jurisch sich und dem Publikum einen Abend mit den legendären tschechischen Marionetten Spejbel und Hurvinek. © Muzeumloutek

Die Konkurrenz hofft auf Rückkehr ans Palais

Besonders adleräugig dürfte die Konkurrenz – man muss das inzwischen so nennen – darauf schauen, wie sich der erste Kultursommer so schlägt. Denn Jörg Polenz und seine KfA GmbH haben sich mit dem Verlust des Geländes für ihren Palais Sommer nur vorübergehend arrangiert. Der startet zwei Wochen nach dem Kultursommer, nun an drei verschiedenen Orten, dem Open-Air-Gelände des Ostra-Domes an der Messe, dem Neumarkt für Klassik-Konzerte und dem Alaunpark als Yoga-Ersatzwiese.

"Wir hoffen darauf, dass wir im nächsten Jahr ans Japanische Palais zurückkehren können", sagte Polenz unlängst der Sächsischen Zeitung. Eine Petition für die Rückkehr des Palais Sommers haben inzwischen 12.000 Menschen unterzeichnet. Nun hofft Jörg Polenz, der Petitions-Ausschuss des Sächsischen Landtages werde sich mit seiner Bitte befassen, die Entscheidung für die Vergabe des Geländes am Japanischen Palais an den Kultursommer zu revidieren. Dessen Nutzungsvertrag läuft über einen Zeitraum von fünf Jahren.