Das ist nur scheinbar widersprüchliche Dialektik. „Wir wagen den Blick zurück und zugleich nach vorn“, sagt Moritz Lobeck, Programmleiter für Musik und Medien im Festspielhaus Dresden-Hellerau. Damit gemeint ist, dass das traditionsreiche Neue-Musik-Festival im Haus mit der 31. Ausgabe von Mitte April bis Anfang Mai wieder den ursprünglichen Titel „Dresdner Tage der zeitgenössischen Musik“ trägt. Es sei eine Rückbesinnung und eine Würdigung, so Lobeck.
„Ein wichtiges Vermächtnis des 2021 verstorbenen Komponisten, Dirigenten und Intendanten Udo Zimmermann sind die 1987 von ihm gegründeten ,Dresdner Tage’“. Zwischendurch hieß das stets erfolgreich durchgeführte Festival unter anderem „Tonlagen“. Künftig wird es biennal stattfinden. Und auch sonst kündigt Lobeck Neuerungen und Wiederholungstaten an. Denn die „Dresdner Tage“ werden nicht mehr nur zu einem bestimmten Zeitraum als Festival stattfinden, sondern nach dem Vorbild der Dresdner Musikfestspiele quasi übers Jahr verteilt Angebote machen.
Deshalb gibt es an diesem Donnerstag einen Prolog mit „Bauch-Musik“ von Karlheinz Stockhausen. Der Avantgarde-Großmeister, von Zimmermann selbst bei größenwahnsinnigen Projekten wie dem gigantischen „Licht“-Zyklus stark gefördert, hatte 1975 nach einem Traum das rätselhafte Werk „Music in the belly“ für das Ensemble Les Percussions de Strasbourg komponiert.
Seine Partitur enthielt mehr Bühnenanweisungen als Musik im eigentlichen Sinne – Spieldosen kamen zum Einsatz. Fast fünfzig Jahre nach der Uraufführung des Werkes beauftragte Les Percussions den Komponisten Simon Steen-Andersen, eine neue Inszenierung zu entwickeln.
Ihn leitete die Frage: Wie könnte „Music in the belly“ in Stockhausens Traum ausgesehen haben, noch bevor er aufwachte? Den Fotos der Produktion nach, spielte offenbar ein rotes Telefon eine entscheidende Rolle.
Am 24. März gibt es die Eröffnungsperformance mit einem interaktiven Musiktheater-Videospiel: Während eine Person in einer Hybrid-Box das experimentelle „opera game“ spielt, wird das dabei entstehende Material als erste Video-Game-Oper live ins Festspielhaus übertragen.
Ab dem 19. April bis 7. Mai folgen im eigentlichen Festival spannende Vorhaben wie die Porträtkonzerte der Komponistin Olga Neuwirth mit der Sächsischen Staatskapelle und Annesley Black mit dem ensemble courage. Die Elbland Philharmonie Sachsen steuert Uraufführungen von Piyawat Louilarpprasert und Lothar Voigtländer bei. Zudem ist Kunst der visuell arbeitenden Esmeralda Conde Ruiz und ein Musical der Punkband Pisse zu erleben.
„Das Coole an den ,Dresdner Tagen’ war, dass stets Tanz, bildende Kunst, die Szene und andere Institutionen eingebunden waren“, sagt Lobeck. „Da wollen wir wieder hin.“ Während beispielsweise die Tanzszene mittlerweile durch ein Bündnis von Produktionshäusern extrem gut vernetzt sei, fehle dies in der Musikszene. „Es gibt durchaus Interesse an Neuer Musik. Aber, um dieses Publikum besser zu erreichen, brauchen wir eine Plattform, die lokale, regionale und internationale Kräfte bündelt: Wir wollen deutlicher sichtbar und nachhaltig zugleich agieren.“
Festivaltipp: 19. 1., 19 Uhr, Dalcroze-Saal, Programmeinführung in die 31. „Dresdner Tage der zeitgenössischen Musik“,19.30 Uhr führt Simon Steen–Andersen in das Werk „Music in the belly“ ein, 20 Uhr Konzert.