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Grünes Gewölbe: Drei Jahre nach dem Juwelendiebstahl steht der Prozess vor dem Ende

Heute vor drei Jahren haben Diebe wertvollen Schmuck aus dem Grünen Gewölbe in Dresden gestohlen. Die Tat sorgt bis heute für Schlagzeilen. Der Prozess gegen sechs Männer steht vor dem Ende.

Von Alexander Schneider
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Eine bei dem Einbruch beschädigte Vitrine im Juwelenzimmer im Historischen Grünen Gewölbe im Dresdner Schloss.
Eine bei dem Einbruch beschädigte Vitrine im Juwelenzimmer im Historischen Grünen Gewölbe im Dresdner Schloss. © Sebastian Kahnert/dpa-Zentralbild (Archiv)

Heute vor drei Jahren haben Diebe Diamanten und Juwelen von unschätzbarem Wert aus dem Grünen Gewölbe Dresden gestohlen. Die Tat blamierte die Staatlichen Kunstsammlungen Dresden (SKD) für ihr völlig überschätztes Sicherheitssystem. Als mutmaßliche Täter ermittelte die Polizei bald mehrere junge Männer der arabischstämmigen Großfamilie Remmo in Berlin. Sechs Angeklagte stehen seit zehn Monaten vor dem Landgericht Dresden.

In der Hauptverhandlung wurden zahlreiche Sicherheitsmängel bekannt. Technik und Ausbildung der Bediensteten war längst nicht mehr auf der Höhe der Zeit – die grob verpixelten Schwarzweiß-Videoaufnahmen, auf denen zu sehen ist, wie zwei Täter im Juwelenzimmer mit Äxten eine Vitrine einschlagen, ist nur der sichtbare Beleg für das Versagen. Von den erbeuteten Diamanten- und Juwelen-Garnituren fehlt bis heute jede Spur.

Erst diese Woche fiel der Name Remmo auch im Zusammenhang mit dem Diebstahl keltischer Goldmünzen aus dem Kelten- und Römermuseum in Manching bei Ingolstadt in Bayern. Art und Vorgehensweise - wie gekappte Glasfaserleitungen und der Millionenschaden - erinnert an deren Taten, darunter neben dem Einbruch in Dresden auch der Diebstahl der 100 Kilogramm schweren Goldmünze Big Maple Leaf aus dem Bode Museum in Berlin im März 2017. Die Dresdner Polizei hat den Kollegen in Bayern erst am Mittwoch ihre Unterstützung zugesagt, sollten sich Hinweise auf den Berliner Clan verdichten.

In der Dresdner „Sonderkommission Epaulette“ ermitteln noch immer 25 Männer und Frauen rund um den Einbruch. Sie sichern den Prozess ab, überwachen Besuchstermine bei den Angeklagten im Gefängnis und haben darüber hinaus noch allerhand zu tun. So gab es etwa auch Erpressungsversuche von Unbekannten, die Vorgaben, den Schmuck besorgen zu können.

Betrüger narrt Polizei und Museumsmitarbeiter

Vor wenigen Tagen wurde bekannt, dass ein solcher Trittbrettfahrer den SKD Ende 2021 angeboten hatte, den gestohlenen Bruststern des Polnischen Weißen Adler-Ordens, auch er gehört zur Beute, für 40.000 Euro zurückkaufen zu können. Der Mann, ein einschlägig vorbestrafter Betrüger aus den Niederlanden, hatte bereits den renommierten Kunstdetektiv Arthur Brandt getäuscht. Es kam an Weihnachten 2021 zu einem Treffen in der belgischen Diamanten-Hauptstadt Antwerpen – und kaum hatte der 54-jährige Täter das Geld, tauchte er unter.

Beamte des Landeskriminalamtes Sachsen hatten nach SZ-Informationen die Übergabe begleitet. Sie durften aber weder eingreifen noch den Täter observieren. Angeblich waren sie dabei, um den Orden zu übernehmen – damit sich kein Museumsmitarbeiter wegen Hehlerei schuldig macht. Für die SKD ist dieser Fall ein neuer Tiefpunkt. Natürlich hatte man das Risiko eines Trickbetruges erkannt, doch die Aussicht, einen Teil der Beute zurückzuerlangen hatte die Sorge eines Scheiterns überwogen. Bei dem Schaden handelt es sich um private Spendengelder.

Immerhin gelang es, den mutmaßlichen Betrüger zu identifizieren. Im März hatte er bereits wegen anderer Vorwürfe in den Niederladen in Haft gesessen. Er wurde am 10. November nach Sachsen ausgeliefert, wo er nun einen Prozess erwartet.

Plädoyers noch im Dezember?

In der Dresdner Verhandlung gegen die sechs Remmos spielte der nun bekannt gewordene Betrug keine Rolle. Die Beweisaufnahme steht jetzt vor dem Ende. Das Gericht ist mit seinem Programm durch und hat den Verteidigern eine Frist für Beweisanträge bis zum 6. Dezember, dem nächsten Verhandlungstag, gesetzt. Sollte bis da wider Erwarten nichts mehr kommen, schließt die Kammer die Beweisaufnahme und wird die Staatsanwaltschaft um ihr Plädoyer bitten. Danach plädieren die Verteidiger, ehe die Angeklagten sich noch abschließend äußern können. Rund vier Tage sind für alle Plädoyers grob veranschlagt. Da im Dezember nur noch zwei weitere Sitzungstage terminiert sind, wird die Hauptverhandlung erst Anfang 2023 enden.

Die Angeklagten im Prozess um den Juwelenraub im Grünen Gewölbe sitzen bei der Fortsetzung des Prozess im Verhandlungssaal im Landgericht neben den Anwälten auf ihren Plätzen.
Die Angeklagten im Prozess um den Juwelenraub im Grünen Gewölbe sitzen bei der Fortsetzung des Prozess im Verhandlungssaal im Landgericht neben den Anwälten auf ihren Plätzen. © Sebastian Kahnert/dpa-Pool

Nach derzeitigem Stand ist wohl mit Verurteilungen von mindestens fünf Angeklagten zu rechnen. Sie alle sitzen nach wie vor in Untersuchungshaft, drei bereits seit mehr als zwei Jahren. Einzig Ahmed Remmo hat keinen Haftbefehl. Er verbüßt jedoch eine Jugendstrafe von viereinhalb Jahren Haft für den Einbruch ins Bode-Museum. Der 24-Jährige könnte ein glaubhaftes Alibi für den Einbruch in Dresden haben. Für die übrigen Männer im Alter von 23 bis 28 Jahren geht es um viele Jahre Haft. Neben schwerem Bandendiebstahl droht ihnen eine Verurteilung wegen schwerer Brandstiftung – für das Anzünden ihres Flucht-Audis in einer Tiefgarage in Dresden-Pieschen. Das Feuer habe laut Anklage auch Menschen in den darüberliegenden Wohnungen gefährdet, mindestens ein Bewohner wurde verletzt.

Die Beweisaufnahme ist schwierig. Die Angeklagten selbst haben sich nicht zu den Vorwürfen geäußert. Viele Indizien sind für sich genommen nicht eindeutig. Doch Ermittler und Kriminaltechniker haben jede noch so unbedeutende Spur ausgewertet: Autofahrten, Telefongespräche, Handysuchen, Mikrospuren und kleinste DNA-Anhaftungen. So entstand ein Gesamtbild, das schlüssig erscheint.

Ein Angeklagter nennt Namen

Ein Angeklagter hatte etwa ausgesagt, er sei von dem Organisator des Einbruchs eine Woche vor der Tat gefragt worden, mitzumachen. Daher sei er ein paar Tage vor dem 25. November am Dresdner Stadtschloss gewesen, wo seine DNA-Abdrücke gefunden wurden. In der Nacht vor dem Einbruch sei er jedoch abgesprungen. Anlass sei eine Polizeikontrolle in Berlin gewesen, als er mit drei weiteren Personen – darunter zwei Mitangeklagte, Namen nannte er nicht – schon auf dem Weg nach Dresden gewesen sei. Am Steuer des VW-Golfs habe J. Remmo gesessen, diesen Namen nannte der heute 28-jährige Angeklagte überraschend in seiner vorbereiteten Erklärung. Gegen J. Remmo wird noch ermittelt, im Mai wurde der damals 22-Jährige als Besucher des Prozesses verhaftet, kam Wochen später jedoch wieder frei.

Zwei Mitarbeiter der Spurensicherung stehen am 25.11.2019 vor dem Residenzschloss mit dem Grünen Gewölbe hinter einem Absperrband.
Zwei Mitarbeiter der Spurensicherung stehen am 25.11.2019 vor dem Residenzschloss mit dem Grünen Gewölbe hinter einem Absperrband. ©  Archivbild: Sebastian Kahnert/dpa

Weitere interessante Spuren sind kleinste Splitter der Vitrine, die einem herrenlosen Mercedes gefunden wurden, der Mitte Dezember 2019 in Berlin aufgefallen ist. Unbekannte hatten versucht, das Auto am ersten Weihnachtsfeiertag auf einem Polizeigelände abzufackeln. Ein Fehler, denn erst so war das Auto für die Ermittler der Sonderkommission Epaulette interessant geworden.

Als Totalausfall entpuppten sich dagegen die „Hundespuren“. Die Ermittler hatten eineinhalb Jahre nach dem Einbruch mit sogenannten Mantrailern, das sind speziell ausgebildete Spürhunde, versucht, individuelle Tatbeiträge einzelner Angeklagter zu belegen. Etwa sollen Wissam Remmo (25) und ein 23-jähriger Mitangeklagter die beiden Männer gewesen sein, die den Schmuck aus dem Museum geholt hatten. Doch zwei Gutachter hatten Zweifel an der Haltbarkeit von Geruchsspuren über eine so lange Zeit. Auch einem IT-Forensiker aus Mittweida war es nicht gelungen, individuelle Details zu einzelnen Tätern auf den schlechten Videoaufnahmen aus dem Museum herauszuarbeiten.

Es bleibt also spannend, wie die Staatsanwaltschaft und die Verteidiger und nicht zuletzt das Gericht in den kommenden Wochen die Indizien bewerten.