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Grünes Gewölbe: Clan-Zwilling gefasst

Jetzt sind alle fünf verdächtigen Juwelendiebe in Haft – doch die Schätze aus dem Dresdner Grünen Gewölbe bleiben verschwunden.

Von Alexander Schneider
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Anderthalb Jahre war Abdul R. auf der Flucht - am Montagabend wurde er in Berlin Neukölln verhaftet.
Anderthalb Jahre war Abdul R. auf der Flucht - am Montagabend wurde er in Berlin Neukölln verhaftet. © Matthias Rietschel; Polizei

Dresden/Berlin. Auch der letzte der fünf mutmaßlichen Juwelendiebe hatte sich in seiner Heimatstadt Berlin vor der Polizei versteckt. Eineinhalb Jahre nach dem spektakulären Einbruch ins Historische Grüne Gewölbe in Dresden haben Spezialkräfte der Polizei den 22-jährigen Abdul Majed Remmo festgenommen. Zielfahnder des Bundeskriminalamtes hatten ihn in einer Wohnung im Berliner Stadtteil Neukölln aufgespürt. Nach Angaben der Zeitung Die Welt stürmten die Beamten am Montagabend die Wohnung eines Mehrfamilienhauses in der Eschenbachstraße, der Gesuchte habe keinen Widerstand geleistet.

Die Staatsanwaltschaft Dresden rechnet auch den 22-Jährigen dem Berliner Remmo-Clan zu. Er und vier weitere Angehörige der arabischstämmigen Großfamilie stehen im Verdacht, am 25. November 2019 Schmuck von unschätzbarem Wert aus Sachsens Schatzkammer gestohlen zu haben. Die Täter hatten frühmorgens einen Brand gelegt und so die Stromversorgung der Straßenlaternen unterbrochen.

Schwerer Bandendiebstahl und Brandstiftung

Im Schutz der Dunkelheit brachen sie innerhalb kürzester Zeit durch ein vergittertes Fenster in das Museum ein, wo sie zielgerichtet eine Vitrine aufschlugen. Nach einer halben Minute hatte das Sicherheitsglas ihren Äxten nachgegeben. Die Videobilder haben sich in das kollektive Gedächtnis der Sachsen eingebrannt. Die Diebe rissen Diamanten und Brillanten des 17. und 18. Jahrhunderts aus der Vitrine und flüchteten in einem Audi, den sie in einer Tiefgarage in Dresden-Pieschen in Brand setzten. Dort hatte sich ihre Spur verloren.

Das änderte sich überraschend ein knappes Jahr später. Am 17. November 2020 durchsuchte die Polizei in Berlin mit mehr als 1.600 Beamten mehrere Wohnungen und nahm drei Verdächtige fest: Wissam, Bashim und Rabih Remmo. Sie sitzen seitdem in Haft. Abdul Majed und sein Zwillingsbruder Mohamed Remmo jedoch konnten flüchten und tauchten unter. Nach ihnen wurde seitdem international gefahndet. Schon am 14. Dezember wurde Mohamed Remmo gefasst. Zielfahnder hatten auch ihn in einer Wohnung in Neukölln aufgespürt. Sichergestellt wurden darüber hinaus ein Handy und Bekleidung.

Die Festnahme vom Montagabend ist ein schöner Erfolg für die Fahnder. Auch Abdul Majed Remmo hatte sich dort aufgehalten, wo er aufgewachsen ist, wo er sich am besten auskennt – und wo seine Familie möglicherweise den größten Einfluss hat. Es war wohl mehr eine Frage der Zeit, auch ihn ausfindig zu machen.

Der 22-Jährige wurde noch in der Nacht nach Dresden gebracht und am Dienstagnachmittag dem Ermittlungsrichter des Amtsgerichts Dresden vorgestellt. Der setzte den Haftbefehl in Vollzug – wegen Fluchtgefahr. Oberstaatsanwalt Jürgen Schmidt, der Sprecher der Staatsanwaltschaft, teilte mit, dass gegen alle fünf Remmos wegen schweren Einbruchsdiebstahls und Brandstiftung ermittelt werde.

Knapp 100 Handys sichergestellt

Noch immer spricht Schmidt von „sehr umfangreichen und komplexen Ermittlungen“ der Soko Epaulette und der Staatsanwaltschaft Dresden. Es seien bei den Durchsuchungsmaßnahmen unter anderem allein knapp 100 Handys sichergestellt worden, die ausgewertet werden müssen. Daher sei noch nicht abzusehen, wann Anklage erhoben werden kann. Sollten alle fünf Verdächtigen angeklagt werden, wird das Verfahren wohl vor der Jugendkammer des Landgerichts Dresden landen, weil die Zwillingsbrüder zur Tatzeit Heranwachsende waren – und für sie das Jugendstrafrecht angewendet werden könnte.

Eine mehrjährige Jugendstrafe verbüßt unterdessen auch Wissam Remmo, der dazu eigens nach Berlin verlegt wurde. Er war am Diebstahl der rund 100 Kilogramm schweren Goldmünze „Big Maple Leaf“ aus dem Bode Museum in Berlin beteiligt. Auch dieser Einbruch vom März 2017 wird dem Remmo-Clan zugeordnet. Zum Zeitpunkt des Einbruchs in Dresdens Schatzkammer lief Wissam Remmos Hauptverhandlung in Berlin noch, er war auf freiem Fuß. Erst am 20. Februar 2020 wurde er zu einer Jugendstrafe von viereinhalb Jahren verurteilt.

Oberstaatsanwalt Schmidt bedauert, dass auch eineinhalb Jahre nach der Tat noch kein einziges Schmuckstück aus dem Grünen Gewölbe aufgetaucht ist. Es gebe auch – leider – „keine heiße Spur“. Er sei jedoch zuversichtlich, dass der Schmuck noch gefunden wird.