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Angeklagte gestehen: So lief der Diebstahl im Grünen Gewölbe wirklich ab

Drei Angeklagte haben am Dienstag den Einbruch ins Grüne Gewölbe gestanden. Dabei schildern die den Coup erstmals detailliert aus ihrer Sicht.

Von Karin Schlottmann & Alexander Schneider
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Im Prozess um den Einbruch ins Grüne Gewölbe haben mehrere Angeklagte gestanden - und Details zum Einbruch offengelegt.
Im Prozess um den Einbruch ins Grüne Gewölbe haben mehrere Angeklagte gestanden - und Details zum Einbruch offengelegt. © Archiv/Sebastian Kahnert/dpa

Dresden. Wenn die Männer von ihrer Tat erzählen, klingt das nach jugendlichem Leichtsinn, nach Adrenalin-Kick, einer spricht sogar von einer „Mutprobe“. Am Dienstag beginnen drei von sechs Angeklagten im Prozess um den Einbruch ins Grüne Gewölbe, ihren Teil des Deals mit dem Landgericht Dresden einzulösen. In etwa viertelstündigen Erklärungen gestehen sie, mit von der Partie gewesen zu sein. Keiner zählt sich zu denjenigen, die den spektakulären Diebstahl geplant haben.

Einen Großteil der Beute haben die Täter inzwischen über ihre Verteidiger an die Polizei herausgegeben. Sie ist teils stark beschädigt worden. Wo die übrige Beute, darunter die Epaulette mit dem Sächsischen Weißen und die Große Brustschleife der Königin Amalie Auguste geblieben ist, wüssten sie nicht, sagten sie.

Die Idee sei nach einer Klassenfahrt entstanden, berichten sie. Ein Freund habe ihnen von einem Grünen Diamanten erzählt, der ihm auf einem Schulausflug in Dresden aufgefallen sei. So rückte das Grüne Gewölbe, Sachsens Schatzkammer, in den Fokus der jungen Berliner, von denen einige im März 2017 mit dem Diebstahl einer 100 Kilogramm-Goldmünze aus dem Bode-Museum von sich reden gemacht hatten.

Mehrere Erkundungsfahrten nach Dresden hätten ergeben, dass die Sicherheitsanlagen des Museums Schwächen aufwiesen und das Risiko damit überschaubar schien. Sie seien verwundert gewesen, wie frei sie sich bewegen konnten, um das Einstiegsfenster Tage vor dem Einbruch zu präparieren und die Reichweite der Fassadenscanner zu testen.

Viertes Geständnis für nächsten Freitag geplant

Für den Einbruch ins Grüne Gewölbe und die Brandstiftungen am 25. November 2019 können die zur Tatzeit erwachsenen Angeklagten mit fünf Jahren, neun Monaten bis sechs Jahren, neun Monaten rechnen, so die Verständigung mit Gericht von vergangener Woche.

Rabieh Remmo ist als erster an der Reihe. Als einziger liest er sein vorbereitetes Geständnis selbst vor. Er sei „deutlich mehr involviert gewesen“, als er im März vergangenen Jahres bereits eingeräumt habe, beginnt der 29-Jährige. „Ich war selbst in den Räumen des Grünen Gewölbes.“ Im August sei ihm klar geworden, dass seinem mitangeklagten Cousin A. M. Remmo, mit dem er nahezu täglich zusammengewesen sei, „tatsächlich eine Verurteilung droht“. Da der 23-Jährige jedoch nicht mit in Dresden gewesen sei, habe er das sagen wollen.

Im Prozess um den spektakulären Juwelendiebstahl aus dem Dresdner Grünen Gewölbe wollen die meisten Tatverdächtigen am Dienstag ihr Schweigen brechen. Vorausgegangen war ein sogenannter Deal zwischen allen Prozessbeteiligten.
Im Prozess um den spektakulären Juwelendiebstahl aus dem Dresdner Grünen Gewölbe wollen die meisten Tatverdächtigen am Dienstag ihr Schweigen brechen. Vorausgegangen war ein sogenannter Deal zwischen allen Prozessbeteiligten. © dpa/Sebastian Kahnert

Rabieh Remmo sagt, er habe zwei, drei Monate vor der Tat von den Plänen erfahren: „Ich war dazu bereit.“ Unzutreffend sei, dass ihnen ein Insider geholfen habe. Sie selbst und andere Mittäter hätten nachts durch die Fenster gespäht und erkannt, dass die Türen der einzelnen Ausstellungsräume im Grünen Gewölbe nicht verschlossen waren. So sei es möglich gewesen, von außen durch ein Fenster ins Juwelenzimmer zu gelangen. Von dem Grünen Diamanten im ersten Stock hätten sie abgesehen, „interessanter“ schien die Vitrine im Juwelenzimmer. Darin habe der meiste Schmuck gelegen. Auch die Fassadenscanner am Gebäude hätten sie sich angeschaut und ausprobiert, ob sie auslösten, wenn sie sich nahe an der Fassade bewegten. „Da nie jemand kam, dachten wir, sie sind defekt oder der Bereich wird nicht erfasst“, so der 29-Jährige.

Teil der Schmuckstücke aus Grünem Gewölbe fehlt noch

In den Tagen zuvor seien sie mehrfach in das Pegelhaus der Augustusbrücke eingedrungen. Dort hätte sie Pläne abfotografiert, aus denen die Stromversorgung hervorging. Sie hätten beabsichtigt, durch den Brand am Tattag das Grüne Gewölbe von der Energie zu trennen und nicht nur die Straßenlaternen. Die Fenstergitter waren schon Tage zuvor durchtrennt worden. Rabieh Remmo: „Mich hat gewundert, dass das nicht bemerkt wurde.“ Um das Fenster dahinter unbemerkt einzudrücken, hätten sie eine Straßenbahn abgewartet. Er und „eine dritte Person“ seien in das Museum geklettert. Die Angelschnur, mit der die Schmuckstücke in der Vitrine festgebunden waren, sei „ein Problem“ gewesen. Einiges sei beim Herausreißen kaputt gegangen oder in der Vitrine geblieben.

Geräusche mit Musik übertönt

Der 26-jährige Wissam Remmo lässt seinen Verteidiger sagen, er habe sich nach dem Diebstahl im Berliner Bode-Museum – viereinhalb Jahre hatte er dafür erst Anfang 2020 bekommen – in einer „Hochphase“ befunden. Er war zunächst auf freiem Fuß geblieben. Die Tat sei in den Medien und von Bekannten als „Geniestreich“ gefeiert und mit Filmen wie „Oceans 11“ oder der Olsen-Bande verglichen worden. Erstmals habe er etwas wie „gesellschaftliche Anerkennung“ empfunden: „Ich war der Meisterdieb“. Er habe danach viel gefeiert, auch erheblich Kokain konsumiert. 2019 habe er sich für den Einbruch in Dresden interessiert. Sie hätten als Besucher die Räume inspiziert, nach Türen, Lichtschranken und Kabelsträngen gesucht. Das Sicherheitsglas der Vitrine sei relativ dünn gewesen, „es sah älter aus“.

Er habe im Sommer 2019 auch den Hydraulikspreizer in Erlangen gestohlen, so Wissam. Weil er dort aufgefallen sei, habe er die Beute in die Spree geworfen und überlegt, auszusteigen. Die anderen seien sauer gewesen. Die Gitterstäbe seien dann mit einem anderen Akku-Spreizer durchtrennt worden. Die Geräusche hätten sie mit Musik übertönt. Wissam Remmo sagt, er habe Schmiere gestanden, sei nie über die Mauer gestiegen. Er gibt aber zu, vor dem Einbruch den Brand im Pegelhaus gelegt zu haben. Schließlich habe er Werkzeug und Beute der Komplizen im Audi verstaut. Über der Mauer habe er Felgenreiniger verteilt, um DNA-Spuren zu beseitigen.

Weiteres Geständnis am Freitag

M. Remmo, Zwillingsbruder von A. M., sagte, der Einbruch sei seine Idee gewesen, ihm sei von dem Grünen Diamanten erzählt worden. „Die anderen hätten jedoch gesagt, „die Klunker seien für den Verkauf nicht geeignet“. Als er später von den Plänen erfuhr, habe ihn das geärgert. Er habe dabei sein wollen, „um mich zu beweisen, als Mutprobe, ich wollte im Mittelpunkt stehen“. Bei der Tat habe er am Pegelhaus Schmiere gestanden, so der 23-Jährige.

Zu sechst rasten sie zur Tiefgarage, wo sie den als Taxi getarnten Mercedes nachts abgestellt hätten. Eigentlich hätten sie den Audi bereits in der Zufahrt zur Tiefgarage vor dem Tor in Brand setzen wollen, behaupten alle drei. Doch weil das Tor zufällig aufging, seien sie hineingefahren. Dann sei das Auto dort angezündet worden.

Alle drei betonen, dass sie heute verstehen, welche Rolle der Schmuck spielt und dass sie froh seien, einen Großteil herausgegeben zu können. Auf die fehlenden Beutestücke hätten sie „keinen Zugriff“.

Interessant ist auch, was sie nicht sagen. Während sie A. M. entlasten, sagt niemand etwas zum sechsten Mitangeklagten Ahmed Remmo. Der hofft wegen eines Alibis auf einen Freispruch. Aber warum wird er nun nicht erwähnt?

Der Prozess wird am Freitag mit dem vierten Geständnis fortgesetzt. Danach will das Gericht Nachfragen an alle vier richten. Von ihren Antworten wird abhängen, wie viele Sitzungstage noch notwendig sind.

Beobachter gehen davon aus, dass frühestens im Februar mit einem Urteil gerechnet werden kann. Die drei noch verfügbaren Verhandlungstage im Januar werden sicher nicht ausreichen.