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Grünes-Gewölbe-Prozess: Angeklagter bestreitet Tatbeteiligung

Im Prozess um den Einbruch ins Grüne Gewölbe behaupten nun schon drei Angeklagte, sie seien in der Tatnacht nicht in Dresden gewesen.

Von Alexander Schneider
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Von M. Remmo fanden Ermittler DNA-Spuren nach einem Banküberfall in Berlin. Die Gitterstäbe dort wurden bereits
vor der Tat aufgetrennt – wie beim Grünen Gewölbe.
Von M. Remmo fanden Ermittler DNA-Spuren nach einem Banküberfall in Berlin. Die Gitterstäbe dort wurden bereits vor der Tat aufgetrennt – wie beim Grünen Gewölbe. © Peter Schulze

Dresden. Die 23-jährigen Zwillingsbrüder sind die jüngsten Angeklagten und der Grund, warum der Prozess um den Einbruch ins Historische Grüne Gewölbe Dresden vor einer Jugendkammer des Dresdner Landgerichts verhandelt wird: Die beiden waren zur Tatzeit, dem 25. November 2019, Heranwachsende. Am Dienstag haben die beiden Männer für manche Überraschung gesorgt.

Zunächst ging es um M. Remmo. Er soll an einem versuchten Raubüberfall auf eine Filiale der Western Union Reisebank in Berlin beteiligt gewesen sein. Drei Männer hatten dort am 4. November 2019, drei Wochen vor dem Einbruch in Dresden, auf der Rückseite des Gebäudes in der Müllerstraße Gitterstäbe eines Fensters aufgebogen. Gegen 18 Uhr schlugen sie die Scheibe ein, um in die Filiale einzudringen.

Die Ermittler gehen davon aus, dass die Täter die beiden Bankmitarbeiterinnen zwingen wollten, den Tresor zu entleeren – das sei nur bis 18.15 Uhr möglich gewesen. Weil die Angestellten jedoch geistesgegenwärtig aus der Filiale flüchteten, waren auch die Täter zum Rückzug gezwungen.

Die Tat ist für den Prozess interessant, weil dort wie beim Diamantendiebstahl aus dem Dresdner Residenzschloss Fenstergitterstäbe schon vorher aufgetrennt worden waren. Dann seien sie unauffällig verklebt worden, um am Tattag schnell entfernt werden zu können. Darüber hinaus fand die Polizei eine DNA-Spur von M. Remmo. Er ist nach Überzeugung der Staatsanwaltschaft zweifelsfrei dabei gewesen. „Wir überlegen daher, eine Nachtragsanklage gegen ihn einzureichen“, sagte Oberstaatsanwalt Matthias Allmang gestern am Rande der Verhandlung. Das würde bedeuten, dass sich M. Remmo noch im laufenden Prozess auch für die Tat in Berlin verantworten muss. Möglicherweise wird ihm versuchter Raub vorgeworfen.

M.s Bruder A.-M. Remmo hat am Mittag eine überraschende Einlassung verlesen. Auch er bestreitet, an dem Einbruch in Dresden beteiligt gewesen zu sein. „Ich sitze hier, weil ich Remmo heiße“, sagte er. Er habe in dem Golf gesessen, der am Vortag gegen 23 Uhr in Berlin von der Polizei kontrolliert wurde – und habe es sich danach wie schon ein 28-jähriger Mitangeklagter anders überlegt. Er sei durch die Stadt geirrt, sei eingeschlafen und habe am nächsten Morgen, als er aufwachte, schon von dem Diamantendiebstahl gelesen. Der 23-Jährige gab zu, wiederholt gestohlen zu haben, und er habe auch in dem Mercedes gesessen, mit dem die Täter von Dresden nach Berlin geflohen sein sollen und in dem auch seine DNA gefunden wurde.

Und dann ist da noch die Hydraulik-Schere

Zunächst hatten die Verteidiger von Ahmed Remmo (24) ein Alibi bekannt gemacht. Der Mann, der zurzeit eine viereinhalbjährige Jugendstrafe für den Einbruch ins Berliner Bode-Museum verbüßt, war am 25. November 2011 gegen 0.40 Uhr in der Notaufnahme einer Klinik in Berlin-Neukölln. Er hatte über Schmerzen geklagt, soll dort bis gegen 3 Uhr gewesen sein - und habe es deshalb, selbst wenn er gewollt hätte, nicht mehr pünktlich nach Dresden schaffen können, um am Einbruch mitwirken zu können. Am Dienstag wurde bekannt, dass die Polizei sogar 106 Autohalter angeschrieben hat, die im fraglichen Zeitraum vor dem Einbruch auf der Autobahn 13 von Berlin Richtung nach Dresden unterwegs waren, um sie nach Ahmed Remmo zu fragen. Erfolglos.

Danach folgte der 28-jährige R. Remmo mit einer überraschenden Erklärung: Er nannte einen 22-Jährigen J. Remmo namentlich als Fahrer eines VW Golf, der am Sonntag, 24. November 2019 gegen 23 Uhr von der Polizei kontrolliert worden war. Die Polizei entdeckte im Kofferraum Einbruchswerkzeug, und weil alle vier Insassen den Nachnamen Remmo trugen und einschlägig bekannt waren, wurde das Auto genauer gefilzt und anschließend observiert. Zwar war die Observation erfolglos - doch die Beobachtungen der Zivilbeamten deckten sich aus Sicht der Staatsanwaltschaft nicht mit der Einlassung des 28-Jährigen, der behauptet hatte, er habe es sich wegen der Polizeikontrolle anders überlegt und sei als einziger ausgestiegen, weil ihm der Einbruch in Dresden zu heiß geworden sei.

Die Gitterstäbe am Gewölbe und am Fenster der Berliner Bankfiliale sollen mit einer akkubetriebenen Hydraulikschere aufgetrennt worden sein. Wissam Remmo (25) soll dieses Profiwerkzeug im Dezember 2018 aus der Herstellerfirma in Erlangen gestohlen haben. Ende November 2019 wurde er dafür am Amtsgericht Erlangen zu einer Jugendstrafe von zweieinhalb Jahren verurteilt. Die Polizei fand seine DNA am Fenster der Erlanger Firma. Das Landgericht Nürnberg hob das Urteil später auf – vor allem im Hinblick auf die viereinhalb Jahre, die Wissam Remmo für den Einbruch ins Berliner Bode-Museum inzwischen bekommen hatte.

Nur eine Woche vor dem Dresdner Schmuckdiebstahl haben bislang unbekannte Einbrecher erneut Geräte aus der Erlanger Firma Lukas gestohlen. Es ist keine Überraschung, dass die Polizei auch dafür die Angeklagten im Visier hat.

Der Prozess wird am Freitag fortgesetzt, anschließend geht es bis zum 23. August in die Sommerpause.