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Grünes Gewölbe: Mehrjährige Haftstrafen für Juwelendiebstahl in Dresden

Am Dienstag ist das lang erwartete Urteil im Prozess um den Einbruch ins Grüne Gewölbe in Dresden gefallen. Fünf Mitglieder des Remmo-Clans müssen ins Gefängnis, ein weiterer Angeklagter wurde freigesprochen.

Von Karin Schlottmann & Alexander Schneider
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Die mediale Aufmerksamkeit auf den Prozess ist riesig: Einer der Angeklagten hat die SZ-Ausgabe vom Wochenende als Sichtschutz gewählt - in der der Remmo-Clan eine Hauptrolle spielt.
Die mediale Aufmerksamkeit auf den Prozess ist riesig: Einer der Angeklagten hat die SZ-Ausgabe vom Wochenende als Sichtschutz gewählt - in der der Remmo-Clan eine Hauptrolle spielt. © dpa-POOL

Dresden. Dreieinhalb Jahre nach dem spektakulären Juwelendiebstahl aus dem Historischen Grünen Gewölbe in Dresden sind fünf junge Männer aus dem Berliner Remmo-Clan zu Freiheitsstrafen verurteilt worden.

Das Dresdner Landgericht sprach sie am Dienstag der besonders schweren Brandstiftung in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung, Diebstahls mit Waffen, Sachbeschädigung und vorsätzlicher Brandstiftung schuldig. Das Strafmaß fußt auf einem "Deal". Ein sechster Angeklagter wurde bei der Urteilsverkündung am Dienstag freigesprochen. Ahmed Remmo (25) hat ein Alibi.

Die höchsten Strafen im Prozess wurden gegen Wissam R. (26) und Rabieh R. (29) verhängt. Sie sollen sechs Jahre und drei Monate beziehungsweise sechs Jahre und zwei Monate ins Gefängnis. Bashir Remmo (27) muss fünf Jahre und zehn Monate hinter Gitter.

Einer der Zwillingsbrüder, Mohamed, bekam vier Jahre und vier Monate Jugendstrafe. Die Richter sehen zudem den anderen Zwilling, Abdul, als Mittäter. Der 24-Jährige erhielt fünf Jahre Jugendstrafe - unter Einbeziehung einer früheren Verurteilung.

Remmo-Clan muss Schadensersatz zahlen

Die vier Beschuldigten müssen für die Beschädigungen am Schloss und der Vitrine aufkommen. Über die Höhe des Schadensersatzes wollte das Gericht nicht entscheiden, da die Größenordnung der verlangten Summe den Prozess unnötig in die Länge gezogen hätte. Der Freistaat muss diese Forderung in einem Zivilprozess durchsetzen.

Journalisten warteten am Vormittag vor dem Prozessgebäude des Landgerichts - einem Spezialsaal des Oberlandesgerichts Dresden - auf den Einlass.
Journalisten warteten am Vormittag vor dem Prozessgebäude des Landgerichts - einem Spezialsaal des Oberlandesgerichts Dresden - auf den Einlass. © dpa

Drei der Angeklagten werden nach der Urteilsverkündung aus der Untersuchungshaft entlassen. Das Gericht setzte die Haftbefehle gegen sie gegen Meldeauflagen außer Vollzug. Ihre Haftstrafe werden sie nach Rechtskraft des Urteils zu einem späteren Zeitpunkt in Berlin verbüßen müssen. Zwei Angeklagte bleiben im Gefängnis, weil sie wegen des Diebstahls im Berliner Bode-Museum in Strafhaft sitzen. Der dritte ist Abdul Majed - eine kleine Überraschung.

Der 24-Jährige ist nach Überzeugung der Kammer "ein Mittäter", also einer der sechs Täter, die den Einbruch am 25. November 2019 begangen hatten. Abdul Majed selbst hatte lediglich eine Beihilfe eingeräumt und ausgesagt, er habe nur Werkzeuge, darunter Äxte, aus Baumärkten gestohlen. Daher habe er auch nicht in den Deal – Geständnis gegen Strafmilderung – einwilligen können.

Ziegel begründete die Entscheidung gegen den Angeklagten mit der "Gesamtschau der Indizien". Der 24-Jährige sei mit Bashir und Rabieh Remmo in dem VW Golf gewesen, der in Berlin von der Polizei kontrolliert und kurz observiert worden war - nur sechs Stunden vor dem Einbruch in Dresden. Die Angaben Abdul Majeds passten nicht zusammen. Weiter habe er im Gefängnis gegenüber einem Mitgefangenen Dinge berichtet, die nur er selbst habe wissen können.

Der Angeklagte war sichtlich schockiert, rang um Fassung. Das Gericht sah bei ihm Fluchtgefahr, man habe auch kein Geständnis strafmildernd berücksichtigen können, sagte Ziegel. Zudem war der 24-Jährige bei einer geplanten Festnahme im November 2020 für ein halbes Jahr – "im Schutz familiärer Strukturen", wie es Ziegel nannte – untergetaucht, ist vorbestraft und hat ein Drogenproblem.

Die Entlassung aus der U-Haft gehört zum Deal. Den Verteidigern war das wichtig. Zum Antritt ihrer Reststrafe können die drei Angeklagten nun darauf hoffen, in Berlin schneller oder gar sofort als "Freigänger" zu laufen. Sie könnten tagsüber arbeiten und müssten nur nachts ins Gefängnis einrücken, erklärten die Anwälte.

Der Vorsitzende Richter Andreas Ziegel sagte, Einbruchsdiebstähle seien für eine Große Strafkammer eigentlich nichts Besonderes. Der Diebstahl im Historischen Grünen Gewölbe unterscheide sich aber in vielerlei Hinsicht erheblich von anderen Straftaten. Es sei eine bis zum 25. November 2019 von vielen für unmöglich gehaltene Tat gewesen. Das Grüne Gewölbe sei eine der ältesten Schatzkammern, die ihre Ausstellungsstücke in der Vergangenheit häufig an ausländische Museen verliehen habe.

Nicht nur die Versicherungssumme in Höhe von mindestens 116 Millionen Euro sei für viele Normalbürger unvorstellbar. Die Juwelen hätten auch einen zweifelsfrei überragenden kultur- und kunsthistorischen Wert für den Freistaat Sachsen und für jeden Kunstfreund. Selbst der frühere US-Präsident Barack Obama habe sich während seines Dresden-Besuchs mit Angela Merkel dort getroffen, sagte Ziegel.

Richter verteidigt "Deal"

Ziegel lobte den hervorragenden Einsatz der Ermittlungsbehörden, die in bisher nicht gekannter Weise einen Aufklärungserfolg vorweisen konnten. Ein großer Teil des gestohlenen Schmucks sei wieder zurückgegeben worden.

Der Richter verteidigte den sogenannten Verfahrensdeal zwischen Gericht, Staatsanwaltschaft und Verteidigung, der zu milderen Strafen geführt hat.

Die Kritiker hätten suggeriert, dass die Justiz sich nicht mit Mitgliedern der Familie Remmo verständigen dürfe, weil diese in der Vergangenheit bereits erhebliche Straftaten begangen hätten. Ohne den Deal könne der Schmuck wohl nie mehr an seinen Platz in das Historische Grüne Gewölbe zurückkehren, sagte Ziegel. Trotz der Schäden an den Juwelen und Diamanten dürfe man nicht so tun, als wäre das nichts. Auch wenn die Täter mit hoher krimineller Energie gehandelt hätten, habe das Gericht eine Schadenswiedergutmachung in dieser Größenordnung zuvor nur selten erlebt.

Eine Verfahrensverständigung sei auch keine Gnade, sagte Ziegel. Seit Jahren sei es geltende Rechtslage, das Geständnis und Wiedergutmachung Auswirkungen auf das Urteil haben. Es wäre eine skandalöse Preisgabe rechtsstaatlicher Prinzipien, wenn das, was für Müller, Meier oder Schmidt gelte, nicht auch für Mitglieder der Familie Remmo Anwendung finden würde.

Drei der Angeklagten werden nach der Urteilsverkündung aus der Untersuchungshaft entlassen.
Drei der Angeklagten werden nach der Urteilsverkündung aus der Untersuchungshaft entlassen. © dpa

Spekulationen, welche Strafe ohne die sogenannte Verfahrensverständigung herausgekommen wäre, wolle das Gericht nicht befeuern. Ein Urteil an der Strafobergrenze von 15 Jahren sei allerdings fernliegend gewesen, sagte Ziegler.