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Feine Sahne Fischfilet: "Dresden ist was Oberkrasses"

Feine Sahne Fischfilet spielt auf den großen Bühnen – bald auch wieder bei den Filmnächten in Dresden. Und dafür hat Frontmann Monchi einen speziellen Plan.

Von Tom Vörös
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Die Punkband Feine Sahne Fischfilet kommt mit dem neuen Album "Alles glänzt" nach Dresden.
Die Punkband Feine Sahne Fischfilet kommt mit dem neuen Album "Alles glänzt" nach Dresden. © Plattenweg Tonträger

Es schnurpst vor der Kamera. Jan „Monchi“ Gorkow knabbert während des Interviews an seinen Mohrrüben. „Niemals satt“ – 2022 veröffentlichte er seinen Bestseller über Fettleibigkeit. Mit der Band Feine Sahne Fischfilet verbreitet der Autor und Sänger seit 2004 harte Punkrockmusik und sendet politische Botschaften, für die die Band zeitweilig vom Verfassungsschutz beobachtet wurde. Im Interview berichten „Monchi“ und der Trompeter Max Bobzin von täglichen Bedrohungen, Umwälzungen in der Band und der Riesenfreude, endlich die großen Bühnen der Republik entern zu dürfen.

Herr Gorkow, wie geht es Ihnen zurzeit? Schaffen Sie es, Ihr Gewicht zu halten?

Nee. Ich bin da immer am Kämpfen und habe sehr mit dem Jojo-Effekt zu tun. Ich wiege aber jetzt nicht wieder 182 Kilo. Wenn ich zum Beispiel die Interviews hier mache, habe ich ganz viele Möhren dabei, damit ich mir keine Süßigkeiten reinhaue.

Wo liegen die größten Gefahrenzonen für Sie persönlich?

Die Autobahn macht fett. Wenn ich an die Tour denke, habe ich krasse Sehnsucht auf die Konzerte und danach, mit den Leuten wieder in Berührung zu kommen. Aber gleichzeitig denke ich: Alter, da ist wieder so viel geiles Fressen! Ich habe richtig Angst davor, hinterher wieder eine sechsfache XL-Größe tragen zu müssen. Ich bin gerade zwischen 2XL und 3XL.

Ihr neues Album „Alles glänzt“ scheint nicht mehr ganz so offensiv politisch zu sein wie früher, oder?

Jan Gorkow: Das sehe ich überhaupt nicht so. Wir machen aber keine Parolen mehr, sondern es sind alles persönliche Geschichten. Zeilen wie „Ich hoffe, du kannst bald wieder schlafen“ habe ich für einen Seenotretter geschrieben, der in Italien angeklagt wurde und 20 Jahre in den Knast soll, weil er Menschen vor dem Ertrinken gerettet hat. In Textzeilen wie „Im Suff wetten wir, wer auf mehr Todeslisten steht“ können sich die Leute vielleicht schlecht hineinversetzen. Aber das sind Dinge, die uns in den letzten Jahren sehr bewegt haben. Zum Beispiel, ob es Sinn ergibt, sich gegen Faschos geradezumachen, im Zeitalter von Hanau, NSU, Lübke usw. Da stellt man sich die Frage: Ist es das alles überhaupt wert?

Cover des neuen Albums "Alles glänzt" von Feine Sahne Fischfilet.
Cover des neuen Albums "Alles glänzt" von Feine Sahne Fischfilet. © Plattenweg Tonträger

Hat der Verfassungsschutz noch immer ein Auge auf die Band?

Max Bobzin: Das ist ja nun auch schon locker über zehn Jahre her. Wir haben uns einfach weiterentwickelt, schreiben andere Texte, machen andere Musik, sind uns aber ein ganzes Stück treu geblieben. Auf dem Album haben wir, glaube ich, eine gute Balance geschaffen zwischen Altbewährtem und Neukreiertem.

Jan Gorkow: Wenn ich mir vorstelle, noch über die gleichen Themen zu schreiben wie mit Anfang 20, dann würde ich mich dafür schämen. Ich wurde drei Jahre lang vom Verfassungsschutz observiert und abgehört, hatte Peilsender unterm Auto. Das vergisst du nicht. Bei der letzten Tour gab es noch Proteste. Drohungen gibt es bis heute täglich. Und wer weiß, vielleicht bekomme ich vom Verfassungsschutz wieder nach drei Jahren eine Nachricht: „Sie wurden überwacht. Mit freundlichen Grüßen.“

Welche Konzerterfahrungen hat die Band in Dresden gemacht?

Jan Gorkow: Wenn ich an Dresden denke, da wir haben früher oft in kleinen Klubs wie der Chemiefabrik gespielt. Das ist natürlich für uns völlig absurd, jetzt da ein Open Air vor 8.000 bis 10.000 Leuten zu spielen. Das ist etwas Oberkrasses für uns, auf das wir uns total freuen. Aber natürlich denke ich bei Dresden auch an Banner wie: „Was reimt sich auf Feine Sahne Fischfilet – Zyklon B“. Natürlich macht das etwas mit uns. Und wer weiß wie viele Leute schon gedacht haben, wie toll es doch wäre, mich platt zu machen. Aber über die Jahre war es immer auch eine sehr gute Medizin, sich auf sich selber zu konzentrieren und auf die coolen Menschen aus Sachsen, die bei unseren Konzerten oder bei Demos gegen Rechts protestieren. Natürlich gibt es überall Idioten und Arschlöcher, die überzeugte Neonazis sind. Bei uns in Mecklenburg-Vorpommern wählen 20 Prozent AfD. Viele Leute haben scheinbar kein Problem, Nazis zu wählen. Aber es gibt eben auch viele tolle Leute, Organisationen, Initiativen, auf die wir uns freuen. Sich das immer wieder bewusst zu machen, ist gut, um nicht zu verbittern. Als wir ankündigten, am 18. Mai in Bischofswerda zu spielen, war das Konzert nach drei Minuten ausverkauft. Für mich ist eine der wichtigsten Zeilen auf dem Album: „Lass und schauen, was uns verbindet und nicht was uns trennt. Lass uns nicht verbittern, auch wenn es kälter wird“. Das ist, was ich fühle in einem Zeitalter, in dem sich die Linke selber zerlegt.

Gibt es eine klare Haltung in der Band zu Themen wie Friedensdemo und Ukraine-Krieg?

Max Bobzin: Wir wissen schon, wo wir uns verorten. Aber natürlich sind auch bei uns nicht alle einer Meinung, da wird viel diskutiert und ausgelotet.

Schon vor Corona haben Sie eine Auszeit genommen, es gab Besetzungswechsel. Was hat sich noch verändert?

Wir hatten noch nie Bock auf Stillstand. Auf dem Album gibt es die Zeile: „Auf jeden Rausch folgt der Kater“. Wir waren seit 2006 im Rausch, seit Kai mich auf dem Schulhof fragte, ob ich eine Band gründen will. Wir haben immer abgeliefert, viel gespielt. 2020 ist uns klar geworden, dass wir nicht gut genug auf uns aufgepasst haben.

Was ist an den Vorwürfen von angeblich sexualisierter Gewalt dran, die im Internet kursieren?

Jan Gorkow: Uns wurde bis heute nicht einmal gesagt, worum es konkret gehen soll. Wir sind immer offen für Kritik, werden uns aber nicht mehr mit Scheiße bewerfen lassen. Wenn etwas für mich klargeworden ist in den letzten Jahren, dann das: Raus in die Realität, raus aus dem Internet. Denn oft ist das Internet gefühlt der dümmste Ort der Welt.
Max Bobzin: Kein Ort jedenfalls, wo man irgendeine reflektierte Auseinandersetzung zu irgendeinem Thema führen sollte. Wir werden dieses Spiel nicht mehr mitspielen. Wir wissen, wer wir sind und schauen nach vorn.

Jan "Monchi" Gorkow (links), Kai Irrgang und Olaf Ney von der Band Feine Sahne Fischfilet kurz vorm Konzert am 21. Auguts 2019 am Dresdner Elbufer.
Jan "Monchi" Gorkow (links), Kai Irrgang und Olaf Ney von der Band Feine Sahne Fischfilet kurz vorm Konzert am 21. Auguts 2019 am Dresdner Elbufer. © Maximilian Helm

Das Lied „Kiddies im Block“ thematisiert soziale Brennpunkte – eine Herzensangelegenheit?

Jan Gorkow: Ich selbst bin nicht in der Platte groß geworden, meine Eltern kommen aus dem Mittelstand. Aber wenn man mit offenen Augen durch die Welt geht, dann nimmt man natürlich das krasse Gefälle zwischen arm und reich deutlich wahr. Dass gesellschaftspolitisch alles richtig am Dampfen ist. In Schwerin auch, aber dort gibt es auch tolle Leute, tolle Sozialarbeiter. Deswegen werden wir im Jugendclub unser Konzert spielen. Die Leute haben zwar keinen Instagram-Kurs besucht, aber sie sind echt und freuen sich den Arsch ab. Wenn man eine Band hat, die ein bisschen größer ist, kann man das Potenzial nutzen, auf Dinge aufmerksam machen, darüber bin ich froh.

Sie haben mal gesagt: „Diesen Traum, bekannt zu werden, gab es eigentlich nie.“ Wie kam es dann doch dazu?

Max Bobzin: Bei uns war das mit sehr viel Arbeit und Aufwand verbunden. Ich glaube nicht, dass uns das irgendwie zugeflogen ist. Wir sind jahrelang herumgetourt, waren jedes Wochenende in kleinen Läden präsent und haben uns den Erfolg erspielt. Die Voraussetzungen dafür verändern sich immer wieder. Von außen wirkt das alles vielleicht noch krasser als für einen selbst.

Es ist der perfekte Oberhammer, wenn du solche großen Konzerte spielen darfst. Das wünsche ich einfach jeder halbwegs coolen Band, die nicht aus totalen Vollidioten besteht. Das ist aber etwas, was nie so geplant war, die Sache aber genauso deshalb so besonders macht. Wir singen ja auch: „Und wenn’s morgen vorbei ist, scheißegal, wir haben gelebt“. Natürlich gab es auch schlimme Momente, natürlich ist man manchmal ein Idiot oder man erkennt, wie sehr man sich selbst in Gefahr bringt. Aber: Was wir mit Feine Sahne heute erleben, das dürfen nur wenige Menschen erleben. Dafür sind wir so dankbar, wissen aber auch, dass wir dafür viel getan haben. Und wenn ich das letzte Mal am Elbufer spiele, scheißegal, dann habe ich gelebt. Und wenn der 15. Juli da ist, dann hab ich garantiert steife Nippel, das kann ich schonmal versprechen. Danke, Sachsen!

Es gab also nie einen Plan B?

Jan Gorkow: Nein, ich habe keine Lehrausbildung. Manchmal dachte ich schon: Mann, ist das dumm. Oder: Geht das jetzt weiter? Dann kam Corona und wir sind alle so Leute um die 35. Aber wir haben trotzdem gelebt. Damit rede ich mir das Ganze vielleicht auch schön. Zum Konzert in Dresden wollen alle unsere Familien kommen. Ich freue mich jetzt schon drauf, mit meinem Vater live auf der Bühne ein Bengalo abzureißen.


  • Das Konzert: Feine Sahne Fischfilet, 15. 7., 18.15 Uhr, Filmnächte am Elbufer, Dresden, Tickets gibt es hier.