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Gregory Porter bei den Jazztagen Dresden: 20 Uhr geht die Sonne auf

Von süßlich-zart bis kraftvoll und herb – Gregory Porter begeistert bei den Jazztagen Dresden.

Von Tom Vörös
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Gregory Porter war am Samstag bei den Dresdner Jazztagen zu Gast.
Gregory Porter war am Samstag bei den Dresdner Jazztagen zu Gast. © kairospress

In der BallsportArena, in der Nähe des Spielfeldes der Dresdner Monarchs dürfte sich der amerikanische Sänger Gregory Porter nicht unwohl gefühlt haben. Denn seinen jetzigen Beruf übt er nur aus, weil er sich mal an der Schulter verletzte. Doch die zweite Jobwahl als Sänger hat natürlich den Vorteil, dass man ihn auch noch mit 50 plus auf Weltklasse-Niveau ausüben kann.

Der Mann, der stets mit einer ballonartigen Kopfbedeckung plus Schlauchschal um die Ohren ins Rampenlicht tritt, versprühte jedenfalls alles andere als ein Bedauern. „Hier leben also die schönen Menschen Deutschlands“, schmeichelte er am Sonnabend durch die gut gefüllte Sporthalle.

Vor dem Konzert hatte Jazztage-Chef Kilian Forster die Pandemie optimistischerweise für beendet erklärt. „Morgen 14.30 Uhr kommt der Bart ab“, so Forster, der aber trotzdem hofft, dass die Corona-Förderung auch 2023 weitergeht. Der dritte Versuch, Gregory Porter nach Dresden zu holen, ging jedenfalls auf. Überwog zu Beginn noch die Skepsis, ob es Porter schafft, nicht nur Jazz-Fans zu begeistern, war am Ende alles klar. Denn der Mann aus Kalifornien ließ aus seinem stofflich gut begrenztem Gesicht und mithilfe seiner Stimme ganz einfach die Sonne scheinen.

Knapp am süßen Pathos vorbei

Das Fehlen ganz großer Ohrwürmer fiel nur im ersten Konzertteil auf. Offenbar ist dies auch nicht das Ziel dieses mächtig gebauten Mannes. Sondern Porter, das wurde nach einer halben Stunde klar, vollbringt minütlich kleine Wunder am Mikrofon. Stimmlich lotet er geschmeidig Grenzen aus, manchmal so zartschmelzend wie eine unwiderstehliche Pralinenfüllung. Manchmal erfasste er mit seinem Organ den ganzen Raum und zeigte ein emotionales Spektrum, dass ihn zum Superstar werden ließ. Inmitten des durchaus sportlich gewebten Klangfeldes aus Jazz, Gospel, Soul, Funk und leichter Pop-Rock-Musik lässt es sich wunderbar auch mal die Augen verschließen und genießen.

© kairospress

Das Portersche Gesamtklangwerk ist ohne seine Instrumental-Virtuosen kaum denkbar. Ob Saxofon, Schlagzeug, Orgel, Piano oder Bass – allesamt spielen so, als hätten sie nie etwas anderes gemacht. Und als der Sänger nach einem Kontrabass-Solo seines Kollegen den Evergreen „My Girl“ anstimmte, füllte er damit letztlich auch die letzte Lücke zum Pop-Mainstream, die bis dahin zugunsten der Kunst vernachlässigt wurde. Wer nun befürchtete, dass das Konzert in süßem Pathos versinken würde, hatte vergessen, dass eine Jazzband auf der Bühne stand, mit allen Fähigkeiten zur Improvisation.

So wurde der Spagat möglich, zwischen Ohrwurm-Neigung und dem spielerischen Zerstören dessen. Im Finale sang eine ganze BallsportArena „You Can Join My Band“ selig mit und wäre wohl am liebsten tanzend auf die Bühne gestürmt.