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Dresdner Hygiene-Museum: „Aufklärung und Belehrung des Volkes“

Das Hygiene-Museum ist ein bemerkenswerter Bau. Dort geht es um mehr als die Gesundheit. Es ein Haus der Kulturgeschichte. Vor 95 Jahren wurde der Grundstein gelegt.

Von Ralf Hübner
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„Museum vom Menschen“: Deutsches Hygienemuseum in Dresden
„Museum vom Menschen“: Deutsches Hygienemuseum in Dresden © Robert Michael

Das Deutsche Hygiene-Museum will international mehr auf sich aufmerksam machen. Zumindest ist das die Absicht der neuen Museumsdirektorin Iris Edenheiser. Zudem soll das Haus noch mehr als bisher ein Ort der Debatten werden. Der Kopfbau Süd ist als Tagungszentrum gefragt und wird demnächst saniert. Am 8. Oktober 1927, also vor 95 Jahren, wurde der Grundstein für das Museum gelegt.

Der Grundsteinlegung ging eine Festsitzung voraus, die im Rundfunk übertragen wurde. „Bei hochbedeutsamen Anlässen geschieht es, dass der Prunksaal des Neuen Rathauses seine Pforten öffnet“, schrieben die „Dresdner Nachrichten“. Die feierliche Veranstaltung aber, die dort vor sich gegangen sei, werde in der Geschichte der sächsischen Landeshauptstadt „für immer ein stolzes Ruhmesblatt“ bleiben.

Hindenburg hätte gerne teilgenommen

Reichsinnenminister Walter von Keudell war gekommen. Gern hätte auch Reichspräsident Paul von Hindenburg teilgenommen, hieß es in dem Bericht. Doch es blieb bei einem Grußtelegramm, in dem der Reichspräsident dem Museum Dank und Anerkennung für die „gesundheitliche Aufklärung und Belehrung des deutschen Volkes“ aussprach. Auch der Bundespräsident Österreichs, Michael Hainisch, grüßte telegrafisch. Das Orchester des Mozart-Vereins spielte die Leonoren-Ouvertüre von Ludwig von Beethoven. Liesel von Schuch, eine damals sehr bekannte Koloratursopranistin der Staatsoper, sang. In den Reden klang schon damals die Erwartung auf eine internationale Resonanz des künftigen Museumsbaus an. Mit Autobussen wurde die Festgesellschaft dann an den Ort der Grundsteinlegung gefahren.

Die Idee zu dem Museum geht auf den Industriellen Karl August Lingner zurück, ihn hatte das Odol-Mundwasser reich gemacht. Schon 1911, bei der I. Internationalen Hygiene-Ausstellung in Dresden, war er einer der maßgeblichen Initiatoren gewesen. Die Schau hatte damals von Anfang Mai bis Ende Oktober mehr als 5,5 Millionen Menschen angezogen. Sie galt als bahnbrechend für die hygienische Volksaufklärung und war eine Leistungsschau der damaligen Gesundheitsindustrie. Berichten zufolge musste wegen des großen Andrangs zeitweise die Polizei einschreiten. Dieser Erfolg ließ den Plan für ein „National-Hygiene-Museum“ reifen.

Lange war nach dem Standort und einem guten Architekten gesucht worden. Im April 1914 beschlossen die Stadtverordneten, das Museumsprojekt zu unterstützen und kostenlos den Baugrund zur Verfügung zu stellen. Der Krieg und der Tod Lingners sowie die Inflation stoppten das Projekt. Zunächst wurde das Gelände des Marstalls neben dem Zwinger an der Ostra-Allee als Standort favorisiert. In dem Bau sollten neben dem Hygiene-Museum auch die Staatlichen Naturwissenschaftlichen Sammlungen einziehen. Für einen Wettbewerb des Kultusministeriums wurden 192 Entwürfe eingereicht. Unter ihnen waren auch Arbeiten einer Reihe junger Architekten, die später noch von sich Reden machen sollten wie etwa Hans Scharoun, Paul Bonatz, Ludwig Wirth und die Gebrüder Hans und Wassili Luckhardt. Sieger wurde Hermann Buchert aus München. Diese Planungen zerschlugen sich jedoch.

Stararchitekt Kreis als Erbauer

Dann ging plötzlich alles sehr schnell. 1926 teilte der damalige Oberbürgermeister Bernhard Blüher dem Vorstand des Deutschen Hygiene-Museums mit, dass der Architekt Wilhelm Kreis an die Kunstakademie berufen worden sei. Er habe zur Bedingung gemacht, mit dem Neubau des Museums beauftragt zu werden. Es sei im Interesse der Stadt, darauf einzugehen. Kreis durfte bauen.

Der war in der Kaiserzeit und der Weimarer Republik einer der Stararchitekten, der unter anderem mit Verwaltungsgebäuden, Villen, Kaufhäusern und Bismarcktürmen auf sich aufmerksam gemacht hatte. In Dresden selbst hatte er unter anderem die Augustusbrücke neu gebaut.

Experten zählen das von ihm geschaffene Gebäude des Deutschen Hygiene-Museums zu den bemerkenswerten architektonischen Leistungen der 1920er-Jahre. Gelobt wird vor allem die streng funktionale Architektur außen wie innen sowie die kühle Schönheit des Baus. Der Mittelbau mit den vier Pfeilern verleiht ihm eine monumentale Optik. Um ihn gruppieren sich wie bei einem Ehrenhof zweigeschossige Flügelbauten mit Büroräumen und Werkstätten. Die Innenarchitektur mit den Lichtdecken und einem ausgeklügelten Heizungssystem galt für Museen damals als wegweisend. Für lange Zeit war der Gläserne Mensch die größte Attraktion.

Doch schon 1933 brach in dem modernen Haus eine dunkle Zeit an, als das Museum in den Dienst nationalsozialistischer Rassenideologie gestellt wurde. Während des Zweiten Weltkrieges wurde das Museum zu etwa 80 Prozent zerstört. Doch schon 1947 begann der Wiederaufbau.

1957/58 wurde ein Kongress- und Konzertsaal für 1.100 Plätze eingebaut, der bis 1970 Heimstätte der Dresdner Philharmonie war. Er galt als eine der originellsten Raumschöpfungen nach dem Krieg. Bei der Generalsanierung des Hauses von 2001 bis 2010 wurde er wieder entfernt.In der DDR diente das Museum vor allem der Gesundheitserziehung von Kindern und Jugendlichen. Als „Museum vom Menschen“ verfolgt es seit 1991 eine neue Konzeption.