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Dirigent Janowski brüskiert Dresdens Philharmonie

Der ehemalige Erfolgschef des Orchesters sagt plötzlich alle Termine ab. Gründe? Persönliche! Musiker und Intendanz rätseln.

Von Bernd Klempnow
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Marek Janowski war 2001 bis 2003 und 2019 bis 2023 Chefdirigent der Dresdner Philharmonie.
Marek Janowski war 2001 bis 2003 und 2019 bis 2023 Chefdirigent der Dresdner Philharmonie. © Ronald Bonß

Dresdens Philharmonie muss ihr ambitioniertestes Projekt der neuen Spielzeit absagen. Im März 2025 wird es keine konzertanten Aufführungen von Richard Wagners Oper „Tristan und Isolde“ im Kulturpalast geben. Noch wirbt zwar das Orchester wie folgt: „Und Marek Janowski steht für die hohe Kunst, diese Werke Wagners nicht nur zum Klingen, sondern auch zum Sprechen zu bringen. Nach dem großen Erfolg des ,Rings des Nibelungen’ kommt er zurück mit ,Tristan und Isolde’. Wagner hat hierbei eine musikalische Sprache gefunden, der man sich trotz Überlänge kaum entziehen kann ...“

Das Publikum wird es müssen, denn Marek Janowski hat vor wenigen Tagen diese Termine sowie sein Konzert am Freitag dieser Woche abgesagt. Für ihn springt Christoph Eschenbach ein, der nun mit den Philharmonikern Beethovens erste Sinfonie und Bruckners Siebte musizieren wird.

„Die Absage von Marek Janowski tut mir menschlich weh“, sagt Intendantin Frauke Roth. Die Musiker wie Orchesterleitung rätseln, wie es zu diesem Bruch nach so vielen höchst erfolgreichen Konzerten und Projekten kommen konnte.
„Die Absage von Marek Janowski tut mir menschlich weh“, sagt Intendantin Frauke Roth. Die Musiker wie Orchesterleitung rätseln, wie es zu diesem Bruch nach so vielen höchst erfolgreichen Konzerten und Projekten kommen konnte. © Bitte mit der Vignette "Bühne i

Verwunderlich: Der Künstler hatte unmittelbar vor der Absage mit dem Orchester tagelang und musikalisch hochzufrieden für alle Seiten geprobt. Um dann nach einer Probe dem Orchester zu verkünden, dass er niemals wieder mit ihm arbeiten würde – keine weitere Erklärung. „Persönliche Gründe“ führte er später an, ohne Details zu nennen. Seitdem rätseln Musiker wie Orchesterleitung, wie es zu diesem Bruch nach so vielen höchst erfolgreichen Konzerten und Projekten kam. Trotz Pandemie mit all ihren Einschränkungen hatte der Maestro das Orchester weiter profilieren können. Alle Gespräche, alle Versuche – ob von vertrauten Musikern, von der mit ihm fast befreundeten Intendantin und selbst seiner Frau –, den 85-Jährigen umzustimmen, scheiterten.

Großer Mann und zuweilen große Verstimmungen

Die Musiker sind vor den Kopf gestoßen. „Die Absage von Marek Janowski tut mir menschlich weh“, sagt Intendantin Frauke Roth. „Ich bin traurig, werde aber versuchen, den Kontakt zu diesem großen Mann zu halten“, sagt Konzertmeister Wolfgang Hentrich. Aber er weiß: Wenn sich der Dirigent Dinge in den Kopf gesetzt hat, zieht er die durch. Schon immer. Deshalb hat er sich schon mehrfach in seiner langen Karriere nach Verstimmungen mit Orchestern wie der Sächsischen Staatskapelle überworfen, bei diesen nie wieder gastiert. Deshalb verließ er 2003 Dresden, weil die Stadt den ihm vertraglich zugesicherten Neubau eines Konzertsaals/Umbau des Kulturpalastes aus finanziellen Gründen nicht stemmen konnte. Das Orchester trudelte nach dem Fortgang eine ganze Weile.

Nun, das wird diesmal nicht passieren. Das Orchester ist stärker und besser denn je. Gerade hat Sir Donald Runnicles sein Amt als designierter Chefdirigent angetreten. Ab 2025/26 ist er der neue Boss.

Faktencheck oder Küchenpsychologie

Insider spekulieren, was den alten Kapellmeister zu diesem überraschenden Schritt bewogen haben könnte. Dass das Gehör und die Spannkraft bei einem 85-Jährigen nachlassen, ist kein Makel. Dass mancher Ex-Chef dann doch nicht ertragen konnte, wie ein Nachfolger gefeiert wurde, das hat unter anderem Dresden schon mit Bernard Haitink bei der Staatskapelle erlebt. Dass er neuerdings auf die Größe von Namen in Drucksachen geschaut haben soll und seinen als zu klein empfunden haben könnte, ist eher unwahrscheinlich. Er war nicht eitel. Dass er den „Tristan“ nun doch zu belastend empfunden haben könnte, mag sein. Er hätte ihn absagen können. Jeder hätte Verständnis gehabt.

Wahrscheinlich ist die Absage eine Mischung aus vielem. Küchenpsychologie! Fakt ist, der Abgang schlägt in der Musikwelt Europas keine Wellen. Viele Spitzenkünstler, speziell die Alphatiere Dirigenten, sind narzisstisch veranlagt. Deshalb sollte man sich nie wundern, aber die großen Momente mit ihnen genießen.