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Dresdens Blue Wonder Jazz Band feiert 48-jähriges Jubiläum mit einem Neuzugang

Die Dresdner Blue Wonder Jazz Band spielt seit 1975 immer in derselben Besetzung. Jetzt hat das ein Ende. Zuvor feiert sie mit großem Konzert ihr 48. Jubiläum.

Von Peter Ufer
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Blue Wonder in Maximalbesetzung bei einer Probe in diesen Tagen: Trompeter Manfred Böhlig (vorn rechts) scheidet aus, Christian Rien (2. von rechts) nimmt seinen Platz ein.
Blue Wonder in Maximalbesetzung bei einer Probe in diesen Tagen: Trompeter Manfred Böhlig (vorn rechts) scheidet aus, Christian Rien (2. von rechts) nimmt seinen Platz ein. © Foto: SZ/Veit Hengst

Dresden. Die Blue Wonder Jazz Band hat sich aus Altersgründen verjüngt. Trompeter Manfred Böhlig spielt nicht mehr mit. Der 79-Jährige zog sich schon im vergangenen Jahr aus gesundheitlichen Gründen zurück. 47 Jahre lang, bei über 2.000 Konzerten, traten die sieben Musiker der Dixie-Kapelle immer gemeinsam auf. Nun steht erstmals ein neuer Trompeter mit auf der Bühne, Christian Rien. Er ist Jahrgang 1975, kam also auf die Welt, als sich die Dresdner Gruppe einst gründete.

„Alle zusammen sind wir jetzt 32 Jahre jünger, insgesamt 421. Doch zu unserem 48. Jubiläum läuten wir unsere musikalische Restlaufzeit ein“, sagt Bandleiter Klaus-Georg Eulitz. Restlaufzeiten seien ja in Deutschland zum Glück verhandelbar. „Das erleben wir ja gerade bei den Atomkraftwerken“, ergänzt er. An der Energie der Musiker jedenfalls sei wenig Verlust zu spüren. Eulitz gesteht allerdings, dass er seit drei Jahren sein Banjo altersgerecht im Sitzen spielt. „Wenn ich zwei Stunden bei einem Konzert stehe, da meldet sich mein Kreuz mit irgendwelchen undefinierbaren Schmerzen“, sagt der 72-Jährige.

Die Blue Wonder Jazzband war immer ein Höhepunkt bei den Dixilandparaden in Dresden.
Die Blue Wonder Jazzband war immer ein Höhepunkt bei den Dixilandparaden in Dresden. © [M] Ronald Bonß/SZ

Manfred Böhlig wird der Band fehlen. Der Trompeter arbeitete bis zur Rente im Hauptberuf als Klempner und Dreher, war somit der einzige Angehöriger der Arbeiterklasse in diesem akademischen Künstlerkollektiv. Die anderen sechs studierten, arbeiteten vor der Pensionierung als Mathematiker, Physiker und Ingenieure, drei tragen den Doktortitel und Klaus-Georg Eulitz darf sich Professor nennen. „Manfred war in unserer Truppe immer der Ruhepol, immer zurückhaltend, aber wenn es darauf ankam, ließ er plötzlich einen Gag los, der saß. Gleichzeitig spielte er als Trompeter die führende Stimme.“

Böhlig genießt unter den Musikern große Hochachtung, denn bei dem Repertoire des amerikanischen Jazz der 20er- und 30er-Jahre sind die musikalischen Vorbilder extrem anspruchsvoll. Und, dass einer überhaupt bis ins hohe Alter so gut Trompete bläst, ist eine Seltenheit. Durch ihre unverändert gebliebene Zusammensetzung, durch ihre Arrangements und ihren dreistimmigen Gesang, hat die Band ein Repertoire, das den Originalaufnahmen sehr nah kommt, aber dennoch typisch nach Blue Wonder klingt. 100 Titel können die Musiker aus dem Kopf abrufen, das sind im besten Fall elf Stunden Musik.

Mitstreiter einst per Schild gesucht

Manfred Böhlig lernte in den 1970er-Jahren in Abendkursen an der Musikhochschule das Trompetenspiel. Als Eulitz mit seinen Freunden Dietmar Bazant, Lutz Käubler und Frank Geipel vor 50 Jahren darüber nachdachte, eine Dixie-Band zu gründen, fehlte einer, der das Blechblasinstrument spielen konnte.

Inspiriert zur Gründung hatte sie das Dixieland-Festival. „Wir wollten auch so etwas spielen, waren aber anfangs noch nicht vollständig. Deshalb stellte ich mich zur Riverboatshuffle mit einem Schild 'Suche Bläser' an die Dampfer-Anlegestelle an der Brühlschen Terrasse“, so Eulitz. „Was ich fand, war kein Bläser, sondern ein Pianist, Lutz Rethberg. Dann kam noch ein Pianist, Gert Müller, aber der musste Posaune spielen, sonst hätte er nicht dabei sein können.“ Ein Freund an der Musikhochschule hatte dann Manfred Böhlig empfohlen.

Die Truppe überstand die Zeiten, die für sie in der DDR neben dem Hauptberuf viel Spaß und ein zweites Einkommen einbrachten. „Wir bekamen in den 1980er-Jahren den Profi-Status zuerkannt und konnten so gute Honorare verlangen“, erinnert sich Eulitz. Die schwierigsten Zeiten habe die Band Anfang der 1990er-Jahre erlebt. Alle Mitspieler haben überlegen müssen, wie es beruflich weiter gehe, ob Dresden künftig die Heimat sein könne. Es klappte. Die Blue Wonder Jazz Band blieb bestehen, sich, Sachsen und ihrem Repertoire treu.

Künftig wird beim Dixie auch getanzt

Nach dem Mauerfall tourten die Musiker auch durch die alten Bundesländer. Dabei bemerkten sie, dass das Publikum dort einen wesentlich älteren Altersdurchschnitt hatte als in Sachsen. „Dixieland war in den Altbundesländern schon zehn Jahre früher in den Konzertsälen angekommen als in der DDR“, meint Eulitz. Er bemerke aber jetzt in ganz Deutschland eine Veränderung. „Es interessieren sich wieder mehr junge Leute für den Dixieland und feiern ihn, tanzen dazu.“

Seit sieben Jahren arbeitet er in der Musikredaktion der Internationalen Dixieland-Festivals mit. Der Trend zur Verjüngung des Publikums habe mit dem Revival des Swing begonnen. „Ich habe deshalb für das Festival im Mai einen Dixie-Pub im Alten Schlachthof geplant, bei dem getanzt werden kann.“ Bei der Veranstaltung gibt es nicht mal einen Sitzplatzanspruch.

Der wird dagegen am 28. Januar zum Geburtstagskonzert in der Comödie Dresden garantiert. An diesem Tag wird Manfred Böhlig offiziell verabschiedet. Takt für Takt leiten die anderen Musiker dann wie Kraftwerksbetreiber über in den befristeten Streckbetrieb. Eigentlich wollten sie aufhören, wenn einer von ihnen aufhört, denn sie fingen ja auch gemeinsam an. „Aber auch solche Versprechungen sind verhandelbar“, sagt Eulitz.

Außerdem halte Oldtime-Jazz spielen jung, gesund und wirke wie ein starkes Schmerzmittel. „Auf der Bühne spüre ich nie irgendwelche Beschwerden.“ Für das Jahr 2023 hat die Band insgesamt 17 Konzerttermine. Und so lange das Publikum kommt und mit den Hüften wackeln kann, gibt es keinen Grund für einen endgültigen Dixie-Ausstieg.

Jubiläumskonzert: am 28. 1., 19.30 Uhr in der Comödie Dresden, Restkarten: www.sz-ticketservice.de